Segen gespendet, kein Brautpaar für das irdische Leben miteinander verbimden, auch kein Toter in die Erde ge« senkt. Ächzend gaben die Angeln des schweren Holz« portales nach, Dunkel lag das Kirchenschiff vor Josef Werndl, ruhig brannte das ewige Licht vor dem Haupt« altar. Die Bänke waren leer, nur ein Bettler schlief, ein glückseliges Lächeln auf den Lippen, hinter der hohen Figur des Heiligen x\ntonius. Auf der Empore, den Kopf tief auf die Tasten gesenkt, saß im schlichten braunen Schulrock der Lehrer von St. Florian, Anton Bruckner. Er pielte seine Zweite Symphonie. Sein Freund, der Orga« nist zu Steyr, trat emsig die Blasebälge. Eine hohe, reine Freude kündeten die Töne. Josef war es zumute, als blickte er geradewegs in den Himmel hinein. Vor seinen Augen drehten sich in purem Gold und glitzerndem Silber — Tore. "Weiße Lilien fielen zu Boden, blondgelockte Engel in fließenden Gewändern knieten in Andacht vor Anton Bruckner, dem schlichten Schulmeister aus Sankt Florian. Der Meister pries in sei« nem Spiel die Herrlichkeit des Schöpfers Himmels und der Erden. Er spielte für die Armen und für die Reichen, er spielte ebenso für den unbekannten Josef Werndl wie für den schlafenden Bettler zu Füßen des Heiligen Anto« nius. Josefs Lippen formten ein Gebet, fromme Worte für seine Lieben, die er jenseits jeglicher Irdischkeit wußte: „Schenk allen Menschen die Erlösung und den Frieden, o Herr." Er dachte an seine Karoline, seinen Sohn Pepi, an die Eltern, ja selbst die längst verstorbene Geburts« helferin, die Anna Barometlerin, vergaß er nicht. Diese Stunde wurde ihm zur höchsten Offenbarung. Er wußte, sie würde ihm Kraft schenken, das Leben weiter zu meistern. Durch die bunten bleigefaßten Fenster drängten die
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