Eisen- und Stahlschnitt

FRANZ X. M. LUG MAYER/ EISEN- UND STAHLSCHNITT

FRANZ X. M. LUGMAYER EISEN-· UND STAHLSCHNITT DER EISENSCHNITT VON DER ANTIKE BIS ZUM VERFALL ENDE DES 18. JAHRHUNDERTS UND DIE WIEDERBELEBUNG DER STAHLS CHNITTKUNST IN UNSERER ZEIT OBERÖSTERREICHISCHER LANDESVERLAG LINZ

I NHALT Copyright ® 1959 by Oberösterreichischer Landesverlag Verlagsnummer 67 Schutzumschlag Hedi Plaimauer Einbandvignette Friedrich Mayr Typographie Herbert Erich Baumert Gesamtherstellung Oberösterreichischer Landesverlag Linz a. d. Donau

über die Technik des Stahlschnittes / Prof. Hans Gerstmayr Der Künstler und sein Werk EISENSCHNITTKUNST Antike Mittelalter Das 16. und 17.Jahrhundert Der Eisenschnitt in Steyr im 16. und 17.Jahrhundert Meisterwerke des Eisenschnittes im 17. und 18.Jahrhundert DIE WIEDERERWECKUNG DER STAHLSCHNITTKUNST IN STEJYR Die Entstehung und Entwicklung der Bundesgewerbe schule für Eisen- und Stahlbearbeitung in Steyr Gustav Ritzinger, der Lehrer Michael Blümelhubers Professor Leo Zimpel Meister Michael Blümelhuber Regierungsrat Professor Hans Gerstmayr Der Stahlschnittkünstler Ferdinand Anders Akad. Bildhauer Hans Kröll Franz Xaver Ledl Akad. Medailleur Hans Köttenstorfer Josef Roithinger Georg Schwediauer Akad. Metallplastiker Hans Angerbauer Bundesgewerbeschule Steyr, Fachschule für Stahlund Stanzenschnitt, Gravieren und Metalltreiben unter der Leitung der Professoren Karl Krepcik und Fritz Schatzl Die Stahlplastik der Gegenwart Friedrich Mayr Die Stahlschnittkunst im Rahmen der Lehrwerkstätte in der VÖEST,Leitung Akad. Metallplastiker Helmut Gsöllpointner Richard Müller 7 9 15 15 16 19 21 29 29 31 32 53 61 62 63 64 64 65 65 67 71 73 81 85 STAHLSCHNITT AN DER BILDENDEN KÜNSTE IN AKADEMIE WIEN DER Ferdinand Welz Andere bekannte österreichische Medailleure DIE STAHLSCHNITTKUNST IN DEUTSCHLAND, IN DER UdSSR UND ARBEITEN AUS SCHWEDEN Literaturverzeichnis (Quellen und Mitteilungen) Verweisungen (Namen- und Sachverzeichnis) Verzeichnis der Abbildungen / Bildnachweis 87 88 89 91 97 101

ÜBER DIE TECHNIK DES STAHLSCHNITTES Diefolgenden Zeilen wenden sich nicht an den Fachmann,sondern sollen dem Laien einige Fragen beantworten, die er bei der Betrachtung von Stahlschnitt arbeiten stellen mag;sie beschränken sich aufGrundlegendes. Die Tatsache,daß sich Stahl äußerst fein bearbeiten läßt, erklärt sich aus dem Umstand, daß jedes Stahlwerkstück ungehärtet ist, während die Werkzeuge, mit denen der Stahlschnitt ausgeführt wird, aus gehärtetem Stahl gefertigt sind.DasHärten dieser Werkzeugegeschiehtso,daß sie zuerst geglüht und dann in glühendem Zustand in Wasser oder Öl getaucht werden. Dem Stahlschnittmeister steht eine Reihe von Werkzeugen zur Verfügung: Meißel, Punzen, Nadelfeilen, Riffelfeilen, Gravierstichel und Bohrer. Die Meißel sind 15 bis 20 cm lange Stahlstäbe verschiedener Form und Größe; sie sind an einem Ende mit Schneideflächen ausgestattet, die ab und zu bloß die Größe einer Nadelspitze haben. Mit den Meißeln wird das Material in kleinen Spänen ausdem Werkstück herausgearbeitet. Die Punzen,12 bis15cm lange Stahlstäbe verschiedener Stärke und Form,dienen im wesentlichen zum Glätten der mit Meißeln und Sticheln herausgearbeiteten Formen. Nadel feilen, Riffelfeilen und Gravierstichel werden mit wenigen Ausnahmen nur fabrikmäßig hergestellt und in der Stahlschnitt-Technik zur Verfeinerung ge wonnener Formen verwendet. Der Arbeitsvorgang bei einem Stahlschnitt sei an Hand einesJagdmessers dar gestellt: Zuerst wird die grobe Form des Messers aus einer etwa 4 cm dicken Stahlstange geschmiedet, die Klinge grob ausgestreckt und der Griff an der Drehbank nach der vorbereiteten Werkzeichnung umrißhaft geformt. Wäh rend bei nicht rostfreiem Stahl die Zeichnung mit säurefestem Lack auf die bereits fein gedrehte Umrißform des Jagdmessers übertragen und dann ein geätzt werden kann,ist es bei rostfreiem Stahl notwendig, die Zeichnung mit dem Gravierstichel oder dem Trassierpunzen in das Werkstück einzuarbeiten. Nachdem diese Vorarbeiten ausgeführt sind, werden der vorliegenden Zeich nung entsprechend Löcher in das Werkstück gebohrt. Dazu wird heute fast ausschließlich eine Bohrmaschine verwendet. Ein altes,jedoch sehr bewährtes Bohrinstrument, das Meister Blümelhuber und auch ich noch verwendeten, ist die sogenannte Brustleier. Es handelt sich dabei um einen Handapparat, in den selbst angefertigte Schneidbohrer eingesetzt werden und der den großen Vorteil besitzt, sich mit Gefühl handhaben zu lassen. Eine Bohrmaschine mit Spiralbohrerverwendung erlaubt zwar ein schnelleres Arbeiten, läßt aber eine

über die Technik des Stahlschnittes genaue Kontrolle des Bohrvorganges nicht zu. Nach dem Bohren wird mit Meißeln in das Innere des Messers gearbeitet, wobei zuerst bei den größeren, dann bei den kleineren Bohrlöchern angesetzt wird. Damit ist die Arbeit bereits in das Stadium des Modellierens der Form getreten. Es wird grund sätzlich zunächst mitden größeren,dann mitden kleineren Meißeln gearbeitet, die jeweils auf die notwendige Form und Stärke zugeschliffen oder auch neu angefertigt werden.Die durch das Meißeln erzielten Formen werden dann mit Hilfe der Stichel verfeinert, wobei es sich meistum ein Schneiden bzw.Schaben handelt. Nun kommen Nadel und Riffelfeilen zum Einsatz, deren Aufgabe es ist, den vorhandenen Formen nochmals ein größeres Maß an Feinheit zu geben. Schließlich werden die Oberflächen mit verschiedenen Punzen ge glättet und modelliert und mit kleinen Ölsteinsplittern und Schmirgelholz ge schliffen und poliert. Die Klinge des Jagdmessers wird dann gehärtet, ge schliffen und ebenfalls poliert. Dieser Vorgang ist bei allen Stahlschnittarbeiten grundlegend derselbe. Bei Stahlschmuck, wie z. B. bei Anhängern, Broschen oder Armbändern, bei denen die als Material verwendete Stahlplatte nichtzu stark ist, kann zur Vor formung der Umrisse die Metall-Laubsäge angewendet werden. Da es rostfreien Stahl noch nicht sehr lange gibt, wurden ältere Stahlschnitt arbeiten aus nicht rostfreiem Stahl, meist Böhlerstahl, Kapfenberg, gefertigt. Bei diesem Stahl bildet sich nach dem Glühen und Abkühlen im Ölbade eine dunkle Oxydationsschichte.Dadurch,daß die hervortretenden oder erhabenen Formen solcher Stahlschnittarbeiten durch Abreiben und Polieren von dieser Schicht befreit wurden, erhielten sie dank des erzielten Helligkeitsunterschie des eine äußerst plastische Wirkung. Rostfreier Stahl läßt sich nicht so oxydieren. Glanzwirkung läßt sich hier in erster Linie durch Polieren erzielen. Prof. Hans Gerstmayr Randanmerkungen: Durch Q, mit folgender Ziffer wird auf die Angaben im Quellenverzeichnis (Seite 91ff)j durch M mit folgender Ziffer auf die Angaben im Mitteilungsverzeichnis (S. 96) verwiesen. 8

