Migration - Eine Zeitreise nach Europa

eine Kunstzeitschrift ursiv Active stand t>y MIGRATION (1) eine zeitreise nach europa Zur Ausstellung „migralion — eine zeitreise nach europa" im Museum Arheitsivell Steyr

5 Michael John: Von der Anwerbung der „Gastarbeiter" bis zu den Folgen der Globalisierung. Arbeitsmigration in Österreich 27 Josef Moser: „Du nix verstehen". Regionaler Arbeits markt, Ausbildung und berufliche Stellung von Ausländerinnen (am Beispiel Oberösterreicb) 46 Sissi Farassat: Von A nach B 51 Rainer Münz: Zu grau, zu bunt? Bevölkerungsentwicklung im 21. Jahrhundert und ihre Auswirkungen auf unser Leben 60 Ursula Biemann / Angela Sanders: Europlex 65 Ines Koppensteiner-Bernt: Migration und Multikulturalität in Steyr 77 Albert Lichtblau: Mitten ins Herz - Musik und Migration 97 ......... Michael John: Afrikaner in Oberösterreicb - historische und aktuelle Entwicklungen Beobachtungen 119 Jeanette Fächer: Mobilität messen 124 Michael John: Santa Lucia 126 Christian Loidl: anabita 128 Friedrich Buchmayr: Erst die Bücher, dann die Mensehen 132 Leopold Federmair: Stadtmetapher (Japan III) Umschlag-Vignette: Karolina Szmit

10-112103 Tcursw migration (1) eine zeitreise nach europa Herausgeber dieser Ausgabe: Michael John und Manfred Lindorfer

Ed i t o r i a l Ab Ende April findet im Museum Arbeitswelt in Steyr die Ausstellung migration. eine zeitreise nach europa statt. Die Ausstellung ist ein Teil des Ausstellungsnetzwerks Migration, Work and Identity, das von der Kommission der Europäischen Union im Rahmen von „Culture 2000" finanziert wird. Dieses Programm fördert europäische Kulturinitiativen und -vorhaben. Das Museum in Steyr ist der österreichische Partner dieses Projekts, hei dem Arheitsmuseen in Kopenhagen, Hamburg, Manchester, Berlin, Norrköping (Schweden) und Terrassa(Barcelona)kooperieren. Ziel der Initiative ist es, einen Beitrag zur europäischen Dehatte über kulturelle Vielfalt zu leisten. Dabei schwingt die Erwartung mit, dass umfangreicheres Wissen über die verschiedenen Migranten gemeinschaften innerhalb Europas Verständnis und Toleranz fördern kann. Das Projekt wird für Organisationen in den Mitgliedsstaaten nützlich sein, die kul turelle Initiativen zur Verbesserung der sozialen Integration setzen. Migranten sind in der Regel von der Partizipation an kultureUen Aktivitäten ausgeschlossen. Weder als Objekt noch als Subjekt standen sie bislang im Fokus der Museen. Dem sollte etwas gegengesteuert werden. kursiv widmet dieser Initiative eine Sondernummer, die gleichzeitig den Ausstellungskatalog darstellt. Ein Überblick über die Migration der „Gast arbeiter" ah den 1960er Jahren ist darin ebenso enthalten wie eine Analyse des regionalen Arheitsmarkts in Oherösterreich, der wachsend auf Zuwanderer und Zuwanderinnen angewiesen ist. Zu grau oder zu bunt? lautet die Frage nach den demographischen Konsequenzen der in Osterreich weit verbreiteten Migranten feindlichkeit. Dass eine Überalterung der Gesellschaft Konsequenzen nach sich zieht, hat mittlerweile schon fast jeder kapiert; dass die Bevölkerungsstruktur über Zuwanderung mitgestaltet werden kann,auch. Facetten der MultikulturaHtät bilden einen weiteren Schwerpunkt der Beiträge, wobei besonders auf die Musik szene verwiesen sei. Mitten ins Herz thematisiert sie den Erfolg eines Trends: Fremdheit und Fremde sind durchaus in, nur Wissens viele nicht oder sind sich dessen nicht bewußt - so könnte man vielleicht den Succus aus dem Musik artikel formuUeren. Zwei künstlerische Beiträge, von der in Wien lebenden Fotokünstlerin Sissi Farassatund von Ursula Biemann aus Zürich,die die unlängst in der Wiener Generali Foundation eröffnete Ausstellung „Geografie und die Politik der Mobilität" kuratierte (für den kursiv-Beitrag arbeitete sie mit der visueUen Fthnologin und Videomacherin Angela Sanders zusammen),runden den Band ah. migration. eine zeitreise nach europa wird 2003 und 2004im Museum Arheitswelt in Steyr gezeigt. Michael John Manfred Lindorfer

Migration als Chance Migration bedeutet für mich nicht nur eine Problemstellung, die es zu lösen gilt, sondern vor allem auch eine Chance für die Gesellschaft,sich die Vielfalt von Traditionen und Kultur zu Nutze zu machen. In Oherösterreich leben laut der Volkszählung 2001 99.617 Menschen aus 153 Nationen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft. Das sind rund 7,2% der Gesamthevölkerung in Oherösterreich. Umso wichtiger ist es, dass es eine ernste Auseinandersetzung mit dem Thema Migration gibt. Denn wer Integration nicht lebt, wird früher oder später die Nachteile aus diesem Verhalten erfahren. Aus diesem Grund setzt die Soziaiahteilung des Landes Oherösterreich nun schon seit geraumer Zeit einen intensiven Schwerpunkt auf den Themenhereich „Integra tion". Seit Herbst 2001 werden sämthche Integrationsmaßnahmen, an denen sich das Land Oherösterreich beteiligt, von der Integrationsheauftragten des Landes Oherösterreich koordiniert. Zentrale Schwerpunkte der SozialahteUung sind dabei die Themenfelder Sprachförderung, Schule und Bildung, Gesundheitsheratung, Lehens- und Sozialheratung, Wohnen, Franen, Arheitswelt, Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und natürlich (inter)kulturelle Alitivitäten. Ich wünsche der Ausstellung „migration. eine zeitreise nach europa" viel Erfolg! Landesrat Josef Ackerl Vorsitzender Museum Arheitswelt migration. eine zeitreise n ach europa Daten zur Ausstehung: Beginn: 26. April 2003 Die AussteUung wird 2003 und 2004 gezeigt. Wissenschafthche Leitung, Konzept: Michael John Architektur, Ausstellungsdesign: Manfred Lindorfer Graphisches Design: Gottfried Hattinger Akustik, Sounddesign: Sam Auinger, Gerd ThaUer EDV: Gerald Schalek Koordination: Udo Wiesinger Pädagogische Vermittlung: Christian Eder, Christa Nowshad,Andreas Spanring Wissenschafthehe Assistenz: Michaela Schaurecker AussteUnngsträger: Museum Arheitswelt Steyr Gabriele Heger(Geschäftsführung) Wehrgrahengasse 7, A-4400 Steyr Tel.: 07252 77351-0 office@museum-steyr.ät

Haupibahnhot Bereits in den 1950er Jahren wurden in der Bundesrepublik Deutschland in größerem Maßstab Arbeitsmigranten angeworben. Iranische Telefonistinnen werden 1957 am Hauptbahnhof in Hamburg begrüßt.

