Migration - Eine Zeitreise nach Europa

nicht mit den Anforderungen einer postindustriellen Wirtschaft üherein. Die Quahfikationen eines immer größer werdenden Anteils von Arbeitskräften müssen tendenziell als veraltet eingestuft werden. Weiterbildungsprogramme gerade für niedrig Qualifizierte sind deshalb auch in den Beitrittsländern eine zentrale arbeitsmarktpohtische Maßnahme. Das Aus- und Weiterbildungssystem dieser Länder war in den letzten Jahren jedoch von sinkenden Bildungsausgahen, dem teilweisen Rückzug der Unternehmen und von steigenden Kosten geprägt." Die Arbeitsmarktsituation für niedrig Qualifizierte und manuell Arbeitende wird sich nach dem EU — Beitritt in den Beitrittsländern tendenziell verschlech tern. Viele dieser Arbeitskräfte (insbesondere Jüngere) werden versuchen, in Westeuropa zumindest eine gewisse Zeit Arbeit aufzunehmen. Davon sind vor allem spezielle Branchen betroffen, wie etwa das Baunebengewerbe oder einige Dienstleistungsbranchen(z.B. Reinigungsgewerbe). Sie werden damit vor allem als Konkurrenz von hier lebenden ausländischen (männlichen) Arbeitnehmern auf treten. Beschäftigte mit höherer, auf dem neuesten Stand befindlicher, Quahfikation werden hingegen auch in den Beitrittsländern knapp und in den Ballungs zentren ihrer Heimatländer v. a. durch die Expansion des Dienstleistungssektors entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten finden. Trotzdem ist zu erwarten, dass auch Eachkräfte einzelner Branchen, wie der Tourismuswirtschaft oder im Pflegebereich sowie Technikerinnen (zeitlich begrenzte)Beschäftigung in benach barten EU — Ländern suchen werden.-" Da es sich hier um wachsende Branchen handelt, sind Yerdrängungseffekte weniger wahrscheinlich. Allerdings könnte durch das erweiterte Arbeitskräfteangebot ein gewisser Lohndruck entstehen. 8. Scliliissbeinerkuiig Die Beschäftigungspohtik gegenüber Ausländerinnen nimmt kaum auf die zukünf tigen Anforderungen des Arbeitsmarktes Bedacht. In einigen Jahren werden vor allem jüngere quahfizierte Arbeitskräfte fehlen. Bereits hier lebende ausländische Staatsbürgerinnen und deren Kinder werden nicht als Potenzial dafür in Betracht genommen und durch einen entsprechenden Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum Ausbildungssystem gefördert. Dies gilt im Besonderen für Saisonarbeitskräfte - ihnen ist der Zugang zur Aus- und Weiterbildung völlig versperrt. Die derzeit vor herrschende Tendenz, die Saisonarbeitsregelung auf weitere Branchen auszudeh- 45 nen, führt zu einer zunehmenden Konkurrenzierung von im Inland lebenden Ausländerinnen. Der Wunsch, fehlende qualifizierte Fachkräfte durch Anwer bung aus dem Ausland auszugleichen, wird sich hingegen nur zu einem geringeren Teil und nur für wenige Branchen realisieren lassen. 19 Anne Schüttpelz, Die Arbeitsinärkte in den ED - Beitrittsländern, in: WSl Mitteillingen 1/2003, S. 33-39. 20 Aus einer Umfrage in Beitrittsländern aus dem Jahr 1996 wurde ein relativ hoher Anteil potentieller Migrantinnen mit mittlerer bis höherer sowie universitärer Bildung(in Tschechien zum Beispiel mehr als 55 Prozent)errechnet. Diese Zahlen sind jedoch anzuzweifeln, weil sie die Auswirkungen des EU-Beitritts auf den Arbeitsmarkt in den Beitrittsländern nicht berücksichtigen und nur eine allgemeine subjektive Migi'ationsbereitschaft abfragen. Eine Auswanderung wird aber letztlich vor allem von den unmittelbaren Arbeitsmarkt- und Einkommensbedingungen abhängen. Vgl. Heinz Fassinann/Christiane Hintermann, Migrationspotenzial Ostmitleleiiropa. Struktur und Motivation potenzieller Migranten aus Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn, ISR - Forschungsbericht, Wien 1997.

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