Migration - Eine Zeitreise nach Europa

Ab 1961 wurde von der österreichischen Bundesregierung unter Beiziehung der Sozialpartner ein jährlich vereinhartes Kontingent ausländischer Arbeits kräfte festgesetzt (sog. Raah-Olah-Abkommen). Der Osterreichische Gewerk schaftshund (ÖGB) hatte sich vorher über Jahre hin gegen eine Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte ausgesprochen. Mit dem Abkommen von 1961 stimmte der Gewerkschaftsvorsitzende und österreichische Innenminister Franz Olah seitens des ÖGB einer Liberalisierung der Ausländerbeschäftigung zu. Für dieses Zugeständnis wurden die wirtschaftspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des 0GB in der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen erweitert.^ Im Laufe der sechziger Jahre orientierte sich Osterreich an der Vorgangsweise der westbchen Industriestaaten und schloss mit Spanien (1962), der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966) Anwerbverträge ab. Während sich die Werbetätigkeit in Jugoslawien erfolgreich entwickelte, stagnierte vorerst der Zuzug von Arbeitern aus der Türkei. Das Abkommen mit Spanien blieb nahezu wirkungslos. Der Be griff„Gastarbeiter"ist auf die damalige Rotationspolitik zurückzuführen,die von einem nur vorübergehenden Aufenthalt der Arbeitsmigranten ausging. Dieser Begriff wurde erst in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre langsam zur dominie renden Bezeichnung. Noch zu Beginn der 1960er Jahre war vorherrschend von „Fremdarbeitern" die Rede,ein Wort,das in der NS-Zeit verwendet worden war. Mitte der sechziger Jahre setzte ein enormer Anstieg der staatlich organisier ten Arbeitsmigration ein. Die jugoslawische Migration bbeb in dieser Phase die bei weitem dominierende,türkische Arbeitnehmer folgten an zweiter SteUe. Besonders aktiv wurde die Anwerbung ausländischer Arbeiter für den Wiener Raum als bevölkerungsreichstes Wirtschafts- und Dienstleistungszentrum Österreichs betrieben, danach folgte das an sich kleine, aber wirtschaftsstarke Bundesland Vorarlberg, das sich in einer speziellen Situation befand. Bereits in den 1950er Jahren war die Zahl der sog. „Grenzgänger" stark gestiegen, viele Einwohner des Bundeslandes pendelten zu besser bezahlten Industriearbeitsplätzen in grenz nahen Betrieben in der Schweiz und in der BRD. Daher warb die Vorarlberger Wirtschaft ah dem Beginn der 1960er Jahre besonders intensiv um ausländische Arbeitskräfte, wobei gegen den gesamtösterreichischen Trend von Anbeginn auch verstärkt türkische Arbeiter angeworben wurden.' Um einen Eindruck der damaligen Situation zu geben - 1969, damals bef die österreicbische Konjunktur auf Hochtouren. Selbst ein Zeitungsbericht der eher arbeiterprotektionistisch eingestellten Gewerkschaftszeitung „Sohdarität" ver suchte ein gewisses Verständnis für die steigende Zahl ausländischer Beschäftigter auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu vermitteln: „Eine große Textilfirma in der Umgebung Wiens beschäftigt 800 Gastarbeiter. Wir sprechen mit dem Per sonalchef. Er wirbt seine Arbeiterinnen und Arbeiter in Jugoslawien und in der Türkei über die Arbeitsämter an. Pro Arbeitnehmer muss er in Jugoslawien 700, in der Türkei 1.100 Schilling Vermittlungsgebühr zahlen. Private Werbung ist verboten, aber sie wird mit allen möghchen Tricks immer wieder versucht. Die 2 Vgl. Hannes Wimmer,Zur Anslänclerl)eschäftigungspolitik in Österreich. In: Hanne.s Wimmer(Hg.),Ausländische Arbeitskräfte in Österreich, Frankfurt/Main 1986, S. 7. 3 Vgl. Erika Thurner, Der „Goldene Westen"? Arbeitszuwanderung nach Vorarlberg seit 1945, Bregenz 1997, S. 54-56.

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