DER KÜNSTLER UND SEIN WERK Wirkennen Kunst in Stein gehauen, aus Holz geschnitzt,in Bronze gegossen, mit Farbe und Pinsel auf die Leinwand geworfen, in leuchtende Fenster ge bannt, aus edlen Metallen getrieben und mit Edelsteinen geziert. Ungewöhn lich erscheint es uns, daß Kunst in harten Stahl geschnitten sein kann. Und doch ist es so, wenn auch nur einige ungewöhnliche Werke Zeugnis davon geben. So soll uns die seltene Kunst des Stahlschnittes ein Anlaß zur Besinnung über die Ästhetik sein. Einige grundlegende Hinweise darüber finden wir in dem Buch „Philosophie der Person"*.Es heißt dort: „Das Wort(Ästhetik) bedeutet Q,47 eigentlich Sinneswahrnehmung und hat besonders seit Schiller den Sinn er halten: Die Lehre vom Schönen. Bekanntist die kurzeBegriffsbestimmungvon Thomas: pulchra sunt quae visa placent: Schön ist, was im Schauen gefällt. An einer anderen Stelle sieht Thomas das Wesen der Schönheit im splendor formae,im Leuchten der Form. Wir beziehen den Ausdruck,schön'vorallem aufVorstellungen aus dem Gesichtssinn und dem Gehörsinn. Wir bezeichnen demnach als schön die mannigfaltige Färbung des herbstlichen Waldes, ein Gemälde, eine Stadtanlage, ein Tonstück." „Es ist nicht leicht, den Begriff ,schön'alseinenErkenntnisbegriffvon einem rein seelischen Begriffabzuheben. Wenn wir die erstangeführte BegriffsbestimmungvonThomasdaraufhin unter suchen, würden wir sagen: Sie ist rein psychologisch, denn der Ausdruck ,gefallen' bezeichnet zunächst nichts weiter alseine Lustempfindung, ein Ge fühl.Es gehörte dann die Lehre vom Schönen eher in die Psychologie als in die Erkenntnislehre. Allerdings sprechen wir auch von der Lösung einer mathe matischen Aufgabe als schön,und wir meinen dann nicht etwa,daß die Lösung beim Lösenden Lustgefühle erweckt, sondern wir meinen, daß die Lösung ein besonderes Ordnungsgefüge aufweist. In diesem Fall treten also Sinnesempfindungen durchaus zurück, und in den Vordergrund tritt das, was wir Ordnung, eine Einheit in der Vielheit, bezeichnen. Ein ge wisser Gefühlsbestand ist aber immer noch gegeben. Denn wenn wir die Lösung einer mathematischen Aufgabe als schön bezeichnen,so verbindet sich damit das Gefallen, also ein Lustgefühl." Wir können also sagen: „Wir verwenden den Begriff,schön'bald mehr in Hinsicht auf Reize der Umwelt, die in uns Lustgefühle auslösen, bald mehr in Hinsicht auf die Erfassung einer Ordnung." Was ist nun die Aufgabe des Künstlers: „Erstens die Herausarbeitung einer Einheit in der Vielheit, also

Der Künstler und sein Werk einer Ordnung, zweitens aber die Veranschaulichung sowohl der Einheit als der Vielheit dadurch, daß unser Vorstellungsleben bis zur Anschaulichkeit angeregt und unser Gefühlsleben in Schwingung gebracht wird. Schönheit ist also in diesem Fall veranschaulichte Ordnung." „Dabei dürfen wir den Ausdruck ,anschaulich' nicht nur auf das Vorstellungsleben beziehen. Ein Kunstwerk ist um so anschaulicher,je stärker es in unser Gesamtbewußtsein eingreift, also vor allem auch in unser Gefühlsleben." „Wir bezeichnen als unschön oder häßlich vor allem eine Störung in der Ordnung."„Es gibt eine ganze Reihe von Ausdrücken, die sozusagen Grade des Schönen darstellen; Zierlich, anmutig, lieblich, niedlich, herrlich, erhaben, prächtig, hübsch, reizend, entzückend, bezaubernd, berückend, bestrickend,schmuck, nett,sau ber, stattlich, hehr, blühend, strahlend, blendend, vollendet. In diesen Aus drücken haben wir bald mehr die Betonung des Reizes, der zu Lustgefühlen führt, so besonders deutlich in den Worten reizend, berückend, bestrickend, bald mehr die Betonung der Ordnung,so etwa in den Ausdrücken hehr, herr lich, erhaben." Mit dieser Zergliederung des Wortes Ästhetik können wir an die Betrachtung aller Kunstwerke herantreten. Hinterjedem Kunstwerk steht eine Persönlich keit. — Wann haben wir es nun mit einer künstlerischen Persönlichkeitzu tun? — Esist Aufgabejeder menschlichen Person,aus Anlagen,diejedem Menschen mitgegeben sind, im Zusammenwirken mit der Umwelt eine geschlossene Ordnung aufzubauen,die Vielheit in eine Einheitzu bringen, eine Persönlich keit zu gestalten. Als Personen sind alle Menschen gleich, als Persönlichkeiten aber sind sie verschieden. Die Person, die erkennt, unterscheidet und ent scheidet, ist es, die aus Vorstellungsreihen, Empfindungen, Gefühlen und Sonderbegriffen eine Einheit aufbaut. Die seelische Veranlagung unterbreitet dem Geist die Vielheit, den Reichtum an Einzelheiten für sein Ordnen. Die sinnfällige Wiedergabe der erkannten Ordnung ist das Kunstwerk.Es ist sicher eine bedeutende Kunst,Naturerscheinungen sinnfällig wiederzugeben. Größer aber ist die Kunst,wo der Geist, die Person in der eigenen seelischen Erschei nungswelt, den Vorstellungen und Stimmungen, eine freie Ordnung aufbaut und dann diese in der Außenwelt zur Darstellung bringt. In einem Aufsatz Q,69 über Picasso sagt Prof. Dr.Otto Stelzer*: „Seit vierhundert Jahren war aller Fleiß darauf gerichtet, im Bilde die Wirklichkeit nachzuahmen. Den meisten Ruhm erntete der Maler beim Publikum, wenn er eine Fliege so ,täuschend' auf einen Apfel malen konnte, daß man sie wegzujagen versuchte Die Photographie kam auf und konnte das auch. Die Künstler waren es leid ge worden, weiterhin Augenwirklichkeiten vorzuspiegeln, Raum vorzutäuschen, wo doch in Wirklichkeit nur ebene Leinwandfläche war." Das Bild des „Friedens" (Vogelkäflg — Fische — Aquarium) von Picasso ist ein gutes 10