VON DER ANWERBUNG DER .GASTARBEITER" BIS ZU DEN FOLGEN DER GLOBALISIERUNG: ARBEITSMIGRATION IN ÖSTERREICH Michael John Die staatlich geförderte Arbeitsmigration in Europa hatte in den 1950er Jahren eingesetzt. Die Industriezentren in Belgien, Holland, Nordwestdeutschland und Frankreich benötigten Arbeitskräfte, um den Wirtschaftsaufschwung vorantrei ben zu können. Bereits 1954 wurden italienische und spanische Arbeiter in nord französische und belgische Bergbau- und Stahlzentren verschickt. 1955 verein harten die Regierungen das deutsch-itahenische Anwerbeahkommen. Bilaterale Verträge regelten arheitsrechthche Fragen,AnwerhesteUen sorgten für die Rekru tierung. Osterreich folgte erst später: In Österreich hatten sich nach 1945 rund 300.000 sog. Volksdeutsche Vertriebene angesiedelt, die vorerst staatenlos waren und die man später einbürgerte.' Diese deutschsprachigen Vertriebenen und Flüchthnge aus Osteuropa waren von Anbeginn in der österreichischen Wirtschaft tätig und substituierten damit in den fünfziger Jahren die Anwerbung auswärtiger Arbeitskräfte, die in anderen Ländern früher eingesetzt hatte. Beginn imd Entwicklimg der sog. Gastarbeiterwanderung Anfang der sechziger Jahre herrschte in Österreich nahezu Vollbeschäftigung,zur weiteren wirtschaftlichen Expansion wurden zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Die sog. „Gastarbeiter"wanderung begann. Die Bundesrepublik Deutschland warb ab den späten 1950er Jahren auch aus Österreich massiv Arbeitsmigranten an. 1961 lag Österreich mit 43.300 Beschäftigten in der BRD als Gastarbeiter herkunftsland an fünfter Stelle hinter Italien (224.600), den Niederlanden (65.400), Spanien (61.800) und Griechenland (52.300), allerdings deutlich vor Jugoslawien(23.600)und der Türkei(18.600). In der Schweiz wurden 1960 37.700 Österreicher gezählt. Während die Abwanderung österreichischer Arbeiter in den fünfziger Jahren als Ventil für den zu dieser Zeit bestehenden Uherschuss vor allem an höher qualifiziertem Personal noch positiv eingeschätzt wurde, ent wickelte sich in den frühen sechziger Jahren auf dem heimischen Arbeitsmarkt ein denthcher Fngpass. Diese sog. through-put-Situation — Österreich als Abgabe- und gleichzeitiges Annahmeland im Rahmen internationaler Arbeitsmigration-besteht bis in die Gegenwart, wenngleich sich aus der einstigen Balance von Zu- und Ab wanderung mittlerweile ein klares Ubergewicht der Zuwanderung ergeben hat. 1 Vgl. Rainer Müuz/WoUgang Seifert/Ralf Ulrich/Heinz Fassmann, Migration.smuster, Integration und Exklusion von Ausländern. Deutschland und Osterreich im Vergleich (= Demographie aktuell. Vorträge - Aufsätze - For schungsberichte Nr. 10), Berhn 1997, S. 3.

Ab 1961 wurde von der österreichischen Bundesregierung unter Beiziehung der Sozialpartner ein jährlich vereinhartes Kontingent ausländischer Arbeits kräfte festgesetzt (sog. Raah-Olah-Abkommen). Der Osterreichische Gewerk schaftshund (ÖGB) hatte sich vorher über Jahre hin gegen eine Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte ausgesprochen. Mit dem Abkommen von 1961 stimmte der Gewerkschaftsvorsitzende und österreichische Innenminister Franz Olah seitens des ÖGB einer Liberalisierung der Ausländerbeschäftigung zu. Für dieses Zugeständnis wurden die wirtschaftspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des 0GB in der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen erweitert.^ Im Laufe der sechziger Jahre orientierte sich Osterreich an der Vorgangsweise der westbchen Industriestaaten und schloss mit Spanien (1962), der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966) Anwerbverträge ab. Während sich die Werbetätigkeit in Jugoslawien erfolgreich entwickelte, stagnierte vorerst der Zuzug von Arbeitern aus der Türkei. Das Abkommen mit Spanien blieb nahezu wirkungslos. Der Be griff„Gastarbeiter"ist auf die damalige Rotationspolitik zurückzuführen,die von einem nur vorübergehenden Aufenthalt der Arbeitsmigranten ausging. Dieser Begriff wurde erst in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre langsam zur dominie renden Bezeichnung. Noch zu Beginn der 1960er Jahre war vorherrschend von „Fremdarbeitern" die Rede,ein Wort,das in der NS-Zeit verwendet worden war. Mitte der sechziger Jahre setzte ein enormer Anstieg der staatlich organisier ten Arbeitsmigration ein. Die jugoslawische Migration bbeb in dieser Phase die bei weitem dominierende,türkische Arbeitnehmer folgten an zweiter SteUe. Besonders aktiv wurde die Anwerbung ausländischer Arbeiter für den Wiener Raum als bevölkerungsreichstes Wirtschafts- und Dienstleistungszentrum Österreichs betrieben, danach folgte das an sich kleine, aber wirtschaftsstarke Bundesland Vorarlberg, das sich in einer speziellen Situation befand. Bereits in den 1950er Jahren war die Zahl der sog. „Grenzgänger" stark gestiegen, viele Einwohner des Bundeslandes pendelten zu besser bezahlten Industriearbeitsplätzen in grenz nahen Betrieben in der Schweiz und in der BRD. Daher warb die Vorarlberger Wirtschaft ah dem Beginn der 1960er Jahre besonders intensiv um ausländische Arbeitskräfte, wobei gegen den gesamtösterreichischen Trend von Anbeginn auch verstärkt türkische Arbeiter angeworben wurden.' Um einen Eindruck der damaligen Situation zu geben - 1969, damals bef die österreicbische Konjunktur auf Hochtouren. Selbst ein Zeitungsbericht der eher arbeiterprotektionistisch eingestellten Gewerkschaftszeitung „Sohdarität" ver suchte ein gewisses Verständnis für die steigende Zahl ausländischer Beschäftigter auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu vermitteln: „Eine große Textilfirma in der Umgebung Wiens beschäftigt 800 Gastarbeiter. Wir sprechen mit dem Per sonalchef. Er wirbt seine Arbeiterinnen und Arbeiter in Jugoslawien und in der Türkei über die Arbeitsämter an. Pro Arbeitnehmer muss er in Jugoslawien 700, in der Türkei 1.100 Schilling Vermittlungsgebühr zahlen. Private Werbung ist verboten, aber sie wird mit allen möghchen Tricks immer wieder versucht. Die 2 Vgl. Hannes Wimmer,Zur Anslänclerl)eschäftigungspolitik in Österreich. In: Hanne.s Wimmer(Hg.),Ausländische Arbeitskräfte in Österreich, Frankfurt/Main 1986, S. 7. 3 Vgl. Erika Thurner, Der „Goldene Westen"? Arbeitszuwanderung nach Vorarlberg seit 1945, Bregenz 1997, S. 54-56.

