Leopold Werndl und sein Sohn

findet. Es wäre viel bequemer, immer nur ein guter Mensch zu sein. Gott aber will es anders. Freud' und Leid will er gleichermaßen. Warum weinte Frau Karoline um ihren .Gatten, der nie, auch wenn es keine Emma Moser gäbe, zu ihr zurückkehrte, weil er nicht mehr konnte? ^X'^ir ge# loben uns ewige Treue — ach, W^orte, geformt von Men« sehen. Gott, der seine Kinder zum Leben erstehen läßt, Gott, der sie wieder vom Leben abruft, er ordnet alles mit weiser Hand. Emma Moser brauchte nicht nach verteidigenden Woi» ten zu suchen. Klar klang ihre Sprache. Sie stand vor Frau Karoline. Trotzdem schien es, als würde sie demütig knien; „Josef ist ihr Gatte, der Vater ihrer Kinder. Beides wird er, so lange er lebt, bleiben. Ich werde nie seine Frau sein. Haben Sie, Frau Werndl, nie empfunden, daß Ihr Mann — ohne Freude lebte? Ohne Freude aber leben zu müssen ist gleichbedeutend, ohne Sonne, ohne Luft leben zu müssen. Ich bin Ihrem Mann nicht die Geliebte, nicht die Ehefrau. Ich bin einfach die Freude. Ihr Weg, Frau Werndl, ist der Weg bürgerlicher Moral, von der Kirche vorgeschrieben. Ich stehe außerhalb dieser Gesetze. Mein Weg ist die Straße, auf der wir alle stehen, die Bürger, die Frauen, die sich das Recht herausnehmen, mit feisten Fingern auf mich zu zeigen und laut zu schreien; Da geht sie, die Emma Moser, die eine Ehe zerstört, die sich einen verheirateten Mann einfing. Frau Werndl, der mir be« stimmte Mann mußte eines Tages kommen. Mein Leben bedeutet nichts, wenn ich nicht dienen kann. Ich gestehe es, ich hörte mein Leben lang Josef Werndls Stimme. Ich sah ihn nicht, ich spürte ihn. Ich wehre mich nicht, ich nehme alles hin, was auf mich zukommt." Frau Karolines Tränen versiegten. Ihre Stimme wurde klar. Sie griff nach ihrem spitzenbesetzten Taschentüch»

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