Leopold Werndl und sein Sohn

Stein war nicht zu essen. Bombo ließ ihn fallen. Kleine und größere Steine, handgroße, hagelten auf Bombo und Nina. Geschrei von Kindern und alten Weibern klang auf: „Schlagt sie tot, die Hexe, schlagt sie tot, die Hexe!" Der Polizist Kajetan Gföller wußte, wer die Steine warf: Die Insassen vom Armeleutespittel, die Buben von der Straße. Das Gesindel, die Scherenschleiferischen, die im* mer dort sind, wo es eine schaurige Mär weiterzutragen gibt. Wortfetzen wie Cholera, Pest, Aussatz, hagelten hinter den Steinen her. Kajetan Gföller, ein alter Krieger vor Gott und der Welt, verdiente sich seinen Alterssold als Stadtbüttel. Er war froh darüber, denn er verstand we« der zu lesen noch zu schreiben und konnte seine Unter« Schrift nur mit dem Daumen auf das Papier drücken. So wußte er nicht, wie er sich in diesem Falle verhalten sollte. Der Tote wurde nicht wieder lebendig. Aus der Zigeune» rin konnte er kein Wort herauskriegen. Was sollte er tun? Die Herren bei seiner vorgesetzten Behörde würden froh sein, wenn er mit keiner Anzeige käme. Jede Anzeige brachte neue Arbeit mit sich. Kajetan Gföller überlegte: Zuerst würde er die alten Weiber, die Scherenschleiferi« sehen, die halbwüchsigen Buben davonjagen, dann Nina mit dem Bären fortschicken. Wohin sie ging, war ihm gleichgültig. Wäre ja noch schöner?, wenn fremde Leute ihm und seiner Behörde Scherereien bereiteten! Kajetan Gföller rollte wild die Augen, sein Schnauzbart stand ab> wehrend auf Sturm. Kriegerisch verkörperte der alte Sol« dat die hohe Obrigkeit. Mit Donnerstimme brüllte er: „Weg da, ihr Bagage! Aber schnell, sonst sperr' ich Euch in den Kotter!" Die Buben, die Scherenschleiferischen, die alten Weiber und Nichtstuer, die Tratsch« und Klatsch'« suchenden, zerstreuten sich schnell, hinkten davon, schlüpften in die schmalen, niedrigen Haustore, in die fast lichtlosen Höfe, in die steingebauten Geschäftsge«

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2