Büchlein hielt der hohe Herr in der Hand. Freiherr von Bruck erkannte es als seine eigene Broschüre. „Die Auf« gäbe Österreichs", einschneidende Reformen, die der Finanzminister für sein Land forderte; Verfassung für die einzelnen Kronländer, Freiheit der Wissenschaften, engen Anschluß an Deutschland. Freiherr von Bruck hatte diese Broschüre Seiner Majestät überreichen lassen. Er mußte warten, bis Franz Josef ihn ansprach. Der Kaiser legte seine Zigarre voll Bedacht auf den Aschen« becher: „Exzellenz, Sie kennen das Sprichwort: Viele Hunde sind des Hasen Tod! Exzellenz haben nur Feinde. Jeder Tag bringt neue Anklagen gegen meinen Finanz« minister. Die Politik meines Landes verlangt von seinem Staatsdiener Opfer. So leid es mir tut, ich kann Sie nicht halten. Ich werde Ihnen einen gnädigen Abschied geben. Ich danke Ihnen für alles, Exzellenz. In Ihrem Alter muß man ein bisserl auf die eigene Gesundheit achten. Haben Sie einen Wunsch, Exzellenz?" Freiherr von Bruck hatte nur einen Wunsch: Schnell aus den Augen des Kaisers zu kommen. Er spürte sein Blut zum Kopf drängen — rote Kreise schwirrten vor ihm. Er hätte laut schreien mögen: Mein Kaiser, für dich habe ich Gut und Blut hingegeben. Du läßt mich fallen, mein Kaiser, du sagst, viele Hunde seien des Hasen Tod — so schließt du dich meinen Feinden an, jagst mich aus Amt und Würden! Wußte Freiherr von Bmck nicht, daß der Habsburger Franz Josef der Erste, nur um des Frie« dens Willen sich zu diesem Opfer entschloß, daß er die innere Ruhe des Staates zum Wohle des Volkes höher als das ,,Ich" eines Staatsbeamten einschätzte . . .? Kaiserliche Leibgardisten rissen die Flügeltüren auf. Drei« mal verneigte sich Freiherr von Bruck tief. Franz Josef der Erste saß wieder an seinem Schreibtisch, die Feder
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