dete, war davon nicht frei. Es kam nie der Richtige. Beim Suchen und beim Warten wurde Fräulein Scholastika nicht jünger rmd nicht hübscher, sie zählte schon an die Dreißig. Scholastika würde nicht mehr wählerisch sein, wenn ein rechter Mann ihr begegnete, würde Moral, Sitte und Anstand verwerfen. Josef Wemdl war der Held ihrer Träume, ihrer Sehnsucht. Stundenlang konnte Scho