Leopold Werndl und sein Sohn

Jedem tüchtigen Arbeiter streckte Josef Werndl Geld zum Kauf eines kleinen Häuschens vor, baute auf sonni« gen Wiesen Häuser für Junggesellen. Für seine Arbeiter behielt Josef Werndl sein Leben lang eine offene Hand und ein offenes Ohr. Seine Frau Karoline wurde von Tag zu Tag kopf^ hängerischer, mißtrauischer, imgerechter und launischer. Aus dem blühenden lieblichen Mädchen linitscherl, für das sich Josef vor zwanzig Jahren hätte vierteilen lassen, war eine vergrämte Frau geworden, die nächtelang mit dem Spiegel Zwiesprache hielt, auf ihr Ebenbild schaute, die weißen Haare an ihren Schläfen zählte, die Falten an Stirn und Augen prüfte, sich die Karten legte und W^eisheiten daraus schöpfte. Trotz Geld und Macht herrschte in Josefs Familie kein Glück. Wenn er wochentags von seinen Werken zu Fuß den von ihm geliebten Weg an der Steyr entlang ging, beneidete er die jungen Habenichtse, die, ihren Arm um Mädchenhüften geschlungen, in glückseliger Verzük« kung dahinwandelten. An seine eigene Jugend mußte Jo« sef denken. Auch er hatte damals manches Mägdelein um« schlungen gehalten, ebenso wie jener junge Bursche, blond, federnden Schrittes, sein braungelocktes Mädel in die Arme nahm und küßte. Mit jugendlichem Übermut wies der Junge über den Fluß; ,,Bertha, ich verlaß Dich nicht, ich schaff's bestimmt. Schau, der 'Werndl war auch arm, ist auch auf die Wanderschaft gegangen." Das Mädchen hatte Tränen in den Augen, blickte bang und ängstlich daher. Weinend klang ihre Stimme; „Was soll mit dem Kind werden? Die Mutter hat g'sagt, sie jagt mich davon, wenn ich mit einem ledigen Fratzen nach Hause komme. Ohne es zu wollen, wurde Josef Werndl Zeuge die« ses Vorfalles. Er saß am Fluß, einer alten Bubengewohn«

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