Maturazeitung BG u. BRG Steyr Michaelerplatz 1973

ZUM THEMA BILDUNG Ein Schlagwort ist zur Zeit in aller Munde: Die Chancengleichheit. Sie hat nun auch den Sektor Bildung erreicht. Die einen freuen sich darüber, da sie sich davon sozialen Aufstieg erhoffen, die anderen, das sind meist jene , di e diesen Aufstieg schon geschafft haben , für c hten daß bald zu viele am akademischen Butter brot naschen, und sie selbst dan n kleiner a bb e ißen müssen. Be i ben Gruppen muß ich recht geben. Es darf nicht soweit kommen, daß Akademiker keine ihrer Ausbildung entsprechende Stellung be kommen. Sie hätten ja dann Jahre anstrengenden Studiums völlig umsonst verbracht, was nieman dem diene n würde. Andererseits muß man sagen, daß gerade in einem demokratischen Staat, wie Österreich einer ist, eine Bevölkerung, die fäh i g ist , kritisch zu denken, von ungeheurer Wichtigkeit f ü r das Wohl des St a ates ist. Denn obwohl es bei uns kaum noch jene direkte Demo kratie gibt, wi e das b e i den Gri e chen vor Jahr tausenden der Fall war, wo das Volk selbst alle wichtigen Entscheidungen getro ffen hatte - es erinnern nur n o ch die Volks b e gehren daran-, haben d i e Wählenden Staatsbürger doch einen sehr großen Einfluß auf die Regierungspolitik. Sie bestimmen s chon bei den Wahlen, ob das nun Gemeinderats-, Landtags-, oder Nationalrats wahlen sind, wer die Geschicke des Staates len ken soll. -27- Und dabe i s pie l t das kritisch e Denk en der Wä h l er eine s ehr große Rol l e . Oft geb e n Te i l e der Bevölkerung jenen Po l i tike rn d e n Vo rzug, die über die bessere Propaganda verfügen, jedoch weniger für das Wohl der Gemeinschaft zu tun im Stande sind. Viele gute Ideen einer Reg ierung sind zum Sehe i tern verurteilt, weil die Bevölkerung ihr Han deln nicht einsieht. So werde n Steuermaßnahmen meist grundsätzlich abgelehnt, auch wenn viel Geld für Umweltschutz, d e r ja s chließlic h jed em einzelnen von uns zu Gute kommt, benötigt wi rd. Eine Regierung kann es si c h heut e ni c h t l e ist en . unpopuläre Maßnahmen zu ergreif e n, da sie bei der nächs ten Wahl sofort die Konsequenzen zu be kommen würde. Das wäre höchstwahrscheinlich n i nicht der Fall, wenn die Wähler für diese not wendigen Maßnahmen Verständnis hätten. Verständ nis setzt ja doch die Fähigkeit voraus, über d die Probleme, die gelöst werden müssen, nachzu denken und die Arbeit der jeweiligen Regierung kritisch zu verfolgen. Der Ruf nach mehr Bil dungsmöglichkeiten für alle jungen Menschen ist daher gerachtfertigt, ja sogar notwendig.

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