Maturazeitung BRG Steyr Michaelerplatz 1967

Prof. Miedler über die Einzelheiten des Schulbetriebes a,uf, angefangen vom Grüßen bis zum Aufzeigen. Nach den ersten Schularbeiten gibt es viele Enttäuschungen. Wir mUssen erkennen, daß das beschauliche Primusleben, das die meisten von der Volksschule her gewohnt sind, ein Ende hat. Am lebhaftesten. erinnere ich mich noch an die erste Engl isclhstunde. Prof. Gr,ana- dia bemUhte sich mit aufgestrickten Hemdärmeln uns in die fremdartige Lautwelt der englischen Sprache einzuweihen. Besonders fUr das 11 th 11 war ein hartes Trait1ing nötig, denn anfangs ge- lang es nur mit SprUhregen, was dem Hr. Prof. sichtlich unangenehm war. Bei Prof. Jankovits erlernen wir die Kunst des Schönschreibens, was man manchen unserer SchriftkUnstler gar nicht mehr ansieht. In periodischen Zor·nausbrUchen zerriß der Hr. Prof. oft Dutzende von Schriftblättern, sehr zum Gaudium der SchUler, die deshalb oft absichtlich noch mehr schmierten, als sie es ohnehin schon taten, um bald wieder in den Genuß dieser köstlichen Szene zu kom- men. Auc 'h der Zeichenunterricht gefiel uns sehr. Auf Quadratmeterformat malten wir in monate- langer Arbeit und mit ungeheurem Verbrauch an Deckweiß das troianische Pferd, die Ermordung Caesars und andere bluttriefende Th 1 emen. Im Herbst und im FrUh l ing gab es ieweils Ausflüge in di e Fluren des Enns- und Steyrtals unter der bewährten FUhrung unseres Klassenvorstandes. Aller- d. i ngs konnten wir seinem weitausholenden, Marschschritt oft kaum folgen, und es bildete sich stets eine ~tarke Nachhut, die sich an den Obstbäumen der Bauern gütlich tat, oder andern Ve·rgnUgungen nachging . Schon neigte sich das Schuliahr dem Ende zu und wir mußten von e i~ gen Kameraden Abschied nehmen, mit denen wir viel Spaß gehabt hatten. Ejner von diesen , • ei n ganz schlauer, wollte seine schlechten Not 1 en aus der Welt schaffen, indem er sein Schu l- arbe itenheft den Fl uten der Enns übergab. Die Entschuldigung, der Wind hätte es ihm entrissen, sc h ien aber dem Kl assenvorstand doch nich1t glaubwUrdig y und in Tränen aufgelöst gab dieser sc hIi'eßl ich seine Untat zu. 64 2. Klasse: Mit frischen Kräften und starkem Zuwachs aus der Hauptsch,ule waren wir im Herbst wieder star t bereit . A m Tag der Fahne wurde eine eindrucksvolle Feier abgeh,alten. Im G eschichtsunterricht hatten w ir das V ergnUgen, das uns in weiterem 1 Verlauf nie mehr ge- gönnt se in sollte, von einer Dame unterrichtet zu werden. Frau Prof. Huber hatte einen schwe- ren Stand, denn wir h!atten bald keinen Respekt mehr vor ihr und n:Utzten ihre weibliche Milde gehörig aus. Der Englischunterricht wurde in 2 Gruppen geführ·t. Die eine Gruppe wurde von Prof. Streicher gefUhrt, der· bei den SchUlern sehr beliebt war, weil er es verstand, den Unterricht durch Ab- singen von fröhl.ic.hen Liedern aufzulockern. Sein Tenor soll allerliebst .sein, sagt man, doch mir war es nicht vergönnt, solche Englischstunden zu 1 genießen, da ich in der anderen Gruppe war. Diese hatte Prof. Grimm zum Lehrer •. Stets lastete atemlose Stille Uber der Klasse, wenn der Herr Prof. die verhaßte Grammatikfibel aufschlug und in die Runde der ang.stverzerrten Gesich- ter blickte, um mit gequälter Stimme den UnglUcklichen zu bestimmen, der Ubers,etzen mußte.

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