Leopold Werndl und sein Sohn

derte von Jahren vergraben hielten, stellten sie an diesem Tage zur Schau. Golden war der Sarg, golden die Kleii^ duiig des toten Königs, golden die Krone. Als die mitter» nächtliche Stunde schlug, stoben die Zigeuner in alle Welt» richtungen wieder auseinander. Sie würden schwieigen, niemandem sagen, an welcher Stelle sie ihren toten König in die Erde gebettet haben. Nina mußte weiter zurückdenken, viel weiter. Jere» mias wanderte mit Bombo, mit Nina, mit einem Esel, einem Papagei, einem Kakadu, zwei Schlangen, denen er die Giftzähne genommen, nach Anatolien, nach Rußland. Es waren schöne und traurige Tage, heiße und kalte. Tage der Freiheit und der Gefangenschaft. Eine Mutter kannte Nina nie. Jeremias stand als erster Mensch von Bedeutung in ihrem 'Leben. An seinem weißen Bart spielte das Kind, an seinem weißen Bart weinte das Mädchen. „Was ge» Stern war ist nicht gut", sagte Jeremias oft, „morgen wird ein guter Tag sein." Bombo, der Bär, wie alt er war, wußte niemand, konnte tanzen, konnte die Pfoten zum Gebet ineinander legen, konnte gewichtig mit dem Kopfe nicken. Nina sang dann ihre Lieder. In welcher Sprache sie sang, wußte sie nicht. Viele solcher Lieder hatte Nina an den Lagerfeuern der wandernden Gaukler in der weiten Ferne gelernt. Sie sang sie mit tiefer und heller Stimme. Ob in der Glut der Sonne, ob in der Kälte des Eises. Die Lieder blieben gleich. Bombo stampfte mit seinen festen Pfoten den Takt zu den Melodien. Ach, das war ein schö» nes Leben. Bombo zerrte an der Kette. Bombo riß Nina aus ihrem Traum. „Wer ist der alte Mann?" schrie Kajetan Gföller und zeigte auf den toten Jeremias. Ein Stein splitterte die Tür. Bombo, der Bär, schnupperte, mühte sich, auf die Hinter» füße hochzukommen, brüllte auf. Bombo nahm den Stein zwischen die Pfoten, leckte mit der Zunge daran. Der

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