Migration - Eine Zeitreise nach Europa

Manchmal geht ums es nackte psychische Überleben, wenn musiziert wird. Berislav Knezevic ist vom Schicksal gezeichnet. Wir treffen uns im Cafe Adria beim Welser Bahnhof,wo „Bosner"mit Cevapcici nur € 2,50 kosten und Cevapcici mit „Pommes" € 4,50. Berislav lebte im bosnischen Bugojna. Er wuchs in einer bosnisch-kroatischen Familie auf. Seinem Vater gehörte ein Gasthaus, und von ihm lernte er die Volksmusik und das Ziehharmonikaspielen. In Bosnien hatte er drei Berufe zugleich,er arbeitete im elterlichen Gasthaus,als Taxifahrer und eben als Musiker,der vor allem bei Hochzeiten aufspielte. Als der Krieg ausbrach,hheb er noch einige Monate in seinem Dorf. Er kann es noch immer nicht verstehen, dass sein moslemischer Schulkollege,der nur unweit von ihm wohnte, plötzlich die Waffe auf ihn richtete. Berislav Knezevic floh mit seiner Frau und einem acht Monate alten Baby. Alles was er mitnehmen konnte, waren ein Plastiksackerl und die Ziehharmonika. Auch seine Eltern flohen vorübergehend. Die zurückgelassenen Instrumente des Vaters seien allesamt gestohlen worden. Es sei schwer zu verstehen, was damals passierte. Er möchte nicht mehr zurück, denn es werde wieder Krieg gehen, und das möchte er seinen Kindern nicht antun. In Osterreich hatte Berislav Knezevic Glück im Unglück, eine hilfsbereite oberösterreichische Familie nahm ihn mit seiner Frau und dem Baby auf. Er wurde immer wieder eingeladen, in Oher österreich und Salzburg Musik zu spielen, vor allem auf Hochzeiten. Bei großen Veranstaltungen spielten sie zu fünft unter verschiedenen Namen. Einer davon war Brcica, das war der Spitzname seines Vaters. Da bei den Hochzeiten auch immer österreichische Arbeitskollegen bzw. Partner mit dabei waren, spielten sie nicht nur Volksmusik aus „Jugoslawien",sondern auch österreichische Lieder,wie „Anton aus Tirol", denn das kannte jeder, und die Bänder konnten tanzen. Aber er hat keine Lust mehr,in Restaurants zu spielen,in denen sich Menschen aus Ex Jugoslawien treffen. Alkohol führe immer wieder zu Streit zwischen den im Krieg zu Feinden gewordenen Gruppen. Er spielte deswegen auch nicht auf Hochzeiten der bosnischen Muslime,und nahm keine Muslime in seine Gruppe auf, da er sich davor fürchtete, dass diese angestänkert würden. Es fehle ihm die Kraft, derartige Konflikte auszuhalten. Der Plan, in Oberösterreich auch vom Einkommen als Musiker zu leben, ging nicht auf. Durch den Kauf von Instrumenten und Laut sprechern verschuldete er sich, das dafür ausgegebene Geld ist hei den Auftritte nicht hereingekommen. Der Krieg, die Vertreibung, spätere Krankheiten und Rückschläge wie die Arbeitslosigkeit als LKW-Eahrer machen ihm zu schaffen. Dass seine Cousine, die in Bosnien lebte, ermordet wurde, zermürbt ihn. Sie hatte sich gerade auf die Schule vorbereitet, als eine „Bombe"in ihr Zimmer geworfen wurde. Er fuhr nach Bosnien, sah das Zimmer, es sei furchtbar gewesen. Monatelang stand er unter Schock und war nicht fähig, Musik zu spielen. Und dennoch ist Musik die einzige Flucht aus einem Leben, das er als extrem beschwerlich beschreibt. Als wir uns begrüßten,sagte er sofort: „Musik ist Urlaub fürs Hirn."^' Musik hat also viele verschiedene Funktionen für die Migranten: Repräsen tation von zurückgelassener Heimat, Erinnerungsmaschine, Bewahrung von 24 Inttn'vipw mit Berislav Knezevic in Wels am 19. Februar 2003.

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