Festschrift zu Maturafeier 1875-1950

wurde Dr. Franz Moudry, Professor am Reformreal ­ gymnasium in Wien im 8. Bezirk, zum Direktor der Realschule ernannt. Infolge einer Krankheit, die er sich im Krieg zugezogen hatte, konnte er sein Amt nur ganz kurze Zeit ausüben. Schon zwei Monate nach seinem Amtsantritt mußte er Krankenurlaub nehmen und bald darauf erlag er seinem Leiden. Mit großer Energie nahm sich Direktor Anton Rimmer, vorher Professor am Bundesgymnasium in Linz, der Schule an. 1924 führte er die Umwand ­ lung der Realschule in ein Realgymnasium durch. Den Anstoß hiezu hatte die Auflösung des Lyzeal- vereines und des in alternierenden Klassen geführ ­ ten Mädchenlyzeums in Steyr gegeben. Als daher der Plan auftauchte, diese Studentinnen in die Real ­ schule zu übernehmen und für sie Parallelklassen einzurichten, griff Direktor Rimmer mit beiden Händen zu. Bald aber stellte sich heraus, daß der Lehrplan für Realschulen für Mädchen weniger passend sei. Da es in Steyr seit jeher weite Kreise gab, die eine Mittelschule wünschten, deren Reife ­ zeugnis eine umfangreichere Berechtigung als das einer Realschule gewähre, wurde die Umwandlung vom weitaus größten Teil der Bevölkerung mit Freude begrüßt. In noch einer Hinsicht entwickelte Direktor Rim ­ mer eine emsige Tätigkeit. Sein Ziel war der Neu ­ bau des Realgymnasiums in Steyr. Der Vertrag mit der Stadtgemeinde Steyr von 1872 sollte gelöst und dafür ein vom Bund zu erhaltender Neubau aufgeführt werden. Die Stadtgemeinde Steyr wid ­ mete für diesen Zweck von den zum Werndlschloß gehörigen Gründen ein Grundstück im Ausmaß von 20.000 m 2 . Schon schien die Verwirklichung des Neubaues nahe zu sein, als infolge des Zusammen ­ bruches eines Kreditinstitutes von der Regierung erhöhte Sparmaßnahmen ergriffen werden mußten, denen zufolge der Neubau des Realgymnasiums in Steyr unterblieb. Der Nachfolger Rimmers, Direktor Georg Holzer, vorher Professor an der Bundesrealschule VI in Wien, ein Vorbild an Arbeitseifer und Pünktlich ­ keit, verfolgte weiterhin den Plan des Neubaues. Ein inzwischen auftauchendes Projekt, den Haupt ­ trakt der stillgelegten Gummi- und Kabelwerke der Firma Reithoffer in Garsten als Mittelschulgebäude einzurichten, wurde wegen der exzentrischen Lage des Gebäudes und aus schultechnischen Erwägun ­ gen vom gesamten Lehrkörper abgelehnt. Eine neue Phase in der Geschichte des Realgym ­ nasiums bedeutete die Angliederung Oesterreichs an das deutsche Reich. Der neubestellte Leiter der Schule Professor Anton Neumann hatte die Um ­ wandlung des Realgymnasiums in eine deutsche Oberschule durchzuführen. Dies erforderte viel Takt, Klugheit und Geduld, da auch außerschulische Faktoren auf den Geist der Schule Einfluß zu ge ­ winnen suchten. Neuerdings wurde die Frage we ­ gen des Neubaues einer Oberschule ins Rollen ge ­ bracht. Geplant war nun ein Monumentalbau auf den Posthofgründen. Dieses Projekt wurde bei Aus ­ bruch des Krieges zurückgestellt. Wohl einer der schwersten Tage in der Geschichte der Stadt und der Schule ist der 24. Februar 1944. Beim Fliegerangriff auf Steyr um die Mittagszeit fielen drei Bomben in den Schulhof und eine traf den Nordtrakt des Gebäudes. Der Physiksaal, das physikalische und naturhistorische Kabinett und ein Klassenzimmer wurden zerstört und die Schü ­ ler-Bücherei schwer beschädigt. Die letzten Monate des Krieges brachten schwere Störungen des Unterrichtsbetriebes und am 27. Jän ­ ner 1945 wurde der Unterricht gänzlich eingestellt. Das Schulgebäude wurde zur Unterbringung von Flüchtlingen aus den Ostgebieten verwendet. Im Laufe des Krieges wurden 15 Professoren und viele Schüler der oberen Klassen zur Kriegsdienst ­ leistung herangezogen. 3 Professoren und 150 ehe ­ malige Studenten sind als Opfer des Krieges zu beklagen. Direktor Dr. Leo Schmalzer, seit 1923 Professor in Steyr, der nach dem Ende des Krieges die Lei ­ tung der Schule übernahm, trat ein schweres Erbe an. Mit Energie und Zähigkeit nahm er die Lösung der Aufgabe in die Hand. Es galt, die schweren Schäden, die der Krieg der Schule gebracht hatte, zu beseitigen, die zerstörten Sammlungen wieder aufzubauen und den Raummangel zu beheben. Da bei der Not der Nachkriegszeit an einen Neubau nicht zu denken war, erreichte er durch viele Ein ­ gaben und Gänge und durch die Großmut der Stadt ­ gemeinde Steyr einen erweiterten Ausbau des zer ­ störten Nordtraktes. Am 7. Oktober 1948 wurden die neugeschaffenen Räume in Anwesenheit des Bun ­ desministers für Unterricht Dr. Felix Hurdes, des Landeshauptmannes von Oberösterreich Dr. Hein ­ rich Gleißner und vieler Festgäste vom Bürger ­ meister der Stadt Steyr Ing. Leopold Steinbrecher feierlich der Schule übergeben. Seit 1863 haben 245 Lehrkräfte an der Mittelschule in Steyr gewirkt, 7194 Schüler (5954 Studenten und 1240 Studentinnen) haben sie besucht, 1572 (1276 Kandidaten und 296 Kandidatinnen) haben an ihr die Reifeprüfung abgelegt. Die Opfer, die die Stadt Steyr für ihre Mittel ­ schule gebracht hat, haben sich bestimmt gelohnt. Die Hoffnungen, die man auf die Realschule Und auf das Realgymnasium gesetzt hat, wurden restlos erfüllt. Steyrs Mittelschule kann sich ihrer Erfolge rühmen und freuen und schreitet mit dem Ver ­ sprechen, auch ferner dem allgemeinen Besten zu dienen, in die Zukunft. 10

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