Leopold Werndl und sein Sohn

ihr Tagediebe! Geht's arbeiten, sauft's weniger Schnaps, dann braucht's nicht zu Grunde gehen!" Josef, die Wangen von den Schlägen gerötet, stand unbeweglich vor seinem Vater. Finsternis überkam ihn, rote Kreise schwebten vor seinen Augen. „Vater — warum hast du mich geschlagen?" Vater Werndl fand die Antwort nicht. Sollte er zugeben, daß er keinen Grund gehabt hatte, seinen Sohn zu schlagen? Sollte er zugeben, et habe der .Leute wegen dies getan, damit sie sich nicht in den Kirchen, in den Stuben, in den Eisenhütten, und den Fuhrleuten auf den Tandstraßen erzählten: Der alte Werndl steht unter dem Schutz seines Sohnes Josef. „Bub, ich sage dir, das Maß ist voll. In diesem Hause hat nur einer anzuschaffen, für Ordnung zu sorgen — und dieser Eine bin ich, dein Vater! Wir sprechen die gleiche Sprache, aber trotzdem verstehe ich dich nicht — und du verstehst mich nicht." Leopold Werndl suchte nach Worten, die versöhn« lieh klingen sollten. An seine Frau mußte Vater Werndl denken. Erst heute früh hatte er ihr versprochen, dem Josef gegenüber gerecht zu sein, diesem auch ein offenes Wort zu gönnen. Warum kam der Bub nun in die Kanz« lei, wenn ihn keiner gerufen hatte? „Was willst du über« haupt da, du gehörst in die Werkstatt!" Josef durchlebte alle die Stunden der letzten Zeit. Stunden der Mißverständnisse, der Demütigungen. Fest hielt er die Zähne geschlossen, damit kein übles, kein wehtuendes Wort ihm entfiel. Den Vater beleidigen, das wollte er nicht. Vor den Fenstern leuchtete der Herbst, das Laub auf den Bäumen glänzte goldenrot, die Vögel in der Luft zwitscherten, flogen tanzenden Mücken nach. Josef war stärker als sein Wille, stärker als sein Geist. Die Lippen

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