Maturazeitung BG u. BRG Steyr Michaelerplatz 1973

Die österreichische Literatur in der Zwischenkriegszeit In den Tuschezeichnungen Franz Kafkas zu seinem Roman "Der Prozeß" spiegelt sich die Welt eines bedrohten Menschen und einer bedrohten Zeit. Die langen, dürren Figuren dieser expressiven Illustrationen sind Gefangene; sie sitzen im Käfig, sie stehen an die Wand gelehnt, die Arme gehoben, die Finger abwehrend und zugleich fle hend gespreizt.Die Figuren sind "K. 11 und"Franz Kafka" und "Menschen in der Vorahnung des Schrecklichen". Es sind Intellektuelle, Offi ziere; von den Schriftstellern unter ihnen stammen die literarischen Zeugnisse der Zwi schenkriegszeit. Die Monarchie ist untergegangen, die alte Zeit ist tot, der Radetzkymarsch stimmt wehmütig . In Prag, der goldenen Stadt Kakaniens, lebt Kafka - ein Intellektueller jüdischen Glaubens und deutscher Sprache, ein Außenseiter also, ein Fremder unter Tschechen. Seine hohe Sensi bi lität läßt ihn das Abgeschiedensein und die Bedrohung nur noch deutlicher f ühlen. In dieser Situation entsteht sein Werk, das zwar nicht eindeutig einzuordnen ist, dessen Anliegen und Inhalt - die Bedrohung des Menschen durch die Zeit und d ie Gesellschaft - ihn aber zu jenen Dichtern stellt, die in der Hauptstadt leben, im Wien der verfallenen Monarchie. -23-

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