Eisen- und Stahlschnitt

Bundesgewerbeschule Steyr in Verbindung mit der Lehrwerkstätte, in der sich die Schüler vornehmlich mit der Herstellung von Gesenken beschäftigen. Eine Reihe sorgfältig aus gewählter theoretischer Gegenstände ergänzen den Lehrplan. Der Laie macht sich kaum eine genaue Vorstellung, woran überall die Arbeit des Graveurs beteiligt ist. Von den Farbdruckwalzen des Zimmermalers und Stoffdruckereien angefangen, den Preßformen für Kunststoffe, Gummi und Glas, den Kernen und Gesenken für Bestecke und Schmuck,biszu den Frägestöckeh des Geldes,der Medaillen und Abzeichenund die gravierten Plattenfür Marken und Banknoten erstrecktsich die Arbeit des Graveurs. — Es ist begreif lich, daß bei der enormen Weite des Arbeitsgebietes und der Kürze der Ausbildungszeit nur jene Grundlagen geschaffen werden können, die es dem Absolventen ermöglichen, sich draußen in der Praxis rasch in das ihm zukommende Spezialgebiet einzuarbeiten. Die Technik ist ein Kind der Mathematik und der Naturwissenschaften, meßbar an ihren Formen sind nur die Ebene,der Zylinder,der Kegel und die Kugel. Alle anderen Formgebungen beruhen auf Wertschätzungen des In stinkts. Die Wiedererweckung des Formgefühls wird daher immer mehr eine Notwendigkeit unserer Zeit. So ist es durchaus kein Widerspruch, wenn der Schüler vormittag an seinem Schraubenschlüsselgesenk arbeitet und sich an der einfachen,eleganten Zweckform erfreut, nachmittag aber nach der Natur ein Bildnis in Stahl schneidet, sofern seine Begabung dies ermöglicht. Auch die künstlerische Arbeit hat ihre Gesetze in bezug auf Statik, Festigkeit und Logik. Der Techniker von heute soll nie vergessen, daß einst Leonardo seine Geräte, Wehr- und Wasserbauten mit der gleichen Sachlichkeit entwarf wie die Tektonik seiner Gemälde, das Statuarische seines Reiterstandbildes oder die Mechanik und Hebelwirkung bei Bewegungen des menschlichen Körpers. Die Gegenstände und Instrumente des täglichenBedarfes,einstErzeugnisse des individuellen Handwerkers, sind heute Produkte des Fließbandes geworden. All diese Dinge ihrer kalten, trockenen Technisierung zu entkleiden, ist die Hauptaufgabe des neuen Kunsthandwerks, eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit überhaupt." Prof. Friedrich Schatzl, ein Schüler von Reg.-Rat Prof. Hans Gerstmayr und Prof. Eugen Mayer (Wien), sagt in dem Aufsatz „Lebendiges Metall — M 15 schöpferische Form" über seine Lehrtätigkeit*: „Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was das griechische Wort ,techne' bedeutet? Es ist die gemeinsame Bezeichnung für Arbeit und Kunst! Die Griechen erkannten die Wesensgemeinschaft und die Zusammengehörigkeit dieses Doppelbegriffes, dem nur zum Schein zweierlei Bedeutung zukommt. 70

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