Behörden machen Jagd auf die privaten Werber, weil sie von denen nm die Vermittlungsgebühr geprellt werden ... Unser Personalchef lobt ganz besonders seine Türken.Immer wieder betont er,wie verlässlicb sie seien;'Sie trinken nicht, sie leben sparsam, sie arbeiten fleißig. Den größten Teil ihres Lohnes schicken sie nach Hause.'"'' Eine Studie der Sozialpartner aus dieser Zeit weist nach, dass während der Hochkonjunktur viele Betriebe ausländische Arbeitskräfte zu re krutieren versuchten,auf allen Ebenen(Schlepper, private Vermittler)bis hin zur Ermutigung nrlaubender Gastarbeiter, interessierte Landsleute nach Osterreich mitzubringen. Daraus erklärt sich der enorme Anstieg ausländischer Arbeitsmigranten ab dem Ende der 1960er Jahre." Unselbständig beschäftigte ausländische Staatsbürger In Österreich 1963 - 2002, nach Staatsbürgerschaft Anzah 200000 180000 160000 (ex-) Jugoslawien 140000 120000 100000 Sonstige 80000 Türkei 60000 40000 Deutschland 20000 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 Quelle: Statistische Nachrichten (ÖSTAT/Statistik Austria/WIFO) - Statistische Übersichten 1963 - 2003 Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1973 wurde in den Industrieländern Europas ein allgemeiner Anwerbestopp verhängt. In Osterreich vereinbarten die Sozialpartner ein Einfrieren der Ausländerbeschäftigung im Herbst 1973. Allerdings trachteten damals viele Gastarbeiter der ersten Generation dennoch in Österreich zu bleiben, da auch die Wirtschaftslage in Jugoslawien und in der Türkei von der sog. „Ölkrise" beeinflusst worden war." Steigende Arbeitslosigkeit sogar im soziahstischen Jugoslawien war die Eolge und führte zu famihären sozialen Tragödien, als schließlich 1976 ein restriktiv wirkendes „Ausländer4 Solidaiität. Zeitschrift des Österreichischen Gewerkschaftsbuudes, Jiili-August 1969,S. 11. 5 Arbeitskreis für ökonomische und soziale Studien in Wien(Hg.),Gastarbeiter. Wirtschaftliche und soziale Heraus forderung, Wien 1973, S. 25. 6 Elisabeth Lichtenberger, Gastarbeiter. Leben in zwei Gesellschaften, Wien-Köln-Graz 1984,S.477.

Ankunft von Gastarbeitern in Linz, 1972 beschäftigungsgesetz"in Kraft trat, das die Beschäftigungsbewilligiing unmittelbar an den Arbeitgeber koppelte und an dessen Bedarf bei gleichzeitiger Festschreibung der Priorität für österreichische Bewerber. Dies führte dann zu einem rascheren Abbau des Ausländeranteils in Osterreich. Diverse Regelungen des AuslBG 1976 — darunter ein Einsatzverbot ausländischer Arbeitskräfte im Falle von Streiks — sollten außerdem verhindern, dass inländische Arbeitskräfte durch ausländische Billigarbeitskräfte einem stärkeren Lohndruck ausgesetzt wurden. Das Rotationssystem - Ausländer als Verschubinasse auf dem Arbeitsmarkt ? Hatte sich zwischen 1963 und 1973 die Zahl der in Österreich beschäftigten Gastarbeiter von rund 21.000 auf 227.000 mehr als verzehnfacht, so arbeiteten zehn Jahre später nur noch cirka 145.000 Ausländer in Österreich. In dieser Phase wurde im deutschsprachigen Raum (BRD, Österreich und Schweiz) ins gesamt ähnlich agiert. In den 1980er Jahren war das Ausmaß der Ausländer beschäftigung vergleichsweise niedrig. Im saloppen Umgangston wurden auslän dische Beschäftigte auch in Aussagen maßgeblicher Politiker als „Konjunktur puffer" bezeichnet. Als in den sechziger Jahre massenhaft ausländische Arbeiter

für den Arbeitsmarkt in Österreich angeworben wurden, geschah dies - wie in fast allen entwickelten Industrieländern Europas - unter dem Primat der sog. Rotationspolitik. Kurzfristige Beschäftigungshewilligungen für die vorwiegend ledigen, männ lichen Arbeitskräfte unter strikter Einhaltung ausgehandelter Kontingente, die forcierte Rückkehr in die Heimat und ein regelmäßiger Austausch der bereits im Land tätigen ausländischen Arbeitskräfte durch neu Angeworbene, sollte für eine flexibel einsetzbare und anpassungsbereite Gruppe auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Dies sagt an sich noch nichts über die Intentionen der angeworbenen Arbeiter aus, die anfangs wohl mehrheitlich selbst nur an einen vorübergehenden Aufenthalt dachten. Sieht man sich Zeitungsreportagen aus dieser Zeit an, stößt man des öfteren auf illustrierende Photographien von ausländischen Migranten auf Bahn höfen. Die Metapher ist im doppelten Sinn angebracht: Zum einen steht sie für das Kommunikationsbedürfnis der Migranten und damals boten die Bahnhöfe die besten Chancen,jemanden aus dem heimathchen Dorfoder der heimathchen Stadt zu treffen und mit ihm einige Stunden zu verbringen. Zum anderen kann der Bahnhof als Metapher für das Rotationssystem gesehen werden,als Umschlagplatz vieler und immer wieder verschiedener Migranten.' Das Rotationskonzept kollidierte später mit der geseUschaftlichen Reahtät, weil viele Unternehmer in den Jahren der Konjunktur der siebziger Jahre an einer hohen Eluktuation wenig Interesse hatten und da viele ausländischen Arbeits kräfte für sich und ihre später nachgeholten Familien längerfristige Perspektiven in Osterreich sahen. Im groben Trend hat man sich in Österreich im Jahr 1988 durch die Novehe des ersten Ausländerbeschäftigungsgesetzes vom Rotations prinzip verabschiedet: es war „nunmehr offenbar, dass die Vorstellung von einem vorübergehenden Aufenthalt, wie sie dem Rotationsprinzip entspricht ... als über holt betrachtet werden" müsse." Geändert hatte sich auch zu einem bestimmten Grad die Perspektive der Betroffenen: von I98I bis 1989 war das Ausmaß der Geldüberweisungen von Gastarbeitern (Türkei, Jugoslawien) wesenthch rascher gesunken als die Zahl der beschäftigten Ausländer aus diesen Ländern; dies weist auf verstärkte Geldausgaben in Österreich hin, ein Indikator für eine stärkere Österreich-Orientierung von Teilen der damahgen Gastarbeiter.' Was sich in der Gesamtgesellschaft nicht geändert hat, war der — trotz gewisser Korrekturen — grundsätzlich restriktive, nicht auf Dauereinwanderung ausgerichtete rechtliche und institutionelle Rahmen. Die Ausländerbeschäftigung bheb ungeachtet einiger Verbesserungen durch Kurzfristigkeit und den Vorrang der Inländerbeschäftigung gekennzeichnet. Von den Sozialpartnern werden ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EWR bzw. EU- Staaten nach wie vor als flexibles Element am Arbeitsmarkt begriffen. Dies güt insbesondere in Hinblick auf den zunehmenden Trend der Flexibihsierung von Arbeitsverhältnissen. Ein Teil der österreichischen Wirtschaft versuchte in den 1990er Jahren den aktuellen Heransforderungen am Markt vor allem über die Kostenseite(d.h. Ver7 Vgl. z. B. Solidarität. Zeitschrift des Österreichischen Gewerkschaftsbundes,Juli-August 1969,S. 10. 8 Ulrike Davy/August Gächter,Zuwaiuieruugsrecht und Zuwanderungspolitik in Österreich, Teil 1. In: Journal für Rechtspolitik, Jg. 1 (1993), Heft 3, S. 155-174. 9 Oesterreichische Nationalliank, Bilanz der Transferzahlungen (online).

