Maturazeitung BG Steyr Werndlpark 1983

PROFESSOREN 0eite59^ Dir. Dr. Karl Mayer: Seit der 6. Klasse wiesen die Lateinstundenbei uns (in der einen Hälfte der Klasse) eine Dreiteilung auf: ein Drittel der Stunden waren wir alleine, das zweite Drittel verging mit Verhandlungen, Diskussionen und Gesprächen, im letzten Drittel trat dann immer eine gewisse Künzentratiün auf die schöne, lateinische Sprache auf. Uber das erste Drittel gibt es nichts zu sagen, außer, daß die nachfolgende Frage:"Was habt ihr - nehmt Platz - übersetzt?" immer mit betretendem Schweigen und Platznehmen beantwortet wurde. Das zweite Drittel, obwohl meistens unlateinisch, gehörte zum interessantesten Teil des Unterrichts. Die unzähligen Diskussionen wären es wert, hier abgedruckt zu werden. Beim Interview erfuhren wir, warum wir immer wieder mit Schulproble— men, kleinerer und größerer Art, konfrontiert wurden: .wenn mich etwas freut oder ärgert, dann muß ich es auch heraussagen." Auf diese Weise wurden wir als einzige Klasse, die im vollgestopften Terminplan eines Direktors noch Platz hatte, mit den Problemen von Disziplinarkonferenzen, der Frage, von Haus- und Straßenschuhen in der Schule, mit den Fehlern, die auf unserem Ball vorgefallen sind, mit den Klagen von Professoren über die 5., 6., 7. und B.B etc. vertraut gemacht. Bald fanden sich dann immer ein paar, die mit- und auch dagegenredeten.Themen, die uns auch betrafen, wurden zum Teil recht heftig diskutiert. Die Frage, warum die Schüler die Schule mit Schuhen nicht verschmutzen dürfen, wurde geklärt. Warum aber die Professoren den Dreck, den die Schüler in der Garderobe lassen, dann hereintragen, darüber schieden sich die Geister. Auch über die Frage, ob ein Professor oder gar Direktor in Hausschuhen etwas von seiner Autorität verliert... Auch die Fragen, die den Maturaball betreffen, wurden heftig beredet. Man stelle sich vor: 100 Maturanten arbeiten von Oktober bis Anfang Jänner. Gegen alle Erwartungen (schlechter Termin in den Ferien...) wird der Stadtsaal dann am 7. Jänner randvoll, über 1000 Leute amüsieren sich mehr oder weniger lang, der Ball bleibt ohne Zwischenfälle. Am Montag danach: alle sitzen noch mit stolzge schwellter Brust da, kommt der Direktor herein, schmeißt seinen Tacitus auf den Katheder und beginnt - er möge mir den folgenden Ausdruck verzeihen - wie ein Rohrspatz über den Ball zu schimpfen: daß die Ehrengäste nicht wie am HAK-Ball mit einem Drink begrüßt und auf ihre Plätze geführt wurden, daß dieses und jenes schlecht gewesen sei BITTE ENTSCHULDIGEN SIE DIE STÖRUNG Manchmal wurden diese Diskussionen (ob es Dr. Dir. heißt oder Dir. Dr.) einfach mit der Position des Stärkeren beendet, und dieses apprupte Ende der Redebereitschaft hinterließ manchmal den Eindruck vom Diktator, der unserer Meinung war und auf Grund seiner Stellung einfach "seine" Schule verteidigen mußte. Daß der Eindruck vom Diktator falsch war, bewiesen dann ein Interview und zahlreiche Gespräche, in denen immer - soweit ich dabei war - einvernehmliche Lösungen gesucht und auch gefunden wurden. In denen sich der Direktor immer etwas mehr menschlich zeigte und etwas weniger dogmatisch zeigte, Dinge er laubte, die eigentlich nicht erlaubt waren, Dinge zugab, die es eigentlich gar nicht gab (Alkohol auf Schullandwochen?), nicht erzürnt war, daß nicht alle nach Kärnten fahren wollten, sondern eher ratlos, warum es keine Klassen gemeinschaft geben sollte. Wenn man dann zurückdachte an Wut und Zorn wegen des Balls, schien es wie ein Wunder, daß da ein ganz anderer Mensch, obwohl er "keine Zeit" hatte, von

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