Leopold Werndl und sein Sohn

Mutter Josefa wußte, ihr Bub hatte zum Beten und Knierutschen in der Kirche von jeher wenig Bust und Zeit gehabt, „Beten tut man, damit es einem leichter in der Seele wird." Verzeihend und gütig klang ihre Stimme. Bist doch ein König geworden, mein lieber Bub. Weißt, damals — als die Barometlerin dich geholt hat, da warst kein König, da warst ein kleinwinziges schreiendes Wu=» zerl. Damals hast nur mich gehabt. Hast mir schon viel Kummer gemacht. Trotzdem hab ich dich immer gern g'habt. Später hast mir viel Freud' gemacht. Viel Freud' — vielleicht gibt es ein Wiedersehen nach dem Sterben. Vielleicht gibt es ein Jüngstes Gericht. Dann werd' ich deinem Vater sagen, unser Josef war ein Großer, ein guter Bub! Betest halt mit deiner Mutter. Vergiß halt, daß du ein König bist|l Bist melin kleiner Bub, mein kleiner Josef." Tränen standen in des Sohnes und der Mutter Au« gen. Josef Werndl regierte und sorgte für zehntausende Menschen in Steyr und Umgebung — er kniete neben dem Bette der Mutter nieder und faltete die Hände: „Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiliget werde Dein Name, zu uns komme Dein Reich, Dein Wille g&» schehe " Wort für Wort beteten Mutter und Sohn. „Dein Wille geschehe " Wohl selten klang ein Gebet so innig und rein: „Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld —" Mutter und Sohn wußten, die Schuld mußte vergeben sein. — Das Gebet fand sein Ende. Mutter Josefa tastete mit den Händen nach Josefs Kopf, strich auf seine Stirn, auf seine Lippen das Zeichen des Kreuzes. „Ich hab's ja ge# wüßt, daß du mein kleiner, lieber Bub geblieben bist. GeU, das Geld, was ich übrig g'lassen hab, das tust halt schön aufteilen. Die Mathilde behandelst so, als wenn

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