10 Ein provisorisches Arbeitsamt am Bahnhof, Wien 1967 schlechterung von Arbeitsplätzen, billigere [jüngere und/oder ausländische] Arbeitskräfte) zu begegnen. Durch die sozial- und arbeitsrecbtlicli schwächere Position der Ausländer(im Fall von Schwarzarbeit durch Rechtlosigkeit) werden diese — zusammen mit älteren inländischen Arbeitnehmern — am ehesten zur Manövriermasse betrieblicher Strategien und staatlicher Politik. Mit der Neu diskussion des Saisonnier-Status und der Answeitung dieser Arbeitsplatzkategorie ausländischer Beschäftigter in den letzten Jahren wurden Elemente des Rotations prinzips in der österreichischen Ausländerbeschäftigungspolitik wieder stärker

11 Menschen am Bahnhof, darunter viele Arbeitsmigranten. Bahnhöfe waren Orte, an denen sich die erste Generation der Gastarbeiter treffen konnte, egal ob sie in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Schweden oder anderswo ihren Arbeitsplatz hatten.

eingebracht. Möglicherweise damit zumindest teilweise im Zusammenhang steht die starke Steigerung des Wanderungsvolumens im Jahr 2001, als es dazu im Bericht der Statistik Austria heißt: „Die 89.928 Zuzüge aus dem Ausland und die 72.654 Wegzüge ins Ausland bedeuteten die höchsten Werte seit Einführung der Wanderungsstatistik im Jahre 1996."'° „Ostöffnung" und steigende Migration ab 1989 Im Zuge der Ostöffnung Ende der achtziger Jahre setzte ein massiver Anstieg der Zuwanderung ein, der sich in der Zahl der ausländischen Arbeitskräfte, mehr noch aber in der allgemeinen Wanderungsbilanz ausdrückte. Zum Fall des sog. 'Eisernen Vorhangs' kam der Pull-Faktor einer guten ökonomischen Konjunktur mit einem Wirtschaftswachstum von 4,5 % im Jahr 1990, enormen Export zuwächsen ins vereinigte Deutschland und starken Umsatzsteigerungen in der Bauwirtschaft, die traditionell viele Zuwanderer aufnimmt. Die Volkszählung von 1981 wies 291.000 ausländische Staatsbürger (3,9 % der Wohnbevölkerung)aus, jene der Volkszählung von 1991 518.000 Ausländer (6,6 %). Das ergab eine formale Zunahme von 226.000 Personen oder 78%,berechnet man die Geburtenbilanz und die Zahl der Einbürgerungen von Ausländern mit ein, ergibt sich eine Wanderungsbilanz von -l- 266.000 oder ein Zuwachs von rund 90 %. Die Staats bürger(Ex)-Jugoslawiens nahmen in der Statistik der ausländischen Staatsbürger den ersten Platz ein (rund 150.000), gefolgt von nunmehr rund 120.000 Staats bürgern aus der Türkei, die allerdings in den letzten Jahren von der Zahl der „sonstigen Ausländer" ühertroffen worden ist. Diese bestehen zum Großteil aus Zuwanderern aus der sog.„Dritten Welt",die Zahl der Migranten aus den ehemals kommunistischen Oststaaten (Polen, Rumänien, Tschechien, Slowakei, Ungarn) ist im Anstieg begriffen. Seit der Volkszählung 1991 ist die Zahl der ausländischen Staatsbürger erneut gewachsen. Bei diesem Anstieg spielte die Jugoslawien-Krise eine große Rolle, Österreich war vom Auseinanderbrechen des Landes besonders betroffen: als Nachbarstaat und als ehemaliger Anwerbestaat, dessen größtes Einwanderungskontingent aus dieser Region stammt. Die Volkszählung vom 15. Mai 2001 wies nunmehr 710.926 ausländische Staatsbürger und -bürgerinnen aus. Der Ausländeranteil zu Beginn des Jahres 12 2003 beträgt mittlerweile etwas mehr als 750.000 Personen - 9,4 bis 9,5 % der gesamten Wohnbevölkerung. Was die Herkunft der ausländischen Bevölkerung anlangt, ist das Spektrum nochmals breiter und bunter geworden. Man kann daher in Österreich aktuell eine „weitere Globahsierung der Migration" konstatie ren,insofern als immer mehr Länder als Herkunftsgebiete in das Migrationssystem eingebunden werden (z.B. Ägypten, Pakistan, Indien, Sri Lanka, afrikanische Länder)." Eine Sonderentwicklung ist es wohl, dass sich von 1997 bis 2002 auch die Zahl der deutschen Staatsbürger in Österreich deutlich erhöht hat,ebenso wie 10 Statistik Austria(Hg.), Wanderungsstatistik 2001, Wien 2002,S. 13. 11 Christiane Hintermann, Die „neue" Zuwanderung nach Osterreich. Eine Analyse der Entwicklungen seit Mitte der 1980er Jahre. In: Dazugehören? Fremdenfeindlichkeit — Migration-Integration. Sonderband der Schriften reihe Informationen zur Politischen Bildung, Wien 2001,S. 75.

sie auf dem österreichischen Arheitsmarkt von 15.600 auf 26.300, also mithin um rd. 70% gestiegen ist. Dies ist ein seltenes Phänomen, das auf die schlechte kon junkturelle Lage im Nachbarland und auf Sonderverträge der österreichischen Arbeitsverwaltung (AMS) mit ostdeutschen Arbeitsämtern, vor allem mit Thü ringen und Sachsen-Anhalt zurückzuführen ist.'^ Befand sich Osterreich noch in den 1980er Jahren im unteren Mittelfeld der europäischen Staaten hinsichtlich des Ausländeranteils, so hat sich dies mittler weile verändert. Hinter den Kleinstaaten Luxemburg und Liechtenstein sowie auch hinter der Schweiz liegt Österreich mittlerweile auf Platz vier. Zur Schweiz ist hinzuzufügen, dass infolge des sehr schwierigen Staatsbürgerschaftserwerbs in diesem Land der Prozentsatz der ausländischen Staatsbürger besonders hoch ist. Um das tatsächliche Ausmaß an internationaler Migration festzumachen, sind skandinavische Länder nunmehr dazu übergegangen, den Begriff des „foreign hackground" in die Statistik einzuführen. Im angelsächsischen Raum gibt es diese statistische Kategorie bereits länger.'^ Die folgende Statistik orient sich aus Gründen der Vergleichharkeit jedoch ausschließlich am Prozentsatz der auslän dischen Staatsbürger. Ausländeranteile ausgewählter europäischer Länder per 1. Jänner 2001 Liechtenstein Osterreich 19,4 Belgien S.4 Frankreich Dänemark Norwegen in% Italien BM 2,2 02,2 Portugal I . I 1,9 m 1,8 Griechenland L 1,6 0 5 10 15 20 25 30 35 40 Quelle: Statistik Austria (Hg.), Statistisches Jahrbuch Österreichs 2003, Wien 2003, S. 499. Auf dem österreichischen Arheitsmarkt bewegen sich derzeit (2003) insgesamt etwas mehr als 340.000 ausländische Arbeitnehmer,mehr als 10,5% aller unselbstständig Beschäftigten. Zielpunkte der aktuellen Zuwanderung waren in hohem Maß die in der Zweiten Republik am häufigsten aufgesuchten Bundesländer Vor13 12 Vgl. Statistische Nachrichten (ÖSTAT/Statistik Austria/WIFO)- Statistische Übersichten 1997-2003; AMS-lnfo Nr. 54(2002),Strategien zur Deckung von Fachkräftebedarf. 13 „Foreign hackground" bezeichnet Personen, die entweder im Ausland geboren sind oder von deren Eltern zu mindest ein Elternteil im Ausland geboren ist.

