Migration - Eine Zeitreise nach Europa

Verbindung zur eigenen Kultur und angesichts des tobenden Weltkrieges: einen kurzen Urlaub von den Katastrophen dieser Welt/^ Da Osterreich als eines der wichtigsten Länder für klassische Musik galt, gelang es einigen Vertriebenen in Amerika großartige Karrieren zu machen. In den 60er und 70er Jahren dominierten Musiker und Manager aus Österreicher das Opernlehen in New York derart, dass sie scherzhaft als „Wiener Mafia" bezeich net wurden. Aber andere erholten sich nicht mehr vom Schrecken der Bedrohung und Vertreibung." Die Musiker, die sich heute mit dem Thema Migration und Multikulturalismus befassen, werden von der deutschen und österreichischen Geschichte zur Nachdenkhchkeit gezwungen. Alfred Dorfers „Dahoam" und „Der Asylant" von Bier mösl Blosn nehmen die AUtags-Fremdenfeindlichkeit in ihren Liedern aufs Korn, während Udo Lindenherg in „Bunte Kepuhlik Deutschland" für eine multikultu relle Gesellschaft plädiert und in „Vom Opfer zum Täter ..." darüber nachdenkt, wie junge Menschen zu rechtsextremen Gewalttätern werden. Wir sind nicht vornehmlich ethnische oder national definierte Wesen, unsere Identitäten sind viel facettenreicher. Manchmal werden Menschen aber auf die eine Identität reduziert, besonders dann, wenn sie dadurch ausgegrenzt werden können.Denken Sie doch seihst einmal darüber nach,wie sie sich mit 20 Begriffen selbst beschreiben würden,und Sie werden merken,dass die Kategorie „Österrei cher, Deutscher, Bosnier, Türke, Kroate, Kurde, Albaner" usw. nur eine von vie len ist. Das Lied „Minderheit" von Wolfgang Ambros aus der 1977 veröffenthchten LP „Hoffnungslos" persifliert den Begriff „Minderheit" und führt die damit ein hergehende Ausgrenzung ad absurdum: Da ane erzöht vü,da aundere is stumm; da ane lebt weida, da andere bringt si um. Dem an is es zu haß,dem aundern is zu koid; dea ane is zu jung und dea aundere is zu oid. Dea ane bot goanix, da aundere bot a Göd; dem an gheat da Kimme und dem aundan gheat de Wöd. Da ane is häßlich,de aundere is sehe, de ane kennt no dobleibn, de aundere muaß scho geh. A jeda gheat zu ana Minderheit, an jedn geht's wos o; a jeda bot a Handicap,an jedn geht's aso." 43 In den letzen Jahren bemüht sich der Orpheus Trust um die Dokumentation der Gesclüclite der aus Österreich vertriebenen Musiker. Vgl. auch Christian KIöscli/Regina Thumser,„From Vienna". ExUkabarett in New York 1938 bis 1950. Wien 2002; Hanns-Werner Heister/Claudia Maurer Zcnck/Peter Petersen (Hg.), Musik im Exil. Folgen des Nazismus für die internationale Musikkultur, Frankfurt am Main 1993. Hermann Leopoldi verarbei tete seine Exilerfahrung auch musikalisch. Diese Lieder sind auf einer CD mit dem Titel Hermann Leopoldi in Amerika bei Preiser Records erschienen. Auch Hanns Eisler verarbeitete die Exilerfahrung musikaÜsch. Diese Lieder sind imter dem Titel The Hollywood Songbook als CD erschienen. 44 Regina Thumser, Vertriebene Musiker: Schicksale und Netzwerke im Exil 1933 — 1945, Salzburg 1998(unveröff. Dissertation), S. 278 ff.; Stefan .Aglassinger/Albert Lichtbiati/ u. Regina Thumser, Wiener Mafia, Österreicher an New Yorks Opernhäusern,2001(Videodokumentation). 45 http://www.wolfgangambros.at/disco/lied084.htm vom 25. Februar 2003. Für zahlreiche Hinweise danke ich allen Inierviewpartnern, Djordje Cenic, Ursula Hemetek, Michael John, Martha Keil, Anna Stiftinger und Regina Thumser. 95

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2