Jahresbericht Lyzeum Steyr 1914/15

A. Zun Geschichte der Anstalt. Mit dem Schuljahre 1914/15 vollendete das Mädchenlyzeum in Steyr das erste halbe Jahrzehnt seines Bestandes. Als sich am Schlusse des vergangenen Schuljahres hinter den Schülerinnen, die ferienfroh von dannen zogen, die Tore der Anstalt schlossen, da herrschte allent¬ halben noch Friede, wenn auch durch die fürchterliche Mordtat von Sarajewo die Gemüter auf das tiefste erschüttert waren. Daß wir aber inmitten des größten aller Kriege, die das Vaterland je auszukämpfen hatte, stehen würden, wenn sich die Pforten des Hauses der frohen Schar wieder öffneten, das hätte niemand gedacht. In mannigfacher Weise verspürte auch das Steyrer Mädchenlyzeum den Ernst der Zeit gleich zu Beginn des neuen Schuljahres. Einige Schülerinnen kehrten nicht wieder und auch in den Räumen, die der Anstalt von der Stadt¬ gemeinde zur Verfügung stehen, erfuhren wir eine Einschränkung, die allerdings nicht allzusehr ins Gewicht fiel. Es war ein Teil des Hauses militärischen Zwecken vorbehalten worden, ohne daß hiedurch irgend eine Störung des Unterrichtsbetriebes zu bemerken war. Schon während der Ferienmonate hatte sich ein Großteil der Schülerinnen in der aufopferndsten Weise der Kriegsfürsorge zur Ver¬ fügung gestellt und durch Wäschenähen für die Soldaten im Felde und für die Verwundeten sich betätigt. Diese Tätigkeit wurde auch nach Beginn des Schuljahres, der programmgemäß am 18. September er¬ folgen konnte, in den Handarbeitsstunden und daheim fortgesetzt, so daß die Schülerinnen der Anstalt das Bewußtsein, nach Kräften an dem ungeheueren Werke mitgewirkt zu haben, mit sich nehmen können. Auch in der verschiedensten anderen Art suchten dieselben ihrem guten Eifer, zu helfen und zu lindern, wo es anging, Ausdruck zu verleihen. Sie veranstalteten mit Erlaubnis des Lehrkörpers zu verschiedenen Gelegen¬ heiten Sammlungen für das Rote Kreuz, insbesondere damals, als durch ein tragisches Geschick die allseits beliebte Lehrerin, Frl. Lackner, durch den Tod der Anstalt entrissen wurde. So dürfte diese große, erhabene Zeit auch an der weiblichen Jugend nicht ohne bedeutenden Eindruck vorübergegangen sein; denn wie die vielen kleinen Spenden, die die Schülerinnen von ihrem oft recht geringen Taschengelde für die Zwecke der Kriegsfürsorge widmeten, zeigen, waren sie bestrebt, nach Kräften an

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