arlberg und Wien, wenngleich auch eine Tendenz znr Diversifizierung deutlich wird. So hat der Ausländeranteil in einigen oherösterreichischen Städten, z.B. in Linz und Wels,sowie in der Stadt Salzburg und im Raum Innsbruck in den letzten Jahren disproportional zugenommen. In Oherösterreich ist eine besonders deut liche Steigerung wahrzunehmen: von 2,8 % (1986) auf nahezu 8 % (1994) in einem relativ kurzen Zeitraum. In Oherösterreich hatte der Trend hin zur Ein hindung billiger, vornehmlich unqualifizierter ausländischer Arbeitskräfte durch die Existenz der verstaatlichten und staatsnahen Industrie in Linz, Steyr und Hanshofen ebenso eine Verzögerung wie eine Ahschwächung erfahren. In den die Wirtschaft damals dominierenden Industriehetriehen (VOEST, Stickstoffwerke, Steyr-Werke) wurden in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren in erster Linie österreichische Arbeitskräfte eingesetzt, tausende Umlandpendler fanden dort Arbeit. Mit der sog. Verstaatlichtenkrise änderte sich diese Situation.'"' Die grobe Tendenz der wirtschaftlichen Entwicklung in Osterreich üher die gesamten neun ziger Jahre hin ist so beschaffen gewesen, dass von einem Nachlassen der Nach frage nach ausländischen Arbeitskräften nicht ausgegangen werden kann: Die Privatisierung der ehemahgen verstaathchten Industrie, die Ausweitung des Dienstleistungssektors, verstärkte Investitionen durch ausländisches Kapital, die Tendenz zur vermehrten Herausbildung von Niedriglohnarbeitsplätzen („MacJobs")förderte die Nachfrage nacb leistungsfähigen,jungen und kostengünstigen Migranten.'" Begleitet wurde die starke Zuwanderung zu Beginn der neunziger Jahre von politischen Protesten im österreichischen Parlament und in der öffenthchen Dis kussion. Jeweils unter Zustimmung bzw. unter dem Meinungsdruck erhebhcher Teile der Bevölkerung wurden seit den frühen neunziger Jahren sukzessive das Asylgesetz verschärft und ein neues Fremdengesetz sowie ein Aufenthaltsgesetz geschaffen.'"Als die treibende politische Kraft migrationskritischer Haltungen,die Freiheitliche Partei Österreichs im November 1992 ein „Antiausländervolksbegehren" inszenierte, das österreichweit jedoch nur von 7,4 % der Wahlberechtigten unterzeichnet wurde,formierten sich Gegenkräfte: In zeithcher Parallele mit den Lichterketten gegen Anschläge auf Asylheime und Wohnungen türkischer Zuwanderer in Deutschland führte dies zu österreichweiten Protestversamminngen gegen Fremdenfeindlichkeit, welche mit dem Wiener Lichtermeer am 23. Jänner 1993 in die größte Demonstration der Zweiten Republik mündeten.'" Nach einem von ■|4 Eremdenfeindhchkeit mitgeprägten Nationalratswahlkampf des Jahres 1999 wurde erneut eine Großdemonstration „Gegen Rassismus und Fremdenfeindlich keit abgehalten". Am 12. November 1999 nahmen in Wien rund 50.000 Personen daran teil. 14 Vgl. Michael John, Bevölkerung in der Stadt. 'Einheimische' und 'Fremde' in Linz (19. und 20. Jahrhundert), Linz 2000, S. 488f. 15 Vgl. dazu auch Heinz Fassmann, Von der Ersten zur Zweiten Repidflik - demographischer und sozialer Wandel in Osterreich. In: Handliuch des politischen Systems Österreichs. Die Zweite Republik, hg. von Herbert Dachs/ Peter Gerlich et al. (Hg.), Wien 1997, S. 40-52 und Fritz Weber, Die wirtschaftliehe Entwicklung. In: Handbuch des politischen Systems Österreichs. Die Zweite Republik, S. 25-39. 16 Vgl. Heinz Fassmann/Rainer Münz, Einwanderungslaud Österreich? Historische Migrationsmuster, aktuelle Trends und politische Maßnahmen, Wien 1995, S. 86-92. 17 Rainer Bauböck, Migrationspolitik. In: Handbuch des politischen Systems Österreichs. Die Zweite Republik, S. 687.

Einbürgerungspolitik: Integration durch Staatsbürgerschaft ? Der Begriff „Integration in die Gesellschaft" tangiert die Sicherheit des Auf enthalts, die Positionierung im gesellschaftlichen Statussystem und den Zugang zu Ressourcen. Ohne Zweifel wurden in den letzten Jahrzehnten gewisse Fortschritte hinsichtlich der Integration ausländischer Arbeitsmigranten erzielt. In den 1990er Jahren zeigte sich allerdings, dass ein wachsender Anteil ausländischer Zuwanderer nachhaltig das Ziel einer Einbürgerung verfolgte. Die Rechtslage auslän discher Einwohner hat sich im seihen Zeitraum merkbar verschlechtert. Seit den siebziger Jahren konnte die österreichische Einhürgerungspraxis im allgemeinen als eher tolerant angesehen werden. Insbesondere gilt dies für Wien, wo in vielen Eällen eine Einbürgerung nach rund fünf Jahren erfolgte. Oberösterreich hegt hierbei im österreichischen Mittelfeld. Betrachtet man die Entwicklung auf dem Gebiet der Einbürgerungen von 1982 bis 1996, so zeigt sich eine starke Zunahme der Staatshürgerschaftserwerbungen. 1982 wurden 7.159 im Inland lebende Aus länder eingebürgert, 1996 mehr als doppelt so viele, nämlich 15.627. Tabelle: Einbürgerungen von In Österreich wohnhaften Ausländern, 1982 bis 2002 Jahr insgesamt (ex)-Jugo- Türkei EU-Staaten* Ost Sonstige siawien europa 1982 7.159 1.185 292 2.306 1.500 1.876 1983 9.900 2.224 293 3.288 1.607 2.488 1984 7.792 1.411 304 2.916 1.139 2.022 1985 7.311 1.437 284 2.261 1.368 1.961 1986 8.060 1.439 314 2.105 2.179 2.023 1987 6.616 1.391 378 1.189 1.831 1.827 1988 7.314 1.723 496 1.062 1.974 2.051 1989 7.305 2.293 709 708 1.648 1.947 1990 8.980 2.639 1.102 646 2.112 2.481 1991 11.137 3.217 1.801 650 2.401 3.068 1992 11.656 4.329 1.987 572 1.838 2.930 1993 14.131 5.780 2.686 613 1.945 3.107 1994 15.275 5.621 3.377 444 2.663 3.170 1995 14.366 4.529 3.201 305 2.593 3.738 1996 15.627 3.118 7.492 228 2.096 2.693 1997 15.792 3.659 5.064 217 2.762 4.090 1998 18.321 4.151 5.683 213 3.208 5.066 1999 25.032 6.834 10.463 127 3.210 4.398 2000 24.645 7.576 6.732 137 4.381 5.819 2001 32.080 10.760 10.068 138 4.608 6.506 2002" 36.011 13.256 12.623 * 1982 bis 1985 beinhalten die Zahlen lediglich die sieben für die Einbürgerungsstatistik wichtigsten Länder (Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Spanien, Niederlande), danach die gesamte Europäische Union der Gegenwart: 1997 enthält die Zahl lediglich die für Österreich relevanten Länder Deutschland, Frankreich, Holland, Griechenland und Italien. ** vorläufiges Ergebnis; Zahlen für ex-Jugoslawien beinhalten hier Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro, Kroatien Quelle: Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich, XLIV. Jahrgang, Neue Folge 1993, Wien 1993, 8. 50. Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich, XLiX. Jahrgang, Neue Folge 1998, Wien 1998, S. 58. Statistisches Jahrbuch Österreichs 2003, Wien 2003, S. 79. Statistik Austria 2003, Einbürgerungen (online). 15

