Mag. Renate TOMANI Brief an die 8.B "Schau, die Tomani, hau'n ma uns zuwi!" Ein Kollege erzählte mir lachend nach dem Konzert im Brucknerhaus, wie einige von Euch reagierten, als sie mich zufällig in der Pause erblickten. "Mit denen müssen Sie sich wirklich gut verstanden haben," fügte er noch hinzu,"ein richtiger Tomani-Fan-Club!" Ich dachte zurück an unsere erste Begegnung: ich als nervöser Probelehrer,"gerade aus der Uni entlassen", Ihr als selbstbew^ißte 14-jährige Schüler, die meine unsicheren "Lehrauftritte" Icritisch mit der idealen Unterrichtsgestaltung meines Einführenden, Dir.Dr.Karl Mayers, verglichen. Manche durchaus objektiv, manche hämisch grinsend, indem sie für jede meiner Verlegenheitsfloskeln ("Auf wieviele "Ja's" bringt sie es wohl heute?") ein Stricherl auf einen Zettel malten. Als 5.B-Klasse standet Ihr mir mit Verstärkung gegenüber.Ich begann mich zu fragen, ob ich den richtigen Beruf ergriffen hätte. Heute weiß ich, daß ich Euch damals vor allem Wissen vermittelte, viel zu viel wahrscheinlich, mich hinter komplizierten Sprachge bäuden versteckte. Ich wagte nicht, mit Euch zu leben. In der 6.Klasse lief alles etwas besser. Eine Gruppe von Euch engagierte sich für unsere Theaterarbeit an "Andorra": eine andere half mir beim JRK. Doch sehr viele von Euch zeigten noch immer Ab lehnung, manche auch Gehässigkeit. Ich verbrachte mit Euch die Südtirolwoche - als "einzig verfügbare Ersatzperson" für Prof. Krisper. Zu einer echten menschlichen Begegnung kam es nicht. Schade. Dann die 7.Klasse. In diesem Jahr entwickelte sich, glaube ich, eine - von beiden Seiten kaum eingestandene - Beziehung, die der Kollege, den ich anfangs zitierte, spürte. Ich zog mein Pro gramm nicht so konsequent wie in den vergangenen Jahren durch. Dieser Unterrichtsstil war aber nicht etwa das Ergebnis methodisch didaktischer Überlegungen - ich hätte es anders gar nicht geschafft, hätte in diesem Jahr ganz einfach die nervliche Kraft nicht aufge bracht. Und plötzlich merkte ich, daß ich nicht mehr'' schieben, motivieren, disziplinieren mußte (weder mich noch Euch). Ich freute mich, daß Ihr aufgeschlossener wurdet, nicht von vornherein strikt ablehnend. Ohne etwas dazuzutun, genoß ich manchmal einstündige Referate von erstaunlicher Tiefe, heftige, nicht erzwungene Dis kussionen, echtes Interesse an Literatur, weniger "feanzerische" Bemerkungen aus der ersten Saniereihe... Keine(r) schloß sich aus oder murrte nach der Vorstellung, als ich Euch nach Salzburg zu einer vierstündigen Aufführung der Elisabethbühne von Shakespeares Hamlet verschleppte. Im Juli 82 Abschied. Ihr saht nicht erleichtert aus. Ich fühlte,daß ich inzwischen jede(n) von Euch in ihrer (seiner) ganz individuellen Persönlichkeit mochte. Was ich an Euch noch im letzten Jahr vermißte, ist etwas schwer Meß- und Erklärbares: mehr menschliche Wärme und Toleranz, weniger Unnahbarkeit und Überheblichkeit, Verständnis für mensch liche Werte, die nicht so sehr im geschulten Intellekt liegen, sondern im (Mit-) Gefühl, Herz, Seele oder wie immer es man bezei chnen will. Ich hätte mir gewünscht, mit Euch öfter einfach zu lachen. Was ich an Euch schätzte, war Euer Engagement,Eure Aktivität.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2