Festschrift zu Maturafeier 1875-1950

dazu wohlwollend, daß es gerechtfertigt sei, der Stadt Steyr eine selbständige Unterrealschule zu geben. Am 9. Oktober 1862 wurde mit Allerhöchster Ent ­ schließung die Errichtung der dreiklassigen selb ­ ständigen Unterrealschule verfügt. Der erste Lehr ­ körper bestand aus 7 Mitgliedern, dem Direktor .Josef Berger, vorher Direktor der Realschule in Kremnitz, dem Religionslehrer Josef Schwaninger und den Realschullehrern Franz Gailing, Wilhelm Kukula, Josef Sadtler, Simon Strohmayr und Josef Wurzinger. Den Gesangsunterricht erteilte Lehrer Josef Gilhofer. Die feierliche Eröffnung der Schule fand mit einem Festgottesdienst am 13. Oktober 1863 statt. Die Aufgabe des ersten Direktors bestand darin, den Schulbetrieb in Fluß zu bringen und die junge Schule auszubauen. Schon im ersten Jahre des Bestandes der Unterrealschule setzte man zum Vorstoß auf die Oberrealschule an. Im Interesse von Industrie, Handel und Gewerbe wurde die Not ­ wendigkeit einer Oberrealschule für Steyr moti ­ viert. Es kostete einen jahrelangen Kampf bis dieses Ziel erreicht war. Eine Deputation, die am 5. Februar 1865 vom Kaiser in Audienz empfangen und mit größtem Wohlwollen behandelt wurde, brachte keinen Erfolg nach Hause. Als im Jahre 1864 in Oesterreich das vierklassige Realgymnasium als neuer Schultyp eingeführt wurde, gab es auch in Steyr Kreise, die der Um ­ wandlung der Unterrealschule in ein Realgymna ­ sium das Wort redeten. Direktor Josef Berger, der diesem Plan nicht ge ­ wogen war, kam 1870 als Direktor der Lehrer ­ bildungsanstalt nach Linz und einige Jahre später als Landesschulinspektor nach Prag. Sein Nachfolger, der ebenfalls den Namen Josef Berger führte (vorher Professor an der Realschule in St. Pölten), stand dem Gedanken der Umwand ­ lung günstiger gegenüber, ja er hatte direkt den Auftrag, sie in die Wege zu leiten. Die Verhandlun ­ gen führten jedoch zu einem anderen Resultat. Die Schulbehörden neigten in Auswirkung der Real ­ schulgesetze von 1869 und in der Erwägung, daß sich das vierklassige Realgymnasium nicht beson ­ ders bewährte, der Ansicht zu, daß für Steyr und seine industriereiche Umgebung eine Oberrealschule die günstigste Lösung der Mittelschulfrage darstelle. Am 4. Juni genehmigte Kaiser Franz Josef die Errichtung einer Staatsoberrealschule in Steyr. Mit dem Schuljahr 1872/73 wurden die Klassen der Ober ­ stufe fortlaufend eröffnet und am 12. Juli 1875 wurde unter dem Vorsitz des Landesschulinspek ­ tors Vinzenz Adam die erste Reifeprüfung abgehal ­ ten, der sich 4 Kandidaten unterzogen. Direktor Josef Berger, der Gründer der Lehrerbibliothek und der Schülerlade, hatte das Ziel seiner vielen Vor ­ sprachen erreicht. Das ungetrübte Glück dauerte jedoch nicht lange. Der geringe Besuch der Real ­ schulen in Oesterreich in jenen Jahren wurde neben anderen Anstalten auch der Realschule in Steyr zum Verhängnis. Am 24. Juni 1887 stattete der Minister für Kultus und Unterricht Dr. Paul Gautsch von Frankenthurn der Realschule einen Besuch ab. Er wurde vom Landesschulinspektor, dem Direktor und den dienst ­ freien Mitgliedern des Lehrkörpers feierlich emp ­ fangen, besichtigte die Sammlungen, wohnte dem Unterricht in einigen Klassen bei und verabschie ­ dete sich mit Worten des Lobes. Schon im nächsten Monat, am 29. Juli, erfolgte durch kaiserliche Entschließung die Aufhebung der drei Oberklassen der Realschule. Die Reifeprüfung 1889 schien auf weite Sicht die letzte zu sein. Steyr mußte noch einmal das Ringen um seine Mittel ­ schule beginnen. Das Unglück ging rascher vorüber, als man befürchtet hatte. Es wurde den verschiede ­ nen Vor sprachen Steyrs Folge gegeben und am 26. Juli 1890 wurde durch Allerhöchste Entschlie ­ ßung die Neuerrichtung der Oberrealschule ausge ­ sprochen. Für Direktor Berger bedeutete dies eine große Genugtuung, doch leider überlebte er diesen Tag nicht mehr lange. Sein Nachfolger Edmund Älschker, vorher Pro ­ fessor an der Oberrealschule in Klagenfurt, leitete die Schule von 1891 bis 1905, zur Zeit einer ruhigen Entwicklung des österreichischen Schulwesens. Älschker hat eine umfangreiche literarische Tätig ­ keit entwickelt. Er veröffentlichte eine Geschichte Kärntens, eine Heimatkunde von Kärnten und er ist der Verfasser des Bandes der Landesgeschichte Kärntens in dem umfangreichen Kronprinzenwerk: Die österreichisch ungarische Monarchie in Wort und Bild. In die Zeit seiner Tätigkeit fällt die erste Jubelfeier, die die Mittelschule in Steyr veranstal ­ tete. Am 22. und 23. Juli 1905 wurde anläßlich des 30jährigen Jubiläums der ersten Matura ein gut be ­ suchter Kollegentag der Maturanten abgehalten. Schulhof Anton Rolleder, der dem Lehrkörper der Schule seit 1886 angehörte, durch viele Jahre Bezirksschul ­ inspektor des Steyrer Bezirkes gewesen war und das bekannte Heimatbuch über Steyr verfaßt hat, leitete die Schule von 1905 — 1912. Seit der Jahrhundertwende steigerte sich in Oesterreich der Andrang zum Mittelschulstudium. Auch in Steyr ist ein stetiges Wachsen der Schüler ­ zahl festzustellen. Um dem dadurch entstandenen Raummangel abzuhelfen, wurde 1911 der Nordtrakt, der 1873 ein zweites Stockwerk erhalten hatte, um ein drittes Stockwerk erhöht. Unter großer Anteilnahme ehemaliger Studenten und der Bevölkerung der Stadt feierte am 28. und 29. Juni 1913 die Realschule in Steyr ihr goldenes Jubiläum. Das Wirken des Direktors Rudolf Glas (1913 — 1920), der schon von 1898 — 1901 dem Lehrkörper der Realschule angehört hatte und dann Professor an der Marineakademie in Fiume geworden war, fällt zum größten Teil in die Zeit des Weltkrieges und in die schweren Tage der Nachkriegsjahre. Mehrere Professoren und viele Studenten der ober ­ sten Klassen wurden zu den Fahnen gerufen. Ein Professor und 50 ehemalige Studenten blieben auf dem Felde der Ehre. Als Direktor Rudolf Glas in gleicher Eigenschaft an die Realschule nach Linz berufen worden war, 9

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