Migration - Eine Zeitreise nach Europa

Frage des Zusammenlebens. Torch hatte bereits 1992 ein Lied nnter dem Titel „Fremd im eigenen Land" mit der Gruppe Advaneed Chemistry herausgebracht, das die Situation der Minderheiten in Deutschland reflektierte. Die Eltern der Bandmitglieder stammen aus Deutschland, Ghana, Haiti und Italien. Mit seinen Aktivitäten hatte sich Torch absichtlich in den Minderheiten-Diskurs eingekhnkt. Dass ihn Liedermacher Wolf Biermann in einem Artikel als „einen jungen deut schen Dichter" beschrieb,„der sich als Rapper etabbert hat und den ich bewun dere", ist für Torch „wichtiger, als dass mir aus meinen Kreisen bestätigt wird, dass ich der beste Rapper bin."^^ Nigger & Kanaken, Tschuschenkapelle? „Minderheiten"-Musiker thematisieren die von außen aufgezwungene Identität immer wieder. Die Berliner Künstlergruppe Kanak Attak etwa wehrt sich gegen die verordnete Identitätszuschreibung und lehnt dementsprechend „jegliche Form von Identitätspolitik" ab." Das Wort „Kanake" wird in der deutschen HipHopSzene der Migrantenkinder durch die Verwendung gleichsam offensiv der xenophoben deutschen Sprachkultur zurückgespiegelt. Das Inbesitznehmen von Schimpfwörtern wurde dabei von amerikanischen schwarzen HipHop-Künstlern übernommen,die das Wortes „Nigger"in vielen Texten einsetzen." Auch in Osterreich gibt es ein frühes Beispiel für die Adaption eines abwer tenden Begriffes in der Musik. Die Wiener Tschuschenkapelle griff Mitte der 80er Jahre das umgangssprachhch abwertend gebrauchte Synonym für „Gastarbeiter" -„Tschusch"- auf. Bandleader Slavko Ninic ist immer noch nicht sicher, ob das klug war. Er arbeitete damals mit Haydar Sari und Franz Fellner für einen Verein zur Betreuung von Ausländern. Alle drei waren zugleich auch musikbegeistert und brachten einander Lieder bei. Nach getaner Arbeit saßen die drei oft noch in ihrem Stammbeisl,dem Makedonija in der Laimgrubengasse znsammen und spiel ten miteinander einfach zum Spaß Musik. Als es darum ging, der Freundesgruppe für Auftritte einen Namen zu geben, hatte ein österreichischer Bekannter folgen den Vorschlag:„Er sagte wortwörtlich: ,Nennt's euch doch Tschuschenband,weil Tschuschen seid's eh.'" Slavko Ninic fühlte sich zunächst persönlich beleidigt, da er das Wort „Tschusch" nicht ertragen konnte. Aber schließlich überredeten ihn gQ die anderen, da dies doch provozierend und ironisch gemeint sei. Es sei eine Art kulturpolitischer Offensive gewesen, denn damit hätten sie den Leuten den Wind aus den Segeln genommen. Dennoch ist er sich nicht sicher, ob es eine richtige Entscheidung war, den Weg der freiwilhgen Selbstdiskriminierung zu wählen. Die Ironie wurde anfangs nicht von allen verstanden. So wollte der Osterreichische 33 hltp://ww\v.brothers-keepers.de/, 28. Jänner 2003. 34 http://www.kanak-attack.cle/main.litni, 31. Jänner 2003. 35 Vgl. z.B.das Kapitel'Der Nigger'und das Ghetto,in:Jan Kage,American Rap. Explicil Lyrics-US-HipHop und Identität, Mainz 2002, S. 129 ff. 36 Slavko Ninic beschreibt schmunzelnd eine Szene: Ein Kind sagte zu seinem Vater:„Schau,da spielt eine ,TschuRchenkapelle'." Daraufhin wies der Vater seinen Sohn zurecht:„Man sagt nicht ,Tschusch'." Über die Wiener Tschuschenkapelle gibt es ausreichende Information im Internet. Vgl. auch Ursula Henietek, Mosaik der Klänge. Musik der ethnischen und religiösen Minderheiten in Österreich (Schriften zur Volksmusik, Bd. 20), Wien-Köln-Weimar 2001, S. 386 ff.

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