zeigte sich bei der von Ralph Siegel produzierten Retortengruppe „Sürpriz", die 1999 mit dem Titel „Reise nach Jerusalem" zum Grand Prix d'Eurovision nach Jerusalem geschickt wurde und dort immerhin den dritten Platz belegte. Von den sechs Musikern war nur einer in der Türkei geboren, fünf gehörten bereits der zweiten Generation türkischer Einwanderer an. Sürpriz,die ihr Lied in deutscher, türkischer und enghscher Sprache sangen,ist eines von vielen Beispielen für den Versuch, Multikulturahsmus marktgerecht aufzubereiten. Dazu trugen auch die Interviews der Bandmitgheder bei,etwa folgendes Statement:„Wir essen türkisch, denken deutsch und verkünden eine globale Friedensbotschaft."^' Urlaub vom Leiden Von einer Erfolgsgeschichte der Migranten-Musikkultur zu sprechen,wäre jedoch eine Verkennung der Realitäten. Schon die Startbedingungen sind oftmals ungün stig, sei es der ökonomische oder politische Druck oder die jahrelange Unsicher heit, ob der Aufenthalt im neuen Land von Dauer sein wird. Verschleißerschei nungen und Aufgeben gehören ebenfalls zur Geschichte des Kulturtransfers via Migration. Das kann an den beiden folgenden Beispielen beobachtet werden. Zoran Sijakovic lebte in Novi Sad und war dort Tänzer des Nationaltheaters. Auf einer Tournee verliebte er sich in eine aus dem ehemaligen Jugoslawien stam mende Frau,die im oberösterreichischen Braunau lebte. Er entschied sich für die Liebe und zog nach Braunau, in der Hoffnung, eine Tanzschule für Kinder aus Jugoslawien aufbauen zu können. Nach drei Jahren gab er auf, weil er zu wenig verdiente und seine Ideale hier nicht realisieren konnte. Sein Plan wäre es gewe sen, allmählich eine gut ausgebildete Tanzgruppe aufzubauen. Aber den Funktio nären der „jugoslawischen" Vereine sei es nur um rasch vorzeigbare Erfolge und Quantität statt Qualität gegangen. Er leidet als Tänzer am niedrigen Kulturhewusstsein seiner Landsleute in Osterreich. Inzwischen ist Zoran Sijakovic seihst Obmann eines Kulturvereins namens Danica, der sich mit Musik, Tanz und Kunst befasst. Danica hieß übrigens auch eine in Wien, vom dort lebenden Schriftsteller und Historiker Vuk Stefanovic Karadzic (1787—1864) herausgegebene Zeitschrift. Er war der Begründer der neuen serbischen Literatur, Sprache und Rechtschreibung. Zoran Sijakovic 84 bezieht sich bewusst aufdas Erbe der Habsburgermonarchie,das in der Vojvodina nach wie vor sehr präsent sei. Danica nennt sich auch die Musikgruppe des Ver eins, deren Mitglieder meist am Salzburger Mozarteum studieren. 2003 wollen sie eine CD mit Musik aus dem südslawischen Raum veröffentlichen. Ungewöhnliche Rhythmen und die Auswahl typischer Volksmusikinstrumente, die für die jeweils lokale Musik charakteristisch sind, seien die wichtigsten Auswahlkriterien für die Musikstücke. Den „Ethnomoment" herauszufiltern, ist eines ihrer Anliegen. Dass die Musikgruppe Danica jedoch eher von Österreichern als von den eigenen Lands21 http://www.uni-oIclenljurg.de/~stroh/latemamerika/blatt3.htin vom 25. Februar 2003. 22 Derartige Missstiminungen kommen unter Migranten immer wieder vor. In Osterreich stießen beispielsweise die Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei, die 1968 nach Osterreich geflüchtet waren, auf wenig Verständnis bei den alteingesessenen Wiener Tschechen, die bis zum Zusammenbruch der Monarchie nach Wien gekommen waren.
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