Die langfristige Zunahme der Einbürgerungen ist in erster Linie auf den Staats bürgerschaftserwerb jugoslawischer bzw. ex-jugoslawischer und in den letzten Jahren immer mehr auch türkischer Staatsbürger zurückzuführen. Während 1982 nur 292 Türken und Türkinnen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekamen, waren es 1999 bereits 10.463 Personen. Die Integrationshereitschaft türkischer Staatsbürger hinsichtUch der österreichischen Gesellschaft hat in den letzten zehn Jahren zweifellos stark zugenommen. Eine der Ursachen dieser Ent wicklung dürfte die Änderung der türkischen Gesetze für den Fall der Zurück legung der türkischen Staatsangehörigkeit aus Anlass der Einbürgerung sein, die 1995 in Kraft trat und nun keinen Verlust des Erbrechts und des Rechts auf Landbesitz mehr vorsieht. Ebenso kann in der zunehmenden Perspektivlosigkeit, die viele türkische Staatsbürger kurdischer Herkunft angesichts der jüngeren pohtischen Entwicklung in der Türkei als Haltung angenommen haben,ein Motiv für den Staatshürgerschaftserwerh in Osterreich gesehen werden. Der 1994 bis 1999 feststellbare Rückgang an Einhürgervingen von Personen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen, ist mit dem Ende der Kriegshandlungen zu erklären. Ende der neunziger Jahre stiegen die Einbürgerungen aus dem süd osteuropäischen Krisenherd jedoch wieder stark an. Fast verschwunden sind die Einbürgerungen von EU-Angehörigen, die seit dem EU-Beitritt Österreichs meist als überflüssig erachtet wird.'" Die politische Liberahsierung in den ehemaligen kommunistischen Ländern Osteuropas führte vorläufig dazu, dass sich etwa auch aus Polen, der ehem. Tschechoslowakei oder aus Ungarn stammende Migranten eher weniger für die österreichische Staatsbürgerschaft interessieren. Die dennoch gestiegene Zahl eingebürgerter Osteuropäer ist in erster Linie auf eine erhöhte Anzahl von Anträgen rumänischer Staatsbürger zurückzuführen. Die sog. „Naturalisierungen" erreichten nach dem Jahr 2000 einen bislang seit den fünfziger Jahren (Einbürgerung der „Volksdeutschen" Vertriebenen) nicht mehr erreichten Spitzenwert. Mit 4,3 % auf 100 im Lande lebende Ausländer wies Osterreich 2001 eine der höchsten Einhürgerungsquoten in Europa auf. Der Anstieg der Einbürgerungen in den letzten Jahren war primär eine Folge der durchschnitthch länger werdenden Aufenthaltsdauer der ausländischen Staats angehörigen. Es erwarben 2001 insgesamt 32.080 vorher staatsfremde Personen die österreichische Staatsbürgerschaft, 2002 wurden 36.011 Einbürgerungen aus gewiesen. Die absolut höchste Zahl an Einbürgerungen hatte Wien aufzuweisen, IG gefolgt von Niederösterreich. Ein knappes Drittel aller Eingebürgerten wurde bereits in Österreich geboren. Die Neo-Staatsbürger waren überdurchschnittlich jung. Ein knappes Drittel aller Einbürgerungen (12.140 Personen oder 33,7 %) betraf Kinder unter 15 Jahren, 9.163(25,5 %)waren zwischen 15 und 29 Jahre alt."' Am 8. Juli 1998 hatte der österreichische Nationalrat ein neues Staatsbürger schaftsgesetz beschlossen, das von den damaligen Regierungsparteien (Sozial demokratische Partei Österreichs, österreichische Volkspartei) vorgelegt wurde. Das Gesetz stellte allerdings das Ergebnis einer Diskussion dar, die Mitte der neunziger Jahre in Wien von der Freiheithchen Partei, der zweitstärksten politi18 Vgl. Statistische Nachrichten,Heft 10/1997,S. 828f. 19 Vgl. Statistisches Jahrbuch Österreichs 2003,Wien 2003,S. 78ff. Statistik Austria 2003,Einbürgerungen (online).

Wählen Sie die SPÖ und geben Sie HaydierSARI Ihre Vorzugsstinrime, Politische Integration: Die gestiegenen Einbürgerungsziffern führen dazu, dass sämtliche poli tische Parteien in Österreich mittlerweile Migranten als Kandidaten ihrer Wahllisten führen. 17 sehen Fraktion in der Bundeshauptstadt, begonnen wurde. In der Diskussion um das neue österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz fielen denn auch im Parlament und in der medialen Diskussion Begriffe wie „Umvolkung"und „Überfremdung".™ Das Gesetz stellt eine Verschärfung dar, schränkt einerseits den Ermessensspiel raum etwas ein und führt zu einer stärkeren Fixierung auf die Zehnjahresfrist.'' Dem stehen das gestiegene Interesse von Staatsbürgern einzelner Herkunfts20 Vgl. Der Standard vom 10. Juli 1998, S. 7. 21 Vgl. dazu Harald Waldraueh/Dilek Cinar, Eüibürgerungspraxis in Österreich. In: Österreichischer Migrations und Integi-ationsbericht 2002(erscheint 2003).

regionen (Türkei, Rumänien, „Dritte Welt") entgegen sowie bestimmte demo graphische Entwicklungen, die nngeachtet der grundsätzlichen Verschärfung des Gesetzes zu einer Rekordzahl an Einbürgerungen führten. Assimilationspolitik — ein Erfolgsmodell ? Norbert Elias' und John Scotson's Theorem der „Etablierten nnd Außenseiter" hat vor allem das „früher" oder „später" einer Ansiedlung zum Inhalt. Danach stiegen die Einheimischen, die seihst einmal zugewandert und derselben sozialen Schichtzuzuordnen waren,in der sozialen Figuration gegenüber den Neuankömm lingen auf. Als länger ansässige und untereinander verbundene Gruppe griffen sie zu Mitteln der Ans- und Abgrenzung (Diffamierung etc.), damit wurden die Neuzuwanderer auf Distanz gehalten, die Etablierten konnten ihre Positionen behaup ten und sich in ihrem Selhstwert stabilisieren.^- Das Modell lässt sich gut auf die heimische Gesellschaft anwenden, als es Spezifika der österreichischen Situation erklärt: insgesamt waren nändich weit mehr als eine halbe Million Migranten aus den Kronländern Böhmen und Mähren zu Zeiten der Habsburgermonarchie nach Wien und Niederösterreich, aber auch in andere Regionen migriert und hatten dort langfristig ihre tschechische Identität verloren. Albert Massiezek,ehemaliger Direktor der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien, geboren 1916, erinnerte sich, was nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie geschah: „Assimilation hieß die Achse, um die sich das österreichische Ringelspiel drehte. Wollte man im Mittelstand etwas gelten ... ein tschechischer Famüienname war da kein förderliches Element, Massiezek nicht weniger ungünstig als Watzlawik."^' Die Massiczeks erwogen damals eine Namensänderung, Albert Massiezek landete vorübergehend, wie viele assimilierte slawische Namensträger hei der Nationalsozialistischen Partei. Apropos Watzlawik: nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hat ein gewisser Walter Watzlawik aus anti-tschechischem Sentiment und um in Niederösterreich Karriere zu machen, seinen Namen zu Waldheim verändert; sein Sohn Kurt Waldheim wurde ein bekannter Diplomat, avancierte zum UNO-Generalsekretär und wurde später zum Skandal-geschüttelten Präsidenten Österreichs. Es war genau diese Generation, die von Zuwanderern abstammte und sich weitgehend 18 oder komplett assimilierte und später eine Schlüsselrolle in der österreichischen Politik spielen soUte. Analog einer Studie aus dem Jahr 1965 Hefen 27 % der Telefonanschlüsse aus dem Wiener Telefonbuch auf tschechische Namen. Zu die ser Zeit war Franz Jonas österreichischer Präsident, er verfügte über Kenntnisse der tschechiscben Sprache. Genannt seien ferner Bruno Kreisky, Fred Sinowatz, der Wiener Polizeipräsident Joschi Holaubek, die Minister Erwin Lanc, Karl Blecha, Karl Sekanina, um nur einige zu nennen. 1992 folgte auf Präsident Waldheim nunmehr Thomas KlestU, dessen Name slowenischer oder tschechischer Herkunft ist. Während der 1990er Jahre regierten als Bundeskanzler Franz 22 Norbert Elias/John Scotson,Etablierte und Außenseiter,Frankfurt 1990. 23 AJbert Massiezek, Ich war Nazi. Faszination - Ernüchterung - Bruch. Ein Lehensbericht: Erster Teil(1916 — 1938), Wien 1988, S. 26ff.

