Migration - Eine Zeitreise nach Europa

für den Arbeitsmarkt in Österreich angeworben wurden, geschah dies - wie in fast allen entwickelten Industrieländern Europas - unter dem Primat der sog. Rotationspolitik. Kurzfristige Beschäftigungshewilligungen für die vorwiegend ledigen, männ lichen Arbeitskräfte unter strikter Einhaltung ausgehandelter Kontingente, die forcierte Rückkehr in die Heimat und ein regelmäßiger Austausch der bereits im Land tätigen ausländischen Arbeitskräfte durch neu Angeworbene, sollte für eine flexibel einsetzbare und anpassungsbereite Gruppe auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Dies sagt an sich noch nichts über die Intentionen der angeworbenen Arbeiter aus, die anfangs wohl mehrheitlich selbst nur an einen vorübergehenden Aufenthalt dachten. Sieht man sich Zeitungsreportagen aus dieser Zeit an, stößt man des öfteren auf illustrierende Photographien von ausländischen Migranten auf Bahn höfen. Die Metapher ist im doppelten Sinn angebracht: Zum einen steht sie für das Kommunikationsbedürfnis der Migranten und damals boten die Bahnhöfe die besten Chancen,jemanden aus dem heimathchen Dorfoder der heimathchen Stadt zu treffen und mit ihm einige Stunden zu verbringen. Zum anderen kann der Bahnhof als Metapher für das Rotationssystem gesehen werden,als Umschlagplatz vieler und immer wieder verschiedener Migranten.' Das Rotationskonzept kollidierte später mit der geseUschaftlichen Reahtät, weil viele Unternehmer in den Jahren der Konjunktur der siebziger Jahre an einer hohen Eluktuation wenig Interesse hatten und da viele ausländischen Arbeits kräfte für sich und ihre später nachgeholten Familien längerfristige Perspektiven in Osterreich sahen. Im groben Trend hat man sich in Österreich im Jahr 1988 durch die Novehe des ersten Ausländerbeschäftigungsgesetzes vom Rotations prinzip verabschiedet: es war „nunmehr offenbar, dass die Vorstellung von einem vorübergehenden Aufenthalt, wie sie dem Rotationsprinzip entspricht ... als über holt betrachtet werden" müsse." Geändert hatte sich auch zu einem bestimmten Grad die Perspektive der Betroffenen: von I98I bis 1989 war das Ausmaß der Geldüberweisungen von Gastarbeitern (Türkei, Jugoslawien) wesenthch rascher gesunken als die Zahl der beschäftigten Ausländer aus diesen Ländern; dies weist auf verstärkte Geldausgaben in Österreich hin, ein Indikator für eine stärkere Österreich-Orientierung von Teilen der damahgen Gastarbeiter.' Was sich in der Gesamtgesellschaft nicht geändert hat, war der — trotz gewisser Korrekturen — grundsätzlich restriktive, nicht auf Dauereinwanderung ausgerichtete rechtliche und institutionelle Rahmen. Die Ausländerbeschäftigung bheb ungeachtet einiger Verbesserungen durch Kurzfristigkeit und den Vorrang der Inländerbeschäftigung gekennzeichnet. Von den Sozialpartnern werden ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EWR bzw. EU- Staaten nach wie vor als flexibles Element am Arbeitsmarkt begriffen. Dies güt insbesondere in Hinblick auf den zunehmenden Trend der Flexibihsierung von Arbeitsverhältnissen. Ein Teil der österreichischen Wirtschaft versuchte in den 1990er Jahren den aktuellen Heransforderungen am Markt vor allem über die Kostenseite(d.h. Ver7 Vgl. z. B. Solidarität. Zeitschrift des Österreichischen Gewerkschaftsbundes,Juli-August 1969,S. 10. 8 Ulrike Davy/August Gächter,Zuwaiuieruugsrecht und Zuwanderungspolitik in Österreich, Teil 1. In: Journal für Rechtspolitik, Jg. 1 (1993), Heft 3, S. 155-174. 9 Oesterreichische Nationalliank, Bilanz der Transferzahlungen (online).

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