Migration - Eine Zeitreise nach Europa

für Juden, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus Osteuropa geflohen waren. Die Steyrer Verwaltung hatte nun unter dem Druck der Gewerbetreibenden und der neu eröffneten und konzipierten Steyr-Werke erkannt, dass nicht alle Flüchtlinge nur eine Belastung darstellten, sondern wertvolle Arbeitskräfte für den Wiederaufbau, aber auch dringend benötigte landwirtschaftliche Kräfte. Besonders die Gruppe der Sudetendeutschen, die aus dem städtischen Bereich kam,hatte gewerbliche und handwerkliche Erfahrung und setzten ihr Know-how mit unternehmerischem Risiko gleich wieder ein. Genannt seien nur die Graslitzer Blechblasinstrumentenbauer im Reithoffer-Lager, die Gardinen- und Spitzen erzeugungen Fleier und Nödl & Co, sowie die Gahlonzer Bijouteriewaren- und Glaserzeuger. Am Stichtag 10. Oktober 1949 waren von 36.587 Einwohnern Steyrs 2.808 (= 7,4 %)Ausländer, Volksdeutsche und Staatenlose bereits in Wohnungen unter gebracht, fast 1.500 Menschen lebten noch in Lagern. Mit dem Aufbau der Friedensproduktion in den Steyr-Werken fanden auch viele Flüchtlinge Arbeit und ihr Integrationsprozess begann. „Im Werk zu arbeiten" bedeutete „dazu gehören, einer der unsrigen zu sein". Sie konnten hier Fuß fassen, die meisten waren erfolgreich, Integration und sozialer Aufstieg waren spätestens in der zwei ten Generation geschafft. Noch während des Integrationsprozesses der 1945 Vertriebenen wurde Oster reich im November 1956 von einer neuen Flüchtlingswelle aus Ungarn überrascht. Der größte Teil aber verließ Osterreich nach einigen Wochen in Richtung USA. Auch in Steyr reaktivierte man die Artilleriekaserne als Durchgangslager bis zum Frühjahr 1957. In der Stadt selbst blieben sehr wenige Ungarn, die meisten Flüchtlinge ungarischer Herkunft kamen über Umwege nach Steyr, weU sich ihnen hier ein Arbeitsplatz bot. Die Zuwanderung der Gastarbeiter Als wirklich bunt und multikultureU konnte man die Zusammensetzung der Bewohner von Steyr also nicht bezeichnen. Umso mehr fielen dann die ange worbenen Gastarbeiter auf. In den Steyr-Werken arbeiteten nur Jugoslawen, die wenigen Türken waren meist im Baugewerbe beschäftigt. Sie traten in Gruppen 71 auf, wohnten entweder in firmeneigenen Quartieren, Baracken und später auch eigens errichteten Häusern, oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in desolaten privaten Massenquartieren zu horrenden Preisen. Niemand machte sich die Mühe, diese Menschen in Steyr heimisch werden zu lassen. Die Wirtschaft hatte auch durch das sogenannte „Rotationsprinzip" dementsprechend vorge sorgt: Ein halbes Jahr hier arbeiten und dann zurück ins Herkunftsland und neue Arbeitskräfte holen. 24 Steyrer Kalender 1950,S.251,284 und 303. 25 Steyrer Zeitung vom 23.2.1950,S. 5.

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