Leopold Werndl und sein Sohn

glänzte die Moldau. Aus allen Kirchtürmen, rechts und links des Stromes erklangen die Glocken, kündeten die mitternächtliche Stunde. Prag, die Stadt der deutschen Kaiser! Die Tschechen sanken in die Knie, wenn sie ihre große Stadt an der Moldau erblickten. Voll Andacht flüsterten sie: „Zlata Praha", auf deutsch: „Goldene Stadt". Wissensdurst beherrschte Josef von Jugend auf; nicht aus den Büchern pflegte er sein Wissen zu nehmen. Alles wollte er sehen, selbst erleben. Er hielt Ohr und Herz offen. Studiosus Silverius Gasparito schwelgte in seinem Element. Er führte den jungen Josef zum Dank für man? ehe Flasche Schnaps durch Prag, durch die Gassen, Straßen, über Plätze und Brücken. Die Juden lebten be? schränkt in engen winkeligen Straßen, durften ohne Be? willigung nicht unter die Christenheit. Prächtig thronte der Hradschin. Große steinerne Brücken mit Steinbildern Karl des Vierten und Wenzel des Vierten führten über die Moldau, von der Neustadt zur Altstadt. Viele Kir? chen, Kapellen und Klöster und Synagogen in der Stadt? mitte gab es zu schauen. Großmächtig ragte die Kirch? turmspitze zu St. Veit zum Himmel, dreizehnhundertvier? undvierzig von Baumeister Mathias von Arras gebaut. Die Karl?Ferdinand?Universität verschenkte Wissen und Geist. Reiche Bibliotheken und Handschriftensammlun? gen waren darin untergebracht. Der Statthalter residierte im Namen des Kaisers zu Wien. Alt und ehrwürdig war die Stadt Prag. Um elfhundert herum soll sie erbaut worden sein. Viele Schlachten wurden um Prag erfochten, viele Soldateska marschierte durch Prag. Friedrich der Zweite schlug sich mit dem Prinzen Karl von Lothringen bei Prag. Eine schöne Stadt, eine alte Stadt, eine verzau? berte und verzaubernde Stadt.

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