Migration - Eine Zeitreise nach Europa

auf der CD - dann folgt der unvergleichli che Enrico Caruso (1873-1921) und lässt das Lied 'Santa Lucia' hören. Der itahenische Tenor war der Lieblingssänger Ameho Savios. Und ich erinnere mich: Als er mir vor Jahren seine Lehensgeschichte im Interview erzählte, bat er um eine Pause,holte eine Llasche Merlot und legte eine Caruso-Platte auf. Santa Lucia - Caruso und Boccelli bringen in die AufbahrungshaUe jenen Touch von Itahanitä, der auch zu Amelio Savio gehörte. Schon der Großvater des Ziegehneisters war Capo di Lavoro in Oberösterreich gewesen, in einem Ziegelwerk in Windischgarsten. Damit gehörte er zu jenen unentbehrlichen Partieführern, die in der Kaiserzeit und bis weit in die Zwischen kriegszeit hinein in einer Reihe von Ziegelwerken die Produktion organisier ten. Luigi Savio folgte seinem Vater und war langjähriger Capo und Meister in den Ziegelwerken Mayr in Sierning und Steyr. In der Zwischenkriegszeit sorgte er nicht nur für die Herstellung der Ziegel, son dern importierte auch einige Hektohter itahenischen Weins, die Rechnungen sind noch vorhanden. Die Savios kamen ursprünghch aus Lagagna, am Rande eines Weinbaugehiets zwischen San Daniele und Udine. Schheßhch übernahm auch Luigis Sohn Amelio den Job als Ziegelmeister im Werk Mayr. Amehos Schwester, in Steyr aufgewachsen und sprachlich eine wasch echte Steyrerin, wurde von den alten Savios nach Itahen geschickt, wie über haupt der Großteil der weitverzweigten Lamilie Savio in Lriaul geblieben ist. Ehrensache, dass jetzt die Verwandten zum Begräbnis kamen. „A schene Leich", meinte ein alter Friedhofsbesucher, als sich der Begräb niszug langsam auflöste, „und so viele Leut' waren da." Tatsächlich zählte man rund hundert Besucher: die Verwandten aus Itahen, die Famüie aus Österreich, viele KoUegen, Nachbarn und die Kinder anderer Itahener, die in Steyr geblieben waren. Silvio, Modesto, Carlo, SUvestro und wie sie alle bießen. „Ja, sogar die Frau des SS-Schergen, der Ameho ins KZ gebracht hat, war da", erzählt ein Teil nehmer am Begräbniszug. „Wie bitte?" „Im Jänner 1945 ist er ins KZ Münichholz gesteckt worden und fast gestorben. Aber die Frau des verantworthchen SSlers von damals ist zum Begräbnis gekommen und hat ihm ihre Referenz erwiesen." Gerade Steyr mit den unterschiedlichen pohtischen Ausrichtungen, mit den vielen überzeugten Nationalsoziahsten, Kommu nisten, Soziahsten, Christhch-Sozialen ist ein Nährboden für widersprüchhche Be ziehungen gewesen. Mit dem Tod des alten Mannes sackt ein weiterer, kleiner, noch eben sichtbarer Rest der Vergangenheit weg. Ameho Savio ist 91 Jahre alt geworden, mit ihm konnte man reden, er hatte Erinnerungen an seine Kindheit, an die Monarchie, Zwischetdcriegszeit, die NS-Jahre, er besaß Photographien und Gegenstände aus dieser Zeit. Seine Erfahrung, seine Er innerung waren Ted seiner seihst. Nun ruht er auf dem Friedhof von Steyr und er ruht gut in der Nachbarschaft einer Familie Tyracek, einer Famihe Mellem und den Volpinis, de Volpini - Graf und Gräfin. Nur wenige Schritte entfernt hegt das Grab seines Vaters Luigi Savio (18751937) und zweier Brüder; gleich daneben ist das Grab einer Famihe Dvofak - mit Hatschek auf dem Grabstein - und eines Antonio Bergoni, eines Belloni, eines Spacek, eines Stepanek und eines Hruschka - charakteristisch für Steyr, auch das. 125 Amelio Savio als junger Mann

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