|if Slaora nnli iilr ^nimlttif-^nslifllanfl. ? $uii;nif ©nitfc^fii irollrn s3nftufifif4(i;Jftettunt)! Slnr iiincfct Qbrr'')5iiüaft'f Scr miid)i »trapcii? imidjt goB^i- örUcii? ®ir iiiüdjrn'S! SIübpii iiiactifn'ö! Fremdenfeindlichkeit anno 1900- Tschechische Arbeiter werden als dumme, hässliche Tölpel dargestellt. 19 Vranitzky und Viktor Klima,beide aus ursprünglich tschechischen Familien stam mend. Hört man diese Liste von Namen und Funktionen, so steht außer Zweifel, dass es Nachkommen von Zuwanderern gelungen ist, in höchste Positionen der Republik Osterreich aufzusteigen. Daher wurde hier auch zu Recht der Begriff eines „republikanischen ErfolgsmodeDs" geprägt.

Karikatur zu einem Spezifikum der Ausländerfeindlichkeit: Viele Österreicher stammen in zweiter, dritter, vierter Generation aus Zuwandererfamilien. Es gibt aber auch irritierende Facetten des Erfolgsmodells: Assimilation, die im Sinne des Ebas'schen Theorems zur Ausgrenzung von Neuzuwanderern führt. Der sozialdemokratische Minister, unter dessen Federführung die österreichischen Zuwanderungsgesetze in den 1990er Jahren entscheidend verschärft wurden,hieß Franz Löschnak,seine Familie hat ihre Wurzeln in Böhmen. Durchgeführt wurde die Reform in erster Linie von Manfred Matzka, dem zuständigen Spitzenhürokraten. Der neue konservative Innenminister Ernst Strasser hatte ah dem Jahr 2000 nun seine eigene „rechte Hand" für Asylfragen, den Leiter der Sektion III 20 und dessen Name ist Wolf Szymanski. Und der langjährige KJuhohmann der frei heitlichen Parlamentsfraktion hatte seinen slawischen Namen Hojac in Westen thaler umgewandelt. Westenthaler wurde daher ein bevorzugtes Objekt seiner politischen Gegner, um den Widerspruch zwischen historischer Zuwanderungs wirklichkeit und aktueller Anti-Ausländer-Programmatik zu verdeutlichen. So äußerte etwa der Nationalratsahgeordnete Peter Püz in der parlamentarischen Dehatte um verpflichtende Deutschkurse für Ausländer: „In Österreich gelte offenbar, dass jemand, der nicht 'Zwangsdeutsch' lernt, abgeschoben werden könne. Wenn vor etlichen Generationen ein Gastarbeiter namens Hojac gemäß dieser IntegrationsVereinbarung behandelt worden wäre, dann gebe es heute kei nen Klubobmann Westenthaler. Man sollte sich daher in Erinnerung rufen, was Einwanderung für Osterreich - und auch für einzelne Mitgheder Ihrer Partei —

immer bedeutet hat bzw. bedeuten wird", meinte er in Richtnng der Freiheitbchen Partei.^' Die Freiheitliche Partei Österreichs realisierte in den 1990er Jahren in Wien einen Anstieg von 6 % auf mehr als 25 % der Wählerstimmen unter Ver wendung massiver fremdenfeindheher Wahlpropaganda, geführt von Rainer Pawkowicz,der Name des Wiener Politikers ist slawischer Herkunft. Schheßheh treffen wir auch im bürokratischen Apparat immer wieder auf Spitzenheamte, die offenbar einen familiären Zuwanderungshintergrnnd hatten und denen gleichzeitig Härte im Umgang mit Zuwanderern nachgesagt wurde, wie etwa Stefan Stortecky, Vorstand des fremdenpolizeUichen Büros der Bundespolizeidirektion Wien, oder Hans W. Sokop, den ehemaligen Leiter der Magistratsahteüung62(MA 62),der Anträgefür eine Familienzusammenführung von Türken zurückwies, „weil hei Menschen dieses Kultnrkreises eine Anpassung an mittel europäische Sitten kaum stattfindet" (Kopftuchhescheide). Schheßheh wurden auch Anträge „wegen drohender Überfremdung" abgelehnt." Und nun hat der znständige Minister im Jahr 2003 Christian Romanoski, der der freiheithchen Partei nahe stehen soU, zum neuen Leiter der sensiblen Asyl- und Betreuungs ahteilung des Innenministeriums berufen; er gilt als „Hardliner" wie Matzka und Stortecky." Alle hier genannten Personen können als voUständig assimihert gelten, in zweiter, dritter oder vierter Generation, als erfolgreich, weniger permissiv als restriktiv gegen ausländische Znwanderung eingestellt — ein Ergebnis nachhaltiger Assimilation? Es kann festgesteUt werden, dass einige Politiker, die noch in gewisser Weise Verhindnng zur Herkunftskultur ihrer Familien hielten oder halten, sich definitiv von fremdenfeindlichen Attitüden fernhielten. Dies gilt für den Langzeit-Kanzler der Repuhhk, Bruno Kreisky, ans einer jüdisch-mährischen Familie stammend, für den ehemaligen Bundeskanzler Fred Sinowatz aus hurgenländisch-kroatischer Famihe, der mehrfach das gleichnamige Dorf in Kroatien besuchte, den Ex Kanzler Franz Vranitzky, dessen Vater noch tschechisch beherrschte, und Ferdi nand Lacina,langjähriger sozialdemokratischer Finanzminister der Repuhhk,der in seinen Kinderjahren zu Hause tschechisch sprach,ebenso wie er tschechischen Sprachunterricht erhielt."Und Helmut Kukacka(Volkspartei)erklärte zumindest öffenthch, dass einer seiner Vorfahren ein tschechischer Zuwanderer gewesen sei und er nicht daran denke,seinen Namen zu ändern: Er war 1987 damit konfron tiert gewesen, dass sein damaliger Landesparteivorsitzender vor laufender Kamera geäußert hatte: „Der hätte das Zeug zum (oherösterreichischen) Landes- 21 hauptmann,wenn dem nicht sein unmöglicher Name entgegenstünde.""Immerhin bekennen sich heute in Österreich — vor allem in Wien-zwischen 5.000 und 10.000 Nachkommen tschechischer Zuwanderer im Rahmen einer amtlichen Nachfrage (Volkszählung) zum Gehrauch der tschechischen Sprache im Alltag." Hundert24 Vgl. Parlamentskorrespondenz Nr. 546 vom 9. Juli 2002. 25 Der Standard vom 16. Dezember 1998,S. 8. 26 Der Standard vom 22. Jänner 2003. 27 Vgl. dazu Michael John/All)ert Lichtblau, Die Entwicklung der tschechischen und slowakischen Minderheiten in Wien — Strukturmerkmale und Assimilationsfaktoren. In: SWS- Rundschau (Sozialwissenschaftliohe Studien gesellschaft), 31. Jahrgang, Heft 1/1991, S. 121ff. 28 Täglich alles vom 3. Dezember 1987,S. 18. 29 Schätzung basierend auf den Ergebnissen der Volkszählung 2001 (17.742 Personen mit tschechischer Umgangssprache, davon 11.035 Inländer).

