Leopold Werndl und sein Sohn

Schlote. In dieser Nacht wünschte er sich noch einmal, der Wanderbursch zu sein, jung wie damals, als er die Mäd« chen, ohne viel zu fragen, in seine Arme nahm. Emma Mo* ser, bereit nichts zu fordern, nicht zu fragen, nur zu geben, nur zu dienen, fühlte: Diesem Manne gehöre sie schick« salsbedingt. War es der Mond, die linde Nacht, der Schlag der Nachtigall im Haselbusch oder die Liebe, die einer Meereswoge gleich von Urbeginn der ^Jv^elt über Mann und Weib zusammenschlug? „Wir wollen zu jeder Stunde, zu jeder Zeit Freunde sein." Beide legten sich die« ses Bekenntnis in die Hände. Stumm brannte das heilige „Ja" in ihren Augen. Emma Moser brauchte nicht zu ant« Worten: „Ich will immer, bis zu meinem Tode bei dir bleiben." In dieser Nacht trank Josef Werndl Glas um Glas vom edlen Wein. Jünglingsstark fühlte er sich, ihm gab das Leben neue Wurzeln: einmal an sich selbst zu denken, nicht nur an die Arbeit, an die Sorgen, die Mühen und Lasten! Zu seiner Mutter, Frau Josefa, hätte er stürmen mögen, sich in ihren Schoß drängen, ihre beruhigenden Hände um seinen Kopf spüren und gestehen: „Mutter, das Wunder ist da. Sie ist da —1" Zur selben Stunde schickte Frau Josefa Gebet um Ge« bet gegen den Himmel, sie wußte es nicht anders, sie be« tete für den verstorbenen Gatten, für die Kinder und En« kelkinder, für ihren Josef, damit er endlich in seiner Unrast Glück und Erlösung fände, seine Familie ihm das schenke was die Familie dem Mann sein soll — das Glück und den Frieden. In dieser Nacht befragte Frau Karoline Werndl ihre Karten, wie man das Schicksal befragt. Kleine Karten aus Frankreich, die Ränder mit Gold verziert, schwarze und rote Figuren, Bube, Dame, König, Aß, Karo, Kreuz, Herz, Pik — tote Karten und doch so lebensvolle Karten in letz«

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