Der Künstler und sein Werk Beispiel für die Darstellung eines Ordnungsgefüges, eines Sinnbildes. In aller Regel sind bei symbolischen Darstellungen Erklärungen notwendig. Die Er gebnisse der Wissenschaft machen die Wirklichkeit immer unanschaulicher. So konnte Univ.-Prof. Dr. Leo Gabriel in einem Vortrag sagen; „Die Ent deckung der Grundwirklichkeit ist der Hintergrund der abstrakten, ungegen ständlichen Kunst.Das Unaussprechliche aussagen ist die Aufgabe des moder nen Künstlers." So scheint es, daß es an der Zeit ist, auch die Kunst an eine wirkliche Seinslehre anzuschließen, nicht an irgend welchen Traditionalismus. Wir können heute folgende Wirklichkeiten feststellen*: „1. Die Wirklichkeit Q.47 der Erscheinungswelt. Wir nennen sie auch Natur, Weltall, Kosmos, Univer sum. 2. Die Wirklichkeit der Person: Jede Person ist eine Wirklichkeit. Wir nennen sie auch Ich, Geist, Geistwesen. 3. Die Wirklichkeit des höchsten We sens. Wir nennen es in der deutschen Sprache gewöhnlich Gott." In der Schriftenreihe „Tribüne der Kunst und Zeit" erschien bereits 1920 Paul Klees erste theoretische Veröffentlichung „Schöpferische Konfession". Die Grundformel seiner ästhetischen Auffassung lautet: „Kunst gibt nicht Sichtbares wieder, sondern macht sichtbar." Später kommt Klee aufdie ver änderte Sehweise des Künstlers unserer Zeit zu sprechen: „Früher schilderte man Dinge, die auf der Erde zu sehen waren, die man gern sah oder gern gesehen hätte.Jetzt wird die Realität der sichtbaren Dinge offenbar gemacht und dabei das Sichtbare im Verhältnis zum Weltganzen nur isoliertes Bei spiel ist und daß andere Wahrheiten latent in der Überzahl sind"*. Q,40 In der Stahlschnittkunst der letzten 50 Jahre finden wir eine Reihe von reli giösen Werken. Sie sind sinnbildliche Ordnungsgefüge für die höchste Wirk lichkeit: Gott. Über die Aufgabe der religiösen Kunst schrieb Otto Mauer in der Zeitschrift „Das Münster"*: „Im Rahmen des Christentums erhebt sich Q.51 das Problem, ob sakrale Kunst überhaupt möglich sei, ob nicht die Religion des Kreuzes jeden Versuch der Symbiose zwischen dem Sinnfälligen und Dämonischen der Kunst mit der Religion des unsichtbaren und allheiligen Gottes ablehnen müsse; ob Christentum nicht so sehr dem kommenden Reich Gottes, um das täglich in der Messe gebetet wird,zugewendet sei, als daß es sich mit der Welt der Zeichen und Bilder beschäftigen könne, die doch höchstens nur Schatten der Künftigen sein können und die Gefahr eines Anthropomorphismus in sich schließen. Gewiß,das Problem bestehtzu Recht. Aber es gibt eine Welt der Bilder und Gleichnisse,die davon ausgeht, daß der göttliche Sohn selbstIKONE des Vaters ist und dieses geistigste, weil gott gleiche Wort ,Fleisch' geworden ist, so daß es den Satz prägen konnte:,Wer mich sieht, sieht den Vater.' Bild, weil niemals naturalistische Nachbildung, sondern Sinnbild und Parabel, ist hier imstande, transzendierend Unsicht bares,Übernatürlicheszu bedeuten.Der Logos hat Menschengesichtangenom11

Der Künstler und sein Werk men, und dieses Antlitz ist zur Rechtfertigung der Kunst überhaupt und zum Auftrag für eine sakrale Kunst geworden und diese gleicht in etwa,ein wahres Analogen,dem Sakrament selbst, das unter sinnfälliger Hülle die Gnade ver birgt und vermittelt. Sakrale Kunst wird noch in der Katakombe in Wort und Geste des Priesters enthalten sein, solange der Kult besteht. In diesem Sinne liegen hier nicht nur Kunstwerke,Gebilde aus Menschenhand und Menschen geist vor, sondern Schöpfungen, an denen der andere, der Geist von oben teilhat, der alle Dämonen verscheucht und die Kreatur zur Freiheit eines Schaffens reinigt, das die Schöpfung vollendet und zum Gleichnis der Erlösung wird. Hier liegen christliche Zeugnisse vor und ihre Sprache ist, weil geistlich, höchst zeitgerecht. Sie weisen die Künste aufjenes höchste Gebot hin, das zu füllen sie die Ehre haben: Glanz der Wahrheit, Abglanz des Antlitzes dessen zu sein, der war und der ist und der kommen wird." Oskar Kokoschka sagt in seinen Bemerkungen zum Kunstunterricht (1953): „Die Aufgabe des bildenden Künstlers ist auch nicht, in fatalistischer Haltung dem Schicksal zu überlassen, daß die menschliche Welt zum Chaos der Gegenstandslosigkeit, eine menschenlose Öde wird. Der schaffende Künstler ist berufen, die Einsicht in den Sinn menschlicher Tätigkeit, Gestaltung zu wahren ..." Q,115 Über das Wesen der wahren Kunst sagt Michael Blümelhuber*: „Ohne die geheimnisvollen Spuren wahrhafter Seelenregung gibt es kein rechtes Kunst werk. Was ohne diese entsteht, würde immer ärmer werden an geistig Erhe bendem;es würdearm an Lebensfreude,seelenarm und seelenlos. Gottbewahre uns vor einer solchen immer wahrheits- und schönheitsärmer werdenden Kunst. Sie würde uns anstarren mit dem ganzen inneren Jammer dessen, der das Werk schuf. Der Inhalt jedes Kunstwerkes muß letztes freudiges Seelen geheimnis sein, die große Liebe, ein reiner Schimmer des unerforschlicheu, tröstenden, erquickenden und erlösenden Weltbeglückens. Sein Abglanz muß noch nach Jahrhunderten dem Empfänglichen einen glücklichen Augenblick vermitteln: »Einen schönen Gruß vom Himmel«."Im Vorwort der Biographie Blümelhubers von Prof. Sterlicke schreibt Univ.-Prof. Oswald Redlich über Q,70 den Sinn der Stahlschnittkunst*: „Eisen und Stahl — sonst Sinnbild harter Gewalt — wird in derHand desKünstlerszum herrlichen Symbol der Machtdes Geistes über den Stoff. Mein Volk, so tönt das Wort des Meisters aus seinem Werke,erhebe dich aus den Niederungen des Hastens nach materiellen Gütern zur lichten Höhe eines Lebens des Geistes und der Liebe." Zusammenfassend können wir sagen: Die Stahlschnittkunst eignet sich sowohl für die Darstellung von Ordnungsgefügen als auch für die rein dekorative, naturalistische Formgebung. Die naturalistische Darstellung ist besonders bei Negativschnitten bei Prägestempeln (Porträt) notwendig. 12