ifn'iiST HfiTIS 800 Aktien- und Brsnchenfonüs Für Sie getestet HKTUELL Schüsseis Gehcimplnii zum Abfnngjägorkauf AUSBLICK Was 2003 für Bürso und Wirtschaft bringen wird EIN JAHR EURO Warum er doch zum Teuro wurcio Attila Dogudan,Do&Co Attila einem ZZ tausende Menschen hatten sieh allerdings im Laufe eines Jahrhunderts vollständig assimiliert, in einer Reihe von Fällen konnte man wohl bereits von Uheranpassung sprechen. Der Assimilationsdruck in Osterreich war in bestimmten Zeitphasen — nicht nur während der NS-Herrschaft — sehr nachhaltig gewesen. Hinzuweisen ist, dass sich neben dem republikanischen (sozialdemokratisch dominierten) Modell der Totalassimilation von Arbeitsmigranten mittlerweile neue Muster herauszubilden beginnen. Der Prozentanteil von Unternehmern auslän discher Herkunft bzw. ausländischer Staatsbürgerschaft ist im Steigen begrif fen. „Die Neuen Gründer" nannte eine Businesszeitschrift diese Unternehmer.™ Sie zeichnen sich häufig durch großen Einsatz und Aufstiegswillen aus. In beson derem Ausmaß trifft dies auf Migranten aus der Türkei zu. In einzelnen Wiener Stadtteilen existiert bereits ein eigenes wirtschaftliches Netzwerk, das von Supermärkten,Obsthandlungen bis zu Videoverleih und Kreditvermittlern reicht. Diese Unternehmer sind meist integriert, nicht aber übermäßig assimiliert. Dazu einige „amerikanisch" anmutendende Erfolgsgeschichten: 1997 wurde von dem führenden Wirtschaftsmagazin Österreichs, der Zeitschrift „trend", der Titel „Mann/Frau des Jahres", der besondere Unternehmerpersönlichkeiten würdigt, dem austro-türkischen Tourismusunternehmer Cem Kinay(Touropa/Gület)zuer kannt, 2002 erhielt ihn der international tätige Gastronomieunternehmer Attila Dogudan („Lauda Air", „Demel", Event-Catering etc.)." Hier ist auch Mirko Kovats zu nennen,der es vom kleinen Osthändler zum Industriellen schaffte: Nach 30 Jahren Tätigkeit besitzt der Millionär heute Anteile von Maschinenbau Emco, Hallein, Spielberger ATB,Austrian Energy und Grundig.™ Schliesshch sind auch Unternehmer bzw. Techniker und Ingenieure polnischer Herkunft zu erwähnen, die in der österreichischen Wirtschaft eine Rolle spielen. Erfolgreiche Migranten sind in der gegenwärtigen Leistungsgesellschaft kaum manifester Fremdenfeind lichkeit ausgesetzt, diese trifft in erster Linie einkommensschwache und diskrimi nierte Gruppen. Dogudan, Wiener Gastronom aus Istanbul, von Magazin zum Mann des Jahres 2002 gewählt. 30 ZB Zukunf'tsbranchen -Das Magazin für Branche,Beruf und Bildung,Mai 2002,S. 1. 31 trend. Das Wirtschaftsmagazin Österreichs, Heft 1/2003, S. 38ff. 32 trend. Das Wirtschaftsmagazin Österreichs, Heft 2/2003, S. 68f.

Kontinuität und Diskontinuität In Osterreich rekurriert die aktuelle Ausländerpolitik nur zu einem geringen Teil auf die historische AusgangsSituation in der Habsburgermonarchie. Die Arbeits migranten Österreich-Ungarns waren großteUs Inländer; sie lebten imter dem sog. Heimatrecht, das den Aufenthalt über die Reproduktionsphäre regelte. Ausländerbeschäftigungsgesetze gab es damals nicht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden hunderttausende Einwohner in der Ersten Republik zu Ausländern. Sieht man von der Zeit des Ersten Weltkriegs ab, entstand auf breiter pohtischer, sozialer und ökonomischer Ebene erstmals eine „Ausländerfrage". Die Parla mentsparteien einigten sich mit den Arheitnehmervertretern im Jahr 1925 auf das restriktive Inlandarbeiterschutzgesetz, das den Zugang ausländischer Arbeits kräfte regelte. In der Praxis waren die Auswirkungen aber gering. Für jene Arbeitskräfte die dennoch nach Österreich kamen(z.B. Ernte- und Saisonarbeiter aus der Slowakei, Ungarn, Kroatien) bestanden nämlich Sonderregelungen. In Österreich als Teil des Dritten Reichs lief die Entwicklung in eine andere Richtung. Arbeitsmigration wurde nunmehr abgelöst von Formen der Zwangsmigration: Zwangsarbeit, Vertreibung, Deportation usw. Große Menschenmassen von Frem den kamen während der NS- Zeit ins Land, das Verhältnis zu ihnen wurde aller dings von extremen Hierarchien und eigenen aus dem Deutschen Reich über nommenen Gesetzen bestimmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der nächste Bruch: Zuerst kamen hun derttausende Volksdeutsche Vertriebene und zehntausende andere „Displaced Persons", dann folgten die Gastarbeiter. Mit dem (vorläufigen) Ende Mitteleuro pas durch NS-Herrschaft,Stahnismus,Eisernen Vorhang und Kalten Krieg waren die wesentlichen Komponenten der traditionellen Migration, an die die öster reichische Bevölkerung gewöhnt war, zu Ende: Tschechen, Juden, Itahener u.a. wurden abgelöst von Bosniern, Serben, Mazedoniern aus Jugoslawien sowie von türkischen Zuwanderern,die als massenhaftes Phänomen ein Novum in der öster reichischen Migrationslandschaft darstellten. Schheßhch kamen ab den siebziger Jahren immer mehr Zuwanderer aus der sog. „Dritten Welt". Auch als nach 1989 in Ansätzen von einer „neuen Zuwanderung aus Ostmitteleuropa" gesprochen wer den kann, weisen jene Gruppen, die die weitaus stärksten darstellen, nämlich Polen und Rumänen, kaum eine lange Kontinuität der Österreich-Zuwanderung auf. Ferner lassen sich hinsichtlich der Aufnahme von Migranten Laissez-faire 23 und Restriktionspolitiken in abwechselnder Reihenfolge unterscheiden. Mit dem Eintritt in den EWR und die EU veränderten sich für Österreich die Ausgangs positionen in Migrationsangelegenheiten erneut und mit den nächsten Erwei terungen der Europäischen Union werden diese sich weiter verändern. Die zu nehmende Transnationalisierung der Wirtschaft weist zudem auch über diesen Rahmen hinaus und legt überdies den Schluß nahe, dass die Verantwortung für die neuen Migrationsbewegungen nicht ausschheßlich hei den Zuwanderern zu suchen ist.^' 33 Saskia Sassen, Einwanderungspolitik heute. In: Dazugehören? Fremdenfeindlichkeit - Migration — Integration. Sonderband der Schriftenreihe Informationen zur Politischen Bildung, Wien 2001,S. 53.

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