in Steyr wußten auch dies; Die Kraft zur Arbeit, zum Aufbau, der rechtsame Wille, die gewissenhafte Auffas« sung von Gut und Schlecht, kamen einzig vom Meister Werndl. Das Geistige, das Gütige, das Weitsichtige trug still und hehr Frau Josefa, des Meisters Gattin. Von Va= ter und Mutter zugleich hatte der zweite Junge, der Josef, alle guten Eigenschaften mitbekommen. Frau Josefa Werndl war älter geworden, rundlicher, stattlicher. Ihre Sorge und Liebe galt dem Gatten, ihren Kindern. Voller Güte war die Art, mit der sie versuchte, ihren Mann umzustimmen, daß dieser den Sohn gegen Stellung eines Ersatzmannes vom Militär auslöse. Mit Engelszungen redete Frau Josefa ihrem Mann zu: „Schau, Poldi, gesteh' dir's doch ein, daß du nicht mehr der Jüng« ste bist. Dein ganzes Leben lang hast nur gearbeitet, dir nie eine Rast gegönnt. Laß deine Kinder für dich arbei» ten. Der Josef, der hält bestimmt alles schön zusammen. Wir packen dann die Koffer, bestellen uns eine Extra# Kutsche und mit einem eigenen Postillion fahren wir vier# spännig zu den Schwefelbädern nach Baden bei Wien! Wär' doch schön, wenn wir uns die Kaiserstadt anschauen täten. Meinst nicht? Ist fast eine Schande, wenn ich daran denk', daß wir zwei alte Menschen mit den Nasenspitzerln aus Steyr net herausgekommen sind. Du hast dein Tag« werk hinter dir. Keiner in Steyr hat so gearbeitet wie du. Spürst nicht den Herbst, der über uns kommt? Sei g'scheit, Poldi, laß es uns noch ein paar Jahrin gemütUch machen —". Liebesleuten gleich saßen sie, der Meister Leopold und die Meisterin Josefa in der mit Weinlaub überrankten Laube des Gartens. Die blaue Stunde klang wie eine zarte Melodie auf, während die Kerzen im Wind# licht leuchteten und der gelbe Wein in weißgeschliffenen Gläsern schimmerte. Verschämt küßte Frau Josefa ihren
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