Der Künstler und sein Werk Beijedem Kunstwerk,das hier in Bild und Wort vorliegt,können wir die Frage stellen, ob wir aus uns heraus imstande wären. Eisen oder Stahl ebenso ein prägsam zu gestalten. In aller Regel werden wir bei genügend Selbstkenntnis mit nein antworten. Wir spüren, daß wir es hier mit künstlerischen Persön lichkeiten zu tun haben.Jeder Künstler hatte dasselbe Mittel. Jeder hat den Stahl in eigener Art gehandhabt, hat den Stoffin eigener Art geformt.Jeder dieser Künstler hat gleichsam dem vorhandenen Stoff sein eigenes Bild auf geprägt.Je schärfer dieses Bild ist, desto höher schätzen wir die künstlerische Kraft. Willi Baumeister sagt einmal ganz richtig: „Der Mensch und der Künstler gleicht einem Radfahrer: Wenn er anhält, so fällt er um!" Er will offenbar sagen,daß die Begabung allein es eben nicht tut. Die Kunst setzt die Arbeit am Stoff voraus. Ein Künstler ist erst der, der an seiner Kunst gear beitet hat. — Jede Fremderziehung hat die Selbsterziehung zum Ziel, jede Fremderziehung ist Hilfe an der Selbsterziehung oder soll es sein, sonst artet sie in Dressur aus.So kann auchjede Kunsterziehung in Bildungsanstalten nur eine Bildungshilfe darstellen, eine Bildungshilfe im Dienst der menschlichen Person, die sich bilden will. Ja, der Schüler muß sich bilden lassen wollen. Jeder Schüler, der das nicht einsehen will, der gleicht einem Wanderer in finsterer Nacht auf engem Weg, der lieber in Kauf nimmt, die Böschung hinabzufallen und sich das Genick zu brechen, als die Taschenlampe eines Freundes zu benutzen, und dies nur deshalb, weil diese Lampe nicht ihm selbst gehört. Und es kann aberjemand beim größten Meister in die Schule gegangen sein, wenn er selbst nichts geleistet, wird die Geschichte der Kunst über ihn nichts zu erzählen haben. Die Größe eines Künstlers hängt letzten Endes lediglich von seinem Schaffen ab. Nur die Leistung entscheidet für seine Größe. Die Frage, wie er zu dieser Leistung gekommen ist, ist für seine Lebensgeschichte oder für die Geschichte der Kunst von Belang, nicht aber für die Leistung selbst. Der Sinn des Dichterwortes „Höchstes Glück der Erdenkinder ist nur diePersönlichkeit"liegt darin,wenn es einerPerson gelingt,die eigenen mensch lichen Anlagen mit der Umwelt in möglichste Übereinstimmung zu bringen. Wennjemand starke künstlerische Anlagen hat,so wird er sich dann glücklich fühlen, wenn er Gelegenheit hat, diese Anlagen in Leistungen, Werke umzu setzen, und wenn er für seine Leistung auch die Wertung seiner Mitmenschen findet. Unterrichtsminister Dr. Felix Hurdes erklärte bei einer Tagung der UNESCO im Auditorium Maximum der Wiener Universität. „Es darf nicht mehr vorkommen, daß man das Schaffen und Mahnen der Künstler als Träumereien hinstellt, die höchstens geeignet sind für stille Stunden im Ofen winkel, nicht aber für die Wirklichkeit des Lebens. Im Gegenteil, sie sollen uns wieder Wegweiser sein und bleiben." 13

Der Künstler und sein Werk In der Regel können Leistungen zeitgenössischer Künstler wohl einer sub jektiven Meinung, aber noch keinem objektiven Urteil unterworfen werden. So gewinnt die Stahlschnittkunst und die Veröffentlichung der wichtig sten Werke auf diesem Gebiet in einer Zeit, in der die Maschine ihre Triumphe zu feiern scheint, eine volksbildnerische Bedeutung. Die Griechen hatten für Arbeit und Kunst das gemeinsame Wort „techne". Sie erkannten offenbar die Zusammengehörigkeit dieser Begriffe. Dies soll uns in der Gegen wart ein Fingerzeig sein. Es ist daher erfreulich, daß wir in Österreich an der Bundesgewerbeschule in Steyr eine eigene Fachschule für die künstlerische Gestaltung des Stahls haben. Eine günstige volksbildnerische Einrichtung ist sicher auch der Fachlehrgang für künstlerische Metallgestaltung und Stahl schnitt im Rahmen der Lehrwerkstätte der VÖEST in Linz. Damit helfen wir mit, daß der Stahl auch in Zukunft nicht nur der Maschinenindustrie, sondern auch den höheren Werten der Ästhetik und Methaphysik dient. 14

EISENSCHNITTKUNST Antike Der Eisenschnitt reicht bis in die ältesten Ansätze der Kultur zurück. Die Blütezeit des Eisenschnittes in der Antike bewegte sich ausschließlich im Ober flächendekor. Man drang wenig in den Stoff ein. Es handelte sich um ge hämmerte Platten, die durch Treibarbeit von der Rückseite her belebt wur den. Mit dem künstlerischen F'ortschritt der Schulung des Schönheitssinnes wuchs auch die Triebkraft, den technologischen Wert des Materials zu stei gern. Die wunderschönen Mythen, Sagen und Gesänge rühmen die künst lerische Gestaltung ihrer Waffen und Rüstungen. Der Damaszenerstahl war für Waffen gut, ließ aber wegen seines ungleichen Kohlenstoffgehaltes für Eisenschnitt noch manches übrig. Auf einem Relief, das sich im Britischen Museum befindet, sind zwei ägyptische Schmiede dargestellt, welche die Welt mit einer Handvoll Eisen beschenken. Das norische Eisen unserer Heimat erreichte schon hohe Stahlqualitäten und wurde in den Zentren der klassischen Kultur, auch als Eisenschnitt, hoch entwickelt*. Q_ 6 Mittelalter Mitdem Untergang des Weströmischen Reiches,in dem zuletzt nur die Kunst ihr besserer Teil war, gingen für längere Zeit viele technologische Errungen schaften unter. Die neuen Herrscher fanden kaum die Leute, welche die primitiven Münzstempel erzeugen konnten*. Im Handbuch der deutschen Q.6 Altertumskunde von L. Lindenschmit wird der berühmte Eberhelm von Benty Grange in England, Derbyshire, aus dem 7. oder 8. Jahrhundert als Eisenschnitt bezeichnet*. M 14 Als Vorstufen des Eisenschnittes gelten die Techniken des Treibens, Tau schierens, Ätzens, Gravierens. Die Ätz- und Tauschiertechniken stammen aus dem Orient. Die besten Tauschierungen führten die Mauren, Ferser, Inder und Japaner aus. Die Tauschiertechnik besteht im Einhämmern von anders farbigen Metalldrähten, besonders Gold und Silber, auf Metallgegenständen. Ein Prunkschloß, zwar schon aus dem 16.Jahrhundert,zeigt uns eine schöne Ätzarbeit (Bild 1). Als Beispiel für eine Goldtauschierung soll eine persische Dolchklinge aus dem 15. Jahrhundert dienen,die sich wie das Schloß gegen wärtig im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien befindet. 15

Eisenschnittkunst / Mittelalter Das Ritterwesen brachte die dekorative Bearbeitung der Waffen und Rüstun gen zur Blüte. Die Waffenschmiede, Schildmacher und Plattner bedienten sich besonders gern der Verzierungstechniken im kalten Zustand. Neben dem Gravieren gewann immer mehr der Eisenschnitt an Bedeutung. Es handelt sich dabei um die Bearbeitung des Eisens mit noch härteren Werkzeugen, wie Meißel, Grabstichel, Bohrer, Feile, Punze und Treibhammer. Der Ubergang vom Oberflächendekor zur Durchbruchsarbeit und Freiplastik fand natürlich nicht über Nacht statt. Die schwierige und harte Bearbeitung des Eisens begrenzt in der Regel die Größe des Werkstückes. Der Eisenschnitt wurde vor allem als zusätzlich schmückende Kunstform an fertigen Gegenständen, wie Parierstangen, Schwert- und Messergriffen, Streitkolben und Rüstungen, verwendet. Eine andere Wurzel des Eisenschnittes ist bei den Schlossern zu suchen. Die sehr komplizierten Schloßkonstruktionen des Spätmittelalters bedurften des Q,61 Eisenschnittes*.Einschönes Beispielfür ein Türschloß miteinem geschnittenen Klopfer (Dirikelsbühl, 15. Jahrhundert) zeigt das angeführte Bild 2. Im Österreichischen Museum für angewandte Kunst können wir eine Zierplatte (EI 726) mit einem gotischen Maßwerk in Eisenschnitt sehen. Der Durch messer der Arbeit beträgt 28 cm. Die Figuren Maria mit Kind, die Heiligen Petrus, Paulus und Georg sowie zwei weibliche Heilige sind aber im Gelbguß M 17 dargestellt* (Bild 4). Der Prägestempelschnitt wird heute noch in den mei sten Kulturstaaten gepflegt. Er ist die dritte Wurzel des Eisenschnittes. Der Münzstempelschnitt ist, wie Dr.Reitzenstein sagt. Eisenschnitt,genauer Stahl schnitt, nur im verkehrten negativen Relief. In der tirolischen Prägestätte in Hall stand bereits um 1480 der Münzbildschnitt als vollendet beherrschte Q,61 Technik in Verwendung*. Diese reiche technische Erfahrung konnte sich später der positiv-plastische Eisenschnitt nutzbar machen. Neben Hall in Tirol war auch Wiener Neustadt Sitz eines Stempelschneiders. Aus dem Jahre 1472 wird ein gewisser Eisenschneider Mathes als Verfertiger von 22 Punzen Q,61 genannt(Jb. Kaiserhaus 4, 1886, Reg. 3255)*. Das 16. und 17. Jahrhundert Die erste Blüte des Eisenschnittes fällt in die Zeit der Renaissance. Handwerk und Kunst gingen in dieser Epoche eine besonders innige Verbindung ein. Kulturträger war der Bürger. Es ist aber auch noch die Zeitdesletzten Ritters, Maximilians. Einfache, strenge Menschen haben die Führung. Gerade ist die Haltung der Skulpturen.Jede Einzelheit wird wichtig genommen. Der Eisen schnitt wurde von Dürer und seinen Zeitgenossen Hirschvogel, Burgmaier, 16

