24 Eine Tanzstunde mit Hindernissen Zum grossen Leidwesen des Lehrkörpers der Realschule befan¬ den sich in den beiden obersten Klassen dieser Anstalt, noch Strafpredig¬ einige Schüler, die sich trotz aller Moralpaucken, ten und sonstigen Anstandslehren noch einen Funken Lebenslust und Freude erhalten hatten. Diese unselige Schar kam auf den Wozu braucht Gedanken, Tanzen lernen zu wollen. Tanzen. heute ein Mensch zu tanzen? Hauptsache ist doch, dass er nach Pohlke Ellipsen konstruieren kann, dass er seine wahrscheinliche Lebensdauer auszurechnen weiss und dass er die Formel des Anilinbraun beherrscht. Trotzdem hatten es sich die Septimaner wie gesagt in den Kopf gesetzt Tanzen zu lernen. Der Allmächtige der Anstalt wollte von diesem Plan nichts wissen. Da erschien als rettender Engel der Klassenvorstand auf dem Kampffeld und dank seiner Bemühungen war es den Schülern schliesslich doch vergönnt, ihr Dasein, durch einige Tanzstunden einigermassen annehmbarer zu gestalten. Doch nicht gleich sollte der volle Zauber der Tanzstunde auf die Studenten wirken. Auf allerhöchsten Befehl mussten sie die ersten 10 Tanzstunden ohne Damen verbringen. Nur 4 Stunden war das ungeteilte Glück den je¬ Teilnehmern der Tanzstunde beschert. Jm Stillen hofften doch alle auf eine Verlängerung dieses bescheidenen Vergnügens Eine schüchtern vorgebrachte Bitte, wurde unter Hinweis auf die entsetzliche Gefährdung der Moral der studuerenden Jugend kurz¬ weg abgeschlagen; ein Machtwort zerstörte mit einem Schlag alle Hoffnungen Doch eines konnte und wollte sich die Tänzerschar nicht entgehen lassen; nach alter Gepflogenheit sollte ein Schlusskränzchen den würdigen Abschluss der Tanzstunde bilden. Schon waren die Vorbereitungen dafür getroffen, die Tanzkarten waren für eine entsprechende Musik, war bereits gesorgt, bestellt und die freudige Hoffnung auf einige heitere Stunden harmlosen Frohsinns erfüllte erwartungsvoll die Brust der Jugend Da kam es wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als das Tanz; befohlen wurde. Nichts gutes Komite in das Konferenzimmer ahnend traten die Vorgeladenen bangen Herzens vor den Rat der der Beherrscher des LyVier. Der Allmächtige der Realschule zeums und die Klassenvorstände der 7 obersten Klassen hatten über das Selbstbestimmungsrecht der Schulgemeinde zu entscheiden. solte auch dieses Mal den das Doch Macht gehr vor Recht, Schülern klar vor Augen geführt werden. Ein schier endloser Wortschwall ergoss sich über die Unverständigen kopflosen Schüler, die es wagen konnten, ausser einem Klavierspieler noch 2 Violinspieler als Tanzmusik zu begehren, die den Saal mit arten verehren woll¬ Blumen ausschmücken, den Damen sogar Tan ten und der ganzen Veranstaltung den vielsagenden Namen Schlusskränzchen beigelegt hatten. Nein, so etwas war unmög¬ lich. Die ganzen Vorbereitungen wurden als Blödsinn und Dummhei¬ diese bei ten erklärt. Obwohl die Eltern einiger Septimaner stützt hatten den Vorarbeiten für diesen zweiten Abend unter in nicht möglich den Entschluss zu erlangen. war es den Bittstell des Lyzeums brachte mit wohlgemeinten Auch der Beschützer Worten seine Autorität zur Geltung Um den Schein zu wahren wurde jedoch ein Zugeständnis ge¬ macht. Das schon so oft zum Ausdruck gebrachte Wohlwollen der Hüter der Ordnung und Disziplin wurde auch diesmal wieder glän¬ Es wurde die Erlaubnis erteilt, noch einmal bekundet Tanzen zu dürfen, doch das Schlusskränzchen musste in einem 4. Schlussabend umgetauft werden, auf eine bessere Musik und auf alle sonstigen besonderen Aeusserlichkeiten musste verzich¬ tet werden. Wortlos, im Gefühle namenloser Ohnmacht entfernten sich die Schüler gleich begossenen Pudeln und begaben sich in ihr Klassenzimmer, wo sie den niederschmetternden Beschluss des bunals verkündeten hohen So geschehen am 12. Dezember im Jahre der Revolution und der aufdämmernden Freiheit. Dieser Vorfall wird allen die damals in der Kanzlei waren, zeitlebens als süsse. Erinnerung an die sogenannte Freiheit bleiben die sie so überaus reichlich an der k. k. St.O.R.
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