Maturazeitung Gymnasium Steyr Michaelerplatz 1946
und es herrscht noch genau so ein Wirbel wie vorher. Nach einigem guten Zureden von seiten unseres Prof hat sich nun doch die Mehrzahl entschlossen, auf den Platz zu gehen. Dann ein spannender Augenblick: für einen Bruchteil einer Sekunde herrscht vollkommene Stille in der Klasse, die aber sofort nach einem huld vollen Kopfnicken unseres Physikers in Volksgemurmel übergeht, da jeder glaubt, es sei das Zeichen für die Fortsetzung der Konversationen gekommen. Nach un¬ gefähr 5 Minuten haben sich endlich die Gemüter be¬ ruhigt, harrend der kommenden Dinge. Vor allem in¬ teressiert man sich dafür, was es für eine Bewandtnis nit den eigenartigen Instrumenten hat. Aber mit der Enthüllung des Geheimnisses ist es noch nicht so weit. Prof. Merhaut wirft die Lippen zu einem freund¬ lichen Lächeln auf und dann kommt das Uebliche: „Pötscher, gebn's ma ein kurzes Referat über die letzte Stunde. Pötscher muß natürlich erst durch einen reundlichen Rippenstoß darauf aufmerksam gemacht werden, daß das Wort an ihn erteilt wurde. „Herr Professor .... letzte Stunde haben wir.... (der Gauner heuchelt) „letzte Stunde habe ich gefehlt“. Die durchaus berechtigte Entschuldigung wird schweigend zur Kenntnis genommen; sowas ist man ja schließlich ewöhnt. — „Dann soll mir der Kugler etwas sagen. Unser Heinzi geht mit vor Stolz gewölbter Brust zur Tafel und beginnt nun diese mit für andere unver¬ tändlichen Zeichen voll zu schmieren. Er redet nun so lange, bis alle Klarheiten restlos beseitigt sind, dann chickt ihn unser Prof. zufrieden hinein und beginn den Vortrag. Zunächst werden die Geräte aufgebaut. Sie werden wahrscheinlich nicht funktionieren, wird uns schon vor¬ her versichert. In der Tat, unser Physiker hat diesmal wieder genau so recht wie immer bei solchen Anlässen. Das stört aber keinen Menschen, denn das erhöht nur den Reiz der Stunde. — Briefkasten „Hilfe in der Hand. Schmierer gibt es im freien Handel nicht, doch sind ie bei Maturanten zu Schleichhandelspreisen er¬ hältlich. „Liebe. Mädchenherzen erhalten sie in allen Größen und Qualitäten in der 6b. Bei Auswahl ist Vorsicht geboten, da einige Herzen schon sehr stark vergriffen uind andere ziemlich wurmstichig sind. „Kloster?“ Jawohl, das Steyrer Realgymnasium war ein Jesuitenkloster, das 1677 erbaut wurde. Heute wer¬ den in seinen Zellen Schüler zusammengepfercht und auf die raffinierteste Weise mit wissenschaftlichen Namen gefoltert. Anschließend finden täglich Bu߬ übungen statt mit nachfolgender Zensur. „Geisteskrank.“ Gegen Verblödung gibt es nur ein Heilmittel: Egg¬ pu. Lassen Sie ihrem Kinde eine Dosis von konzen¬ triertem Eierpunsch verschreiben. „Furcht. Sie können ihr Kind beruhigen, Professor Luka ieht nur durch sein Bärtchen so streng aus, in Wirk¬ ichkeit ist er lammfromm. In der Klasse herrscht große Aufmerksamkeit, jeder st bei der Sache, allerdings nur bei seiner Sache. Ja vas ist da los? Da wird tatsächlich eine Papierschlacht aufgeführt, die durch ein schüchternes: „Jetzt geb’n S' Ruh!“ kaum unterbrochen wird. In der ersten Bank scheinen aber wirklich welche janz aufmerksam zu sein. Aber bekanntlich trügt der Schein und so ist es auch hier; die guten Kollegen lie¬ en nämlich in Morpheus Armen. Friede ihrer Asche. Prof. Merhaut scheint sich auch viel lieber mit Letzteren u unterhalten, da sie ihn nicht dauernd durch das örende „Des verstengan mä net!“ in seinem nur für achleute verständlichen Vortrag unterbrechen. Ein an¬ erer tut es nun aber doch und darauf bekommt er tur die aufklärende Antwort: „Des versteh'n S' net? des is doh ganz einfach. In der 3a können s’ des schon lang“. (Die Schüler in der 3a müssen lauter Wunder¬ kinder sein.) Der vorwitzige Frager versucht nun au as gleiche Wissensniveau wie die 3a zu kommen. Da hm das aber nicht gelingt, sinkt er daraufhin mit inem Seufzer in die Stumpfheit eines Opiumrauchers. Nun sind nur mehr 5 Minuten bis zum Ende der Stunde, da geht es los: „Aufhern, die Stund' is aus aufhern!“ und so geht es 5 Minuten lang im Chor weiter. Aber unser Professor hat die bewunderns¬ werteste Ruhe. Anscheinend war er doch beim Militär, enn er besitzt die Sturheit eines Obergefreiten, der 5 Jahre gedient hat. Erst beim melodiösen Glocken¬ eichen entschließt er sich, seine kostbaren Instrumente usammenzupacken und die Klasse mit seinem berühm¬ en Lächeln zu verlassen. Es sei aber nichts gegen unseren sehr beliebten Pro¬ essor Merhaut gesagt; wir verdanken ihm viele an¬ genehme, heitere und auch einige lehrreiche Stunden. He will be everyday in our heart. „Neubau?“ Der Schule wird tatsächlich ein Neubau angegliedert Der Neubau bekommt verschiedene Neueinrichtun¬ en, die es in Oesterreich noch nicht geben dürfte. Unter anderem ist eine ganz neuartige Klosettanlage geplant, die statt Wasserspülung ein Preßluftgebläse bekommt. Eine Neuerung wird auch der vornehme Rauchsalon für die Schüler der höheren Klassen sein. Dieser Raum wird gebaut, weil das Rauchen am Abort unhygienisch und altmodisch ist. Die Arbeiten am Neubau werden beendet sein, wenn die Erde von der Sonne fünfmal so weit entfernt sein wird als heute. Sprechstunde.“ Sch. gibt Sprechstunden, aber wir Herr Direktor raten Ihnen, den Herrn Direktor nicht bei seiner Jause zu stören. Voranmeldung nur bei Herrn Zabransky. „Sprache.“ Ob Latein notwendig ist oder nicht, sehen Sie dann, wenn Sie diese Sprache lernen. „Mode.“ Wenn Sie wissen wollen, was geschmacklos ist, so wenden Sie sich am besten an einige Mädchen der Maturaklasse.
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