Eisenschnittkunst / 16. und 17. Jahrhundert Aldegrever, Mielisch und Beham mit Entwürfen stark beeinflußt. Kaiser Maximilian, Karl V., Ferdinand I., die Medici, die Herzöge von Urbino und Este nahmen den Kunstzweig unter ihren besonderen Schutz*. Der Eisen- Q,6 schnitt ging allmählich ins Volle, in die Tiefe. Von den italienischen Meistern seien hier Benvenuto Gellini und Leon Leoni u. Guiseppe de Vicis erwähnt. Letzterer wagte sich bereits an Plastiken, wie z. B. das Standbild Karls V. Die bedeutendsten Meister waren Serabaglia, L. Piccinio und G. Ghisi. Der italienische Eisenschnitt erstrebte aber Wirkungen des Modelleurs und Bild gießers. Diese Techniken suchen aber das Material zu verleugnen*. Auch der Q.61 Augsburger Meister Thomas Rücker schufbereits vollplastische Bildnisfiguren. Sein wichtigstes Werk,ein Unikum,ist ein Lehnstuhl aus Eisen. Die in Hoch relief-Medaillons geschnittenen historischen Darstellungen enthalten viele tausende Figuren. Dieser Stuhl war ein Geschenk der Stadt Augsburg (1574) an Kaiser RudolfII.Im 30jährigen Krieg wurde der Stuhl von den Schweden aus Prag entführt*. Heute befindet sich der Stuhlim Longford Castle, Earl of Q,6 Radnor,in England. Nach Alexander von Reitzenstein*darfThomas Rücker Q 16 vielleicht auch der ausgezeichnet, kräftig reliefierte Griff eines Schwertes im Bayerischen Nationalmuseum (Inv. Nr. W 579) zugeschrieben werden. Am materialgerechtesten war und ist heute noch die Verwendung des Eisen schnittes bei Messern und Blankwaffen. So wurden die Messerschmiede bis zu Blümelhuber die Hauptträger der Eisen- und Stahlschnittkunst. Beachtliche Ansätze des Eisenschnittes finden sich etwa an den von Hans Sumersperger in Hall(Tirol) gearbeiteten Prachtschwertern Kaiser Maximilians I. Ein schönes Beispiel hiefür ist ein Schwert des Kopenhagner Nationalmuseums. Die spiralig gedrehte Parierstange zeigt einen schönen Eisenschnitt* (Bild 5). Q,61 Die Griffe und Dolche von Schwertern wurden in der Regel in Teilen getrennt ajour geschnitten und dann durch Nietung und Lötung miteinander verbun den*. Über die weiteren Fortschritteim Eisenschnittim 16.Jahrhundert halten Q,6 wir uns hier an die günstigste Zusammenstellung von A. v. Reitzenstein im Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte. Es heißt dort;„Um die Mitte des 16. Jahrhunderts läßt sich erstmals ein reicherer,ja schon reich entwickelter Eisenschnittin Sachsen feststellen(Waldemar v. Seidlitz,Die Kunstin Dresden vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Dresden 1921, S. 263). Ein frühes Beispiel ist das Reitschwert des Kurfürsten Johann Friedrich (fl554) im Dresdner Historischen Museum (Inv. Nr.E 573); der Schnitt ist noch unausgeglichen, grob, die schwierige Technik noch nicht voll beherrscht. Genannt werden die Namen zweier Torgauer Messerschmiede, Franz Paul,und eines Dresdner Schwertfegers Thomas. Eine Rapiergarnitur des Thomas war im Dresdner Museum (Inv. Nr. E 680); das Inventar der Rüstkammer, 1567, beschreibt sie:,Ein ausgehawenn eisenfarb Rappir, tolch und gürtell, sambt dem be2 17

Eisenschnittkunst / 16. und 17. Jahrhundert schlege, eines Musters. Das Kreutz und Knopf ist von schöner kunstreicher arbeytt, und altenn Historienn ausgehauen..' (E. Haenel, Kostbare Waffen aus der Dresdner Rüstkammer, Leipzig 1923, S. 90, Taf. 45.) Etwa gleichzeitige Arbeiten des gleichen Werkkreises sind die Rapiergarni turen E 78,79,83,86,87(Kat.Hist. Mus.Dresden, 1899,S.66). Die Findung eines eigenen materialtechnisch begründeten Stiles war angebahnt, die Vor bildlichkeit des Goldschmiedes allerdings noch nicht abgestreift. Vielleicht weist diese Gruppe sächsischer Eisenschneider nach Süddeutschland zurück. In den Münchner Hofzahlamtsrechnungen findet sich 1561 der Eintrag:,Tho mas Mair Messerschmiedgeselle Knopf und Kreuz an ein Rappier für den Herzog von Eisen getrieben und Gold darein geschlagen...'( Hans Stöcklein, Meisterwerke des Eisenschnittes. Beitrag zur Kunst- und Waffengesch. im 16. und 17. Jh., Eßlingen 1922, S. 5.) Die Möglichkeit einer Identität dieses Thomas mit dem Dresdner ist gegeben, die Rapiergarnitur des Kurfürsten August (Dresden, Inv. Nr. E 685), laut Inventar der Rüstkammer eine Ver ehrung von der Herzogin von Bayern,deckt auch eine nach Münchenführende Beziehung auf. Fraglich bleibt allerdings, ob diese Garnitur (Haenel a. a. O. S. 86, Taf. 43) als Münchner Arbeit angesehen werden darf; die Dresdner Rapiergarnituren E 680(Meister Thomas) und E 684(Meister Franz) sind so stilverwandt, daß auch Entstehung in Sachsen selbst möglich erscheint. Für München ist also der von den Messerschmieden geübte Eisenschnitt für rund 1560 bezeugt. Zu reifer Entfaltung gelangte er durch den Messerschmied Otmar Wetter(G.Petzsch,Othmar Wetter,z. h.W.K.I, 1897—1899,87ff. — J.F.Hayward,Studies on Othmar Wetter, Livrustkammaren 5, 1940, 1—26), der 1583 Bürgerrecht gewannund 1589 nach Dresden übersiedelte (wie gleich zeitig der Messerschmied Anton Schuh). Seine Arbeiten (Beispiele; die bez. Rapiergarnitur Dresden Inv. Nr. E 578 und das 1594 datierte Rapier Kopen hagen, Zeughaus-Museum) sind vollendet materialgerecht. Das Eisen spricht als solches,in seiner eigenen Farbe,dieVergoldung zieht sich in die Tiefen des ornamentalen Reliefs zurück, dessen scharfkantig abgegrenzte Zeichnung Q,61 eisenblau (gebläut) auf der Goldfolie steht*. Kunz Lochner verfertigte in Nürnberg äußerst feine Eisenschnitte, viele für den Erzherzog Maximilian. Die Brüder Hopfer in Augsburg verzierten die in Mailand gefertigten Rüstun gen in üppigem Renaissancestil. Eisenschnitte aus dem 16. Jahrhundert finden sich in den meisten Waffensammlungen Europas. In der Wiener Waffensammlung (Neue Hofburg) können wir einen in Eisen geschnittenen Streitkolben des Erzherzogs Ferdinand von Tirol sehen (Bild 3; Inv. Nr. A 1153b). Diese Bestimmung beruht auf authentischen Bilddarstellungen von ca. 1560. Bisher war aufGrund von verfälschten Inventaren des 19.Jahrhun derts als Besitzer Alessandro Farnese, Herzog von Parma, angegeben. Die 18

