Migration - Eine Zeitreise nach Europa

Kontinuität und Diskontinuität In Osterreich rekurriert die aktuelle Ausländerpolitik nur zu einem geringen Teil auf die historische AusgangsSituation in der Habsburgermonarchie. Die Arbeits migranten Österreich-Ungarns waren großteUs Inländer; sie lebten imter dem sog. Heimatrecht, das den Aufenthalt über die Reproduktionsphäre regelte. Ausländerbeschäftigungsgesetze gab es damals nicht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden hunderttausende Einwohner in der Ersten Republik zu Ausländern. Sieht man von der Zeit des Ersten Weltkriegs ab, entstand auf breiter pohtischer, sozialer und ökonomischer Ebene erstmals eine „Ausländerfrage". Die Parla mentsparteien einigten sich mit den Arheitnehmervertretern im Jahr 1925 auf das restriktive Inlandarbeiterschutzgesetz, das den Zugang ausländischer Arbeits kräfte regelte. In der Praxis waren die Auswirkungen aber gering. Für jene Arbeitskräfte die dennoch nach Österreich kamen(z.B. Ernte- und Saisonarbeiter aus der Slowakei, Ungarn, Kroatien) bestanden nämlich Sonderregelungen. In Österreich als Teil des Dritten Reichs lief die Entwicklung in eine andere Richtung. Arbeitsmigration wurde nunmehr abgelöst von Formen der Zwangsmigration: Zwangsarbeit, Vertreibung, Deportation usw. Große Menschenmassen von Frem den kamen während der NS- Zeit ins Land, das Verhältnis zu ihnen wurde aller dings von extremen Hierarchien und eigenen aus dem Deutschen Reich über nommenen Gesetzen bestimmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der nächste Bruch: Zuerst kamen hun derttausende Volksdeutsche Vertriebene und zehntausende andere „Displaced Persons", dann folgten die Gastarbeiter. Mit dem (vorläufigen) Ende Mitteleuro pas durch NS-Herrschaft,Stahnismus,Eisernen Vorhang und Kalten Krieg waren die wesentlichen Komponenten der traditionellen Migration, an die die öster reichische Bevölkerung gewöhnt war, zu Ende: Tschechen, Juden, Itahener u.a. wurden abgelöst von Bosniern, Serben, Mazedoniern aus Jugoslawien sowie von türkischen Zuwanderern,die als massenhaftes Phänomen ein Novum in der öster reichischen Migrationslandschaft darstellten. Schheßhch kamen ab den siebziger Jahren immer mehr Zuwanderer aus der sog. „Dritten Welt". Auch als nach 1989 in Ansätzen von einer „neuen Zuwanderung aus Ostmitteleuropa" gesprochen wer den kann, weisen jene Gruppen, die die weitaus stärksten darstellen, nämlich Polen und Rumänen, kaum eine lange Kontinuität der Österreich-Zuwanderung auf. Ferner lassen sich hinsichtlich der Aufnahme von Migranten Laissez-faire 23 und Restriktionspolitiken in abwechselnder Reihenfolge unterscheiden. Mit dem Eintritt in den EWR und die EU veränderten sich für Österreich die Ausgangs positionen in Migrationsangelegenheiten erneut und mit den nächsten Erwei terungen der Europäischen Union werden diese sich weiter verändern. Die zu nehmende Transnationalisierung der Wirtschaft weist zudem auch über diesen Rahmen hinaus und legt überdies den Schluß nahe, dass die Verantwortung für die neuen Migrationsbewegungen nicht ausschheßlich hei den Zuwanderern zu suchen ist.^' 33 Saskia Sassen, Einwanderungspolitik heute. In: Dazugehören? Fremdenfeindlichkeit - Migration — Integration. Sonderband der Schriftenreihe Informationen zur Politischen Bildung, Wien 2001,S. 53.

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