Migration - Eine Zeitreise nach Europa

regionen (Türkei, Rumänien, „Dritte Welt") entgegen sowie bestimmte demo graphische Entwicklungen, die nngeachtet der grundsätzlichen Verschärfung des Gesetzes zu einer Rekordzahl an Einbürgerungen führten. Assimilationspolitik — ein Erfolgsmodell ? Norbert Elias' und John Scotson's Theorem der „Etablierten nnd Außenseiter" hat vor allem das „früher" oder „später" einer Ansiedlung zum Inhalt. Danach stiegen die Einheimischen, die seihst einmal zugewandert und derselben sozialen Schichtzuzuordnen waren,in der sozialen Figuration gegenüber den Neuankömm lingen auf. Als länger ansässige und untereinander verbundene Gruppe griffen sie zu Mitteln der Ans- und Abgrenzung (Diffamierung etc.), damit wurden die Neuzuwanderer auf Distanz gehalten, die Etablierten konnten ihre Positionen behaup ten und sich in ihrem Selhstwert stabilisieren.^- Das Modell lässt sich gut auf die heimische Gesellschaft anwenden, als es Spezifika der österreichischen Situation erklärt: insgesamt waren nändich weit mehr als eine halbe Million Migranten aus den Kronländern Böhmen und Mähren zu Zeiten der Habsburgermonarchie nach Wien und Niederösterreich, aber auch in andere Regionen migriert und hatten dort langfristig ihre tschechische Identität verloren. Albert Massiezek,ehemaliger Direktor der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien, geboren 1916, erinnerte sich, was nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie geschah: „Assimilation hieß die Achse, um die sich das österreichische Ringelspiel drehte. Wollte man im Mittelstand etwas gelten ... ein tschechischer Famüienname war da kein förderliches Element, Massiezek nicht weniger ungünstig als Watzlawik."^' Die Massiczeks erwogen damals eine Namensänderung, Albert Massiezek landete vorübergehend, wie viele assimilierte slawische Namensträger hei der Nationalsozialistischen Partei. Apropos Watzlawik: nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hat ein gewisser Walter Watzlawik aus anti-tschechischem Sentiment und um in Niederösterreich Karriere zu machen, seinen Namen zu Waldheim verändert; sein Sohn Kurt Waldheim wurde ein bekannter Diplomat, avancierte zum UNO-Generalsekretär und wurde später zum Skandal-geschüttelten Präsidenten Österreichs. Es war genau diese Generation, die von Zuwanderern abstammte und sich weitgehend 18 oder komplett assimilierte und später eine Schlüsselrolle in der österreichischen Politik spielen soUte. Analog einer Studie aus dem Jahr 1965 Hefen 27 % der Telefonanschlüsse aus dem Wiener Telefonbuch auf tschechische Namen. Zu die ser Zeit war Franz Jonas österreichischer Präsident, er verfügte über Kenntnisse der tschechiscben Sprache. Genannt seien ferner Bruno Kreisky, Fred Sinowatz, der Wiener Polizeipräsident Joschi Holaubek, die Minister Erwin Lanc, Karl Blecha, Karl Sekanina, um nur einige zu nennen. 1992 folgte auf Präsident Waldheim nunmehr Thomas KlestU, dessen Name slowenischer oder tschechischer Herkunft ist. Während der 1990er Jahre regierten als Bundeskanzler Franz 22 Norbert Elias/John Scotson,Etablierte und Außenseiter,Frankfurt 1990. 23 AJbert Massiezek, Ich war Nazi. Faszination - Ernüchterung - Bruch. Ein Lehensbericht: Erster Teil(1916 — 1938), Wien 1988, S. 26ff.

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