Eisenschnitt in Steyr / 16. und 17. Jahrhundert Eisenschnittart ist italienisch. In der Sammlung der Feste Coburg (Deutsch land) wird ein Prunkdegen mit einem in Eisen geschnittenen Griff aufbewahrt (Bild 6). Die Durchbruchsarbeit zeigt eine Kampfszene und Pflanzenorna mente.Auf der Klinge scheintzweimal der NameJohannes Hartcop auf.Nach Weyersberg, „Solinger Schwertschmiede des 16. und 17. Jahrhunderts und ihre Erzeugnisse"*,stammen die Werke dieses Meisters aus der Zeit um 1600*. Q,104 In der Wiener Waffensammlung befindet sich ein schöner Degen,der um 1600 M 1 in Oberitalien entstanden ist (Inv. Nr. A 1105;)*. In der neu aufgestellten M 9 Messersammlung von Anton Petermandl im Rahmen des Steyrer Eisen museums zieht ein französischer Degen die Aufinerksamkeit auf sich (Bild 7). Der Griff weist die handwerklichen Spuren einer herrlichen Durchbruchsarbeit auf. Die Arbeit wurde in Teilen ausgeführt und dann zusammengesetzt. Als Entstehungszeit wird das Jahr 1700 angegeben. Der Degen ist ein Geschenk des Herrn Vinzenz Landgrafen Fürstenberg in Enns. Als Beispiel für die Verwertung des Eisenschnittes an Feuerwaffen soll ein Pistolenpaar aus dem 17.Jahrhundert dienen (Bild 8). Der Eisenschnitt in Steyr im 16. und 17.Jahrhundert Bereits um das Jahr 1660 wurde in Steyr die künstlerische Formgebung des Eisens durch Ätzen, Gravieren, Ziselieren und Meißeln gepflegt. Steyr war schon seit dem Mittelalter der Hauptsitz der Klingenschmiede. Die Eisen waren gingen nach Ulm, Augsburg, Nürnberg, nach Böhmen, Schlesien, Polen, Ungarn und Rußland.Der Orienthandel ging über Venedig. Auf Grund der wirtschaftlichen Stellung ist es begreiflich, daß in Steyr auch die Kunst des Eisenschnittes bei Messern angewendet wurde. Alfred Walcher Ritter von Moltheim,sagtim Katalog der Besteck-Sammlung des Grafen Bam berg,daß die Technik des Eisenschnittes von den Meistern in Steyr mitgrößter Kunstfertigkeit erfolgte. Das Eisen wurde hier im vollen Sinne des Wortes bewältigt wie Buchenholz oder Elfenbein. Wörtlich sagt er; „Keine Besteck sammlungdesKontinentsverfügtdaherüberExemplarewiediese"*.Zum Glück Q,103 sind die wertvollsten Stücke dieser Sammlung noch im Museum der Stadt Steyr erhalten. Bei einer Reihe von Messern bilden Griff und Klinge stofflich und künstlerisch eine Einheit. Im Katalog der Bestecksammlung finden wir die Beschreibung folgender Stücke*: „Aus der Werkstätte der Klingen- Q,102 Schmiedefamilie Aitenberger oder aus jener der Englahner stammt ein Vor schneidmesser,das wohl noch von einem Versuch,aber sicher von einer hohen künstlerischen Begabung zeugt. Das Messer weist die Klingenschmiedemarke 2* 19

Eisenschnitt in Steyr / 16. und 17. Jahrhundert ,Schwert'auf. Der aus Eisen geschnittene Griffstellt einen hockenden Löwen, der die Knie stemmt, dar. Das Messer ist 27,2 cm lang (Bild 15). Aus dem 17.Jahrhundert stammt eine bemerkenswerte Gabel. Von den beiden Zinken ist eine nach dem damaligen Brauche messerartig verbreitert. Der vierkantige Griff endigt nach oben in einem Pferdefuß. Das Innere des Griffes wurde so geschickt herausgeschnitten,daß vom Eisenkern nur eine in den Vierkantgang genau passende und sich in ihm frei bewegliche Kugel übrigblieb (Bild 10). Ein Messer aus dem 17.Jahrhundert hat eine leicht geschwungene Schneide. Die Klinge und der Griffsind aus einem Stück.Der in Eisen geschnittene Griff endet nach oben in einen durchbrochen gearbeiteten Aufsatz aus vier Bügeln. Die Länge ist 20,4 cm (Bild 11). Eine feine Eisenschnittdurchbruchsarbeit sehen wir am Griff eines Weidblattes. Die Länge beträgt 34,5 cm.Das Weid blatt stammt bereits aus dem 16.Jahrhundert(Bild 14). Eine schöne, dekora tive Durchbruchsarbeit an dem runden Griffwird wohlfür Blümelhuber Vor bild gewesen sein (Bild 12). Der Griff bildet mit der Klinge keine Einheit. Bei einer Gabelin Eisenschnitt sehen wir am Griffein Rillenmuster (Bild 9)." Die beschriebenen Stücke sind im Steyrer Museum zu sehen. Auch in Steyr entdecken wir an der Tür zum Hause Fischergasse 24 einen leider schon stark verrosteten Türklopfer und einen Türring in Eisenschnitt. (Bild 13).JosefDausinger beschreibt diesen Türklopfer wie folgt: „Betrachten wir den Türklopfer, ein Gerät, das in unserer Gegend insbesondere auf dem Lande gebräuchlich ist. Die Empfindungswelt der Renaissance umfängt uns wieder.In lauterster Klarheit sprechen die einzelnen Teile den Sinn ihres Da seins aus:der eigentliche Türklopfer,seine Befestigung an der Türwand und der Schlagstock.Jede,auch die geringste geistige Überlegung wird dadurch ausge schaltet,und das GemütkannohnejedeHemmungaufdas Wesen des unschein baren Werkes entsprechen, das einzig in linearer und plastischer Schönheit besteht. Vorstellungen aus der antiken Sagenwelt klingen auf; der fein zise lierte Kopf eines Fauns bildet den Griff des Klopfers, und über der Stirn deuten im Halbrelief edle Spiralen widderartige Hörner an. Sie legen das Motiv fest für die Durchbildung der beiden zu Spiralen eingerollten Bänder, die durch die Schönheit der Linienführung das gesamte Gebilde überstrahlen. Der Stiel des Türklopfers endigt in drei blattähnlichen Abrundungen, welche die Schmuckformen der Befestigungsrosette vorausklingen lassen. Dagegen lebt der Schlagstock von der Zierform des Türklopfers; seine gekerbten Ringe antworten den Spiralen der Faunshörner und verweisen dadurch auf den logischen Zusammenhang zwischen Klopfer und Schlagstock. Edel, einfach und schön im Aufbau,knapp und bestimmt in der Ausdrucksweise, gemahnt dieses schöne Kleinkunstwerk an den melodischen Silbenfall eines klassischen Epigramms. War der Türklopfer zufolge seiner sachlichen Bestimmung an 20

Meisterwerke des Eisenscbnittes / 17. und 18. Jahrhundert die herkömmliche Form gebunden, so ist der Türring als bloßes Schmuck element fast völlig frei. Aber die Art der Zierformen schließt sich eng an die des Klopfers an, und es ist selbstverständlich, daß der Stil die dort aufge griffene Richtung weiterverfolgt. Alle beim Türklopfer verwendeten Schmuck motive kehren daher beim Türring wieder; der Faunskopf, die Bandspiralen, die Blattrosetten, die Ringkerben.Die stilistische Formgebung wiederum sorgt für eben dieselbe klare Gliederung und Unterteilung, wie wir sie beim Tür klopfer feststellen konnten.Der besondere Reiz dieses Türringes bestehtjedoch in den schönen Verhältnissen der Teile untereinander und zum Ganzen in der Führung der Linien und in der besonderen Formgebung,die fremde,südliche Einflüsse mit altertümlichen deutschen Formen und Regungen zu verbinden weiß. So entsteht aus der einfachen Grundlinie des Kreises ein sehr eigen williges und vielgegliedertes Gebilde,ein Hin- und Zurück-,ein Aufwärts- und Abwärtsstrebendes, das aber sein höchstes Ziel immer nur im Erfüllungsein von Schönheit sucht und findet." In der Rokokozeit stirbt in Steyr der Eisenschnitt ab. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Steyr Ritzinger, Zimpel und Blümelhuber die Wiedererwecker der Eisenschnittkunst in Form der Stahlschnittkunst. Meisterwerke des Eisenschnittesim 17. und 18.Jahrhundert Emanuel und Daniel Sadeler Die beiden Sadeler, wahrscheinlich Brüder, sind Söhne eines Antwerpener Messerschmiedes*. Um ein kurzgefaßtes und doch vollkommenes Bild über Q,61 diese beiden Meister zu bekommen,folgen wir hier am besten der Darstellung im Reallexikon der deutschen Kunstgeschichte*:„Emanuel Sadeler zeigt sich Q,61 erstmals 1594 als Eisenarbeiter (dann auch als Eisenschneider, Eisengraveur, Messerschmied) in den Münchner Rechnungen (Todesjahr 1610). Daniel Sadeler, zunächst 1603 bis 1607 kaiserlicher Kammervergolder (RudolfII.), kam 1610 nach München (Todesjahr 1632). Die schwer zu unterscheidenden Arbeiten der beiden Sadeler sind das Reifste und Reinste, was der deutsche Eisenschnitt je erreichte, seine ,klassische' Vollendung. Das Relief ist scharf und zart, stets in klarer, einheitlicher Bindung an die Fläche, glatte (im Figürlichen) und gepunzt,gebläut und,in den Gründen wie in einigen kleinen Auftragungen, vergoldet; das sind die Spezifika dieser Kunst, die auf den Grundlegungen des Otmar Wetter beruht, das von ihm Erreichte aber tech nisch wie künstlerisch um ein letztes übertrifft. Esschmälert die Leistung nicht, 21

Meisterwerke des Eisenschnittes / 17. und 18. Jahrhundert daß die Invention stets von fremden Stichvorlagen, etwa Etienne Delaue's, abhängig ist. Werke der Sadeler finden sich in den meisten großen Waffensammlungen (Wien, Dresden, München, Turin, Paris, London, New York). Das Emanuel Sadeler zugeteilte Schwert des Museum del'Armee in Paris (Inv. Nr. J 97) ist durch freiplastische Gestaltung der einzelnen Teile des Gefäßes ausgezeichnet. Doch ist dem Sadeler-Stil meist ein verhältnismäßig flaches, gebundenes Reliefeigentümlich, typisch der Schwertknauf des ehem. Bayerischen Armee-Museums in München."(Bilder 16/17) Kaspar Spät Von 1635 bis 1665 war in München Kaspar Spät tätig. Er starb 1690. Die Kunst Späts erwuchs ausjener der Sadeler. Nichtganz ebenbürtig, erzielte er doch vorzügliche Leistungen. Als Beispiel soll uns sein Reliquienkästchen im 0,61 Bayerischen Nationalmuseum* (Bilder 18/19) dienen. Eine Schüssel in Eisenschnitt Als Entstehungsland für eine herrliche barocke Eisenschüssel mit Durch bruchsarbeit kommt vielleicht Italien in Frage (Bild 20). Diesen Eisenschnitt kann man am besten mit den Arbeiten Kaspar Späts vergleichen. Die beiden Durchmesser betragen 27 cm : 23,2 cm. Die Schüssel ist oval, spiegelmäßig vertieft, leicht aufgewölbt,für sich gearbeitet und über Zungen angeschraubt. Der Rand ist leicht abfallend. Außer dem Eisenstab zwischen Rand und Senke besteht das Ganze ausschließlich aus Ranken und Schwüngen. Am Spiegel gehen die Ranken in der Mitte voneinergewirbeltenAkanthusrosette aus, drei nach jeder Seite. Die Ranken tragen, ein- oder beiderseitig, die akanthoiden Deckblätter und die typischen araceenartigen Blüten. Ungleich lange Deck blätter werden durch Ringe und Blattkränze verbunden. Dazu kommen hier wie am Rand Beeren. Am Spiegelrand ist eine Wellenranke aus akanthoiden Palmetten mit Rosetten. An der Senke befinden sich aus achsenständig ge paarten, blattkranzverbundenen Stengeln je zwei Akanthusranken,die zu den Diagonalstellen durch Ring verbunden sind. Der Rand besteht aus einer ein zigen, unzäsurierten großen Wellenranke. Der Stamm weist Akanthus und Araceen auf. An allen Teilen gehen die Ranken in Schweifen über. Das Schweifenpaar in der Längsachse des Spiegels ist geschuppt. An der Unter seite ist aufRand und Senke die Innenzeichung graviert. In der Längsachse ist je eine Kreuzblume aus Wirbelrosette und Blattwerk angenietet. Bei der Bestimmung des Stückes machen nur die Schweifungen eine Schwierigkeit. Unverkennbar sind die Keulenschwünge, wie sie seit etwa 1580 bis weit ins 22

Meisterwerke des Eisenschnittes / 17. und 18. Jahrhundert 17.Jahrhundert hinein üblich waren.Dagegen weist die Akanthusführung auf das spätere 17.Jahrhundert hin. Die Schweifen sind rein barock. Die Schüssel kam aus Laxenburg in das Museum für angewandte Kunst in Wien (Inv. Nr. 426). Gottfried Christian Leygebe Ein vorzüglicher Meister der Eisenschnittkunst war Gottfried Christian Ley gebe. Er wurde 1630 zu Freystadt in Niederschlesien geboren. 1645 kam Leygebe nach Nürnberg, um bei Albrecht Liechtmann, dessen Tochter er heiratete, das Schwertfegerhandwerk zu lernen*. Nach und nach wurde er Q,17 aber dahin geführt, sich seines schwierigen Materials zu selbständigen Kunst werken zu bedienen.Ob ihm hierin E.Luter,der als Leygebes Lehrer genannt wird, Anweisungen gegeben hat, ist kaum anzunehmen, da jener Künstler fast im dunklen geblieben ist und sich anscheinend nur auf das Bildnismalen beschränkt hat. Während des Überganges zum Eisenschnitt kam er mit dem Bildhauer und Eisenschneider Georg Pfründt, dessen Bildnis er zeichnete, in Berührung. Leygebe verstand es, das Eisen so geschmeidig zu, machen, daß er daraus mitgroßer Zartheit Statuen,Bildnisse,Friese usw.verfertigen konnte. Die frühesten Eisenschnitte finden wir auf Degengefäßen, Hirschfängergriffen,Pistolenbeschlägen mitDarstellungen von Reitern undJagden. 1659/60 arbeitete er aus einem Eisenblock die Reiterstatuette Kaiser Leopolds I. heraus (Bild 21). Diese Kleinplastik befindet sich gegenwärtig in der Sammlung des Schlosses Rosenborg in Kopenhagen*. Um 1660 —1662 entstand die Reiter- M 2 Statuette König Karls II. von England (Dresden, Grünes Gewölbe).Zu dieser Zeit entstand auch das kleine Relief „Die Austreibung des Heliodor". Von linkssprengt der himmlische Reiter,in voller Rüstung dasSchwertschwingend, über den zu Boden gestürzten Heliodor hin, den ein Engel und ein Jüngling mit Ruten schlagen. Am Boden ist Heliodors Turban. Auf der Rückseite ist die Signatur: Das Monogramm von einem Kreis umzogen wie auf dem radierten Selbstporträt von 1660 (vgl. Leygebes Porträtradierung des Georg Pfründt von 1663. Seit dem Jahre 1667 war Leygebe für den Großen Kur fürsten tätig. Am 6. April 1668 wurde er zum kurfürstlichen Münzeisen schneider bestellt*. Leygebe war Eisenschneider, Medailleur und Radierer. Q,17 Er verfertigte Münzstempel, Siegel und Medaillengepräge.Für die Potsdamer Glashütte schnitt er Ornamentformen und Metallteile für Leuchter, für die Geschützgießerei Wappen und Verzierungsmodelle. Eine mit G.L. signierte Medaille mit einem Brustbild Christi und dem Kreuz mitder Himmelskugel als Revers befindet sich im Berliner Münzkabinett (Katalog der Bildwerke, Bd. IV. [Vöge] Nr. 875). Leygebes bedeutendste Eisenschnittplastik stellt 23

Meisterwerke des Eisenschnittes / 17. und 18. Jahrhundert Friedrich Wilhelra, den Großen Kurfürsten, als heiligen Georg,den Drachen bekämpfend, dar (Bild 22). In flatterndem Mantel und antiker Rüstung,den mit einem Lorbeerkranz verzierten Helm aufdem Haupt,galoppiert der Kur fürst, den kurzen Speer zum Stoß erhoben, über das dreiköpfige Ungetüm am Boden hin, das sich zu ihm umzuwenden sucht. Aufder Brust des Pferdes ist das brandenburgische Wappen zu sehen. Vorne am Sockel ist die Plastik mit Gottfried Leygebe (1680) bezeichnet. Über die Entstehung des Werkes wird berichtet: „Im Oktober 1678 erhielt Leygebe aus Clausthal von dem Münz meister Bonhorst zwei Stück Modelleisen, im Gewichtvonje ungefähr einem Zentner, von denen eines wohl zur Anfertigung des Reiters gedient hat. Voll endet wurde die Arbeit 1680. Leygebe klagte darüber,daß er bei dieser Arbeit seine Gesundheit stark in Anspruch nahm:,Nachdem ich das Stück Eysen mit Sr. Churfürstlichen Durchlaucht Bildniszu Pferde verfertigt, welches ich nicht für 2000 Reichsthaler schaffen und nun mehr keines machen kann, welches über 3Jahre continuirlich Zeit erfordert hat, das ich dabey meine Gesundheit Q,17 verlohren*.' Die Statuette des Großen Kurfürsten ist heute in der SkulpturenM 18 Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin-Dahlem*. In München befindet sich von Leygebe ein Schachspiel aus Eisen und Silber. Der Künstler starb 1683 in Berlin. Seine Werke wurden in Deutschland und England gleich ge schätzt. Kommandostab des Prinzen Eugen von Savoyen Im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum ist ein aus dem 17. Jahrhundert stammender, dem Prinzen Eugen von Savoyen zugeschriebener Kommando stab aufbewahrt (Bild 23/24). In dem 1903 erschienenen Katalog des k. u. k. Q,20 Heeresmuseums findet sich dazu folgende Erklärung*: „Der Kommandostab ist mitderJahreszahl 1662und anzweiStellen mitder Marke C.K.bezeichnet. Der Stab besteht aus zwei hohlen,je 48 cm langen,im inneren Durchmesser 19,7 mm messenden Eisenstücken, welche aus Musketenläufen hergestellt sein dürften und durch Ausbohren und Feilen derart durchbrochen sind, daß sie gänzlich als ein aus Blättern und Rosen bebildertes Ornament aufgelöst er scheinen. Die beiden Stücke sind mittels eines Verbindungsgliedes aneinander geschraubt. Die Verbindungsstelle ist durch einen gleichfalls in Eisen ge schnittenen Reif von Blättern verdeckt. Am oberen und unteren Ende des ganzen Stabes ist je ein 3,5 cm hohes Stück von größerem Durchmesser auf gesetzt, woran durch Scharniere die das Rohr schließenden Deckel befestigt sind". Zu der Marke C.K. bemerkten die Verfasser des Kataloges in einer Fußnote: „Die Eisenschneidermarke C.K. begegnet uns auch auf einem Faustrohr in dem königlichen historischen Museum in Dresden, welches nach 24

Meisterwerke des Eisenschnittes / 17. und 18. Jahrhundert Ehrental, Führer, 3. Auflage, S. 1123, Nr. 104, in den Jahren 1610—1620 entstanden sein soll. Da nach Leitner, Waffensamnilung, S. 34, dieser Stab früher in der Hof-,Jagd- und Sattelkammer aufbewahrt war,so ist kaum zu bezweifeln,daß er mitdem 1731 in der Schatzkammer befindlichen — Stecken von Stahel auf Mayländische durchbrochene Arth gearbeitet — identisch ist, der auch 1750 als — Langer Commandostab von durchbrochenem Stahel — in derselben Sammlung erscheint und 1766 mit vielen anderen Objekten dem Hof-Futtermeisteramt übergeben wurde" (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerh. Kaiserhauses 10. S. CCX. Nr. 84, und S. GCCI, Nr. 36). Die angeführten Schatzkammerinventare wissen indes nichts von einer Beziehung des Stabes zu Prinz Eugen, welche wohl nur aufdie Jahres zahl 1662 durchaus unwahrscheinlichen Konjektur beruhen wird. Das österreichische Staatsschwert Seit 1871 ist in der Wiener Schatzkammer das österreichische Staatsschwert aufbewahrt* (Bild 25).DerBügelund die Parierstange weisen eine gebrochene Q,64 Barocklinie auf und zeigen einen meisterhaften Eisenschnitt mit Goldtauschierung. Es ist auch mit Edelsteinen, Perlen und Schmelzwerk nicht gespart. Uber den Meister und die Werkstatt sind wir nicht unterrichtet. Sicherlich handelt es sich um eine deutsche Arbeitausdem beginnenden 17.Jahrhundert. Dieses sogenannte Staatsschwert der Rudolphinischen Hoheitszeichen kam deshalb erst 1871 aus der Hof-,Jagd- und Sattelkammer in die Schatzkammer, da der damalige Schatzmeister in ihm das fehlende Staatsschwert der Kaiser Rudolph II. und Matthias zu erkennen glaubte. Diese Zuschreibung erweist sich aber bei genauerem Quellenstudium als irrig, da wir aus dem Nachlaß inventar des Kaisers Matthias über das Aussehen des verlorenen Schwertes ziemlich genau unterrichtet sind*. M 3 Philipp Christoph Becker Um 1699—1711 warin Wien HansFörberfür das HausHabsburg als Stempel schneider und Medailleur tätig. Bei Förber arbeitete zur selben Zeit der Medailleur und Edelsteinschneider Johann Georg Seidlitz, der aus Kopen hagen stammte*. Bei Seidlitz lernte der 1674 in Koblenz geborene Gold- Q,84 Schmied Philipp Christoph Becker in Edelstein und Stahl schneiden. Bald galt Philipp Christoph Becker in Wien als einer der vorzüglichsten Meister in diesem Fache. Er wurde zum Kaiserlichen Kammermedailleur und Münz inspektor ernannt*. Im Mai 1698 kam bei seiner Westeuropareise Zar Peter Q,84 der Große nach Wien. Dort wurde er sicher auch auf das Schaffen Beckers 25

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