Migration - Eine Zeitreise nach Europa

meinem Dorf spielen, es gibt ja so viele Dörfer auf der Welt." Dass die Wiener Tschuschenkapelle sowohl türkische als auch griechische Musik spielte, war für die türkischen Gastarbeiter angesichts der türkisch-griechischen Spannungen zu nächst eine Zumutung." Aber auch, dass sie Jugoslawen und Türken kulturell zusammenbringen wollten, war neu. Die Sehnsucht nach Harmonie und kreativer Verbindung war offensichtlich hei ausländerfreundlichen Österreichern stärker ausgeprägt als hei den Migranten,die erst in jüngster Zeit die Konzerte der Wiener TschuschenkapeUe zu besuchen heginnen. Der integrationspolitische Versuch, die vielen kleinen Ghettos zu öffnen, gelang der Wiener Tschuschenkapelle also nicht. Inzwischen singt der Bandleader in sechs Sprachen. Das ehemalige Jugosla wien sieht er für sich als Grundlage für seinen Drang nach Vielfältigkeit. Im Radio hätten sie Musik aus allen Teilen Jugoslawiens gehört, und von diesem musikahschen Reichtum profitiere er immer noch. Ist Österreich eigentlich ein guter ört für Multikulti-Musik? Slavko Ninic sieht das Wien der Gegenwart als eine multikulturelle Stadt mit einer Tradition der Vermischung der Kulturen. Dass er mit der Wiener Tschuschenkapelle auch Wienerlieder spielt, ist demzufolge selbstverständlich, denn diese Lieder gehören für ihn zu den musikalischen Schätzen Österreichs, an denen er nicht vorbeigehen möchte.'" Vom Gaudium zu Vertreibmig und Nachdenklichkeit Abschließend möchte ich einen Bück auf die österreichische Geschichte werfen. Wie die Zuwanderer der Gegenwart pflegten auch die Migranten zur Zeit der Hahshurgermonarchie ihre Kultur in Landsmannschaften, Klubs, Restaurants und im privaten Bereich. Damals gab es zwar noch keine Radios, dafür war die Hausmusik sehr beliebt. Ich seihst besitze noch die Knopferlharmonika und die Geige meines aus Mähren stammenden Großvaters. Für jene,die vom Land direkt in die Stadt einwanderten,gehörte das Singen damals wie heute zum Lehen,da sie es hei der Arbeit so gewohnt waren." Am Ende meines Beitrages geht es aber nicht um die Musik der Zuwanderer, sondern um ihr Bild hei den vermeintlichen „Einheimischen". Die Tschechen,die während der Hahshurgermonarchie nach Wien gekommen waren, arbeiteten vor nehmlich als Arbeiter — etwa in den Ziegelwerken - und als Handwerker. Der tschechische Schneider und Schuster galt einst in Wien als „Typus", der zum Stadtbild gehörte. Da die tschechischen Migranten meist mir wenig Schulbildung genossen hatten und ihr Deutsch vor allem heim Arbeiten lernen mussten, machten sich die „Österreicher" lustig über sie. Die Verhallhornung fand ihren Niederschlag in einer Reihe von spöttischen Liedern. Die Titel lauteten beispiels weise „Der Wenzel kommt" oder „Lauter Böhm". Davon eine Strophe: 37 Weitere Beispiele der spannungsübersehreitenden Kooperation: Maria Farantouri und Zülfü Livaneli und die Wiener gi-iechisch-türkische Grujipe „Lakis untl Achwach". 38 Interview mit Slavko Ninic in Wien am 1. Februar 2003. 39 Vgl. die Kapitel über die Musik der Italiener in Vorarlberg, der Tschechen und Slowaken in Wien in Hemetek, Mosaik,S.225ff. u.262 ff. Slavko Ninic erzälill im Interview,dass er in seiner Kindheit immer lauthals sang,etwa am Schulweg. Damals habe.sich alles im Freien abgespielt und Singen niemanden gestört. Heute jetloch geniert sich seine Tochter,wenn er in Wiens Straßen plötzlicii zu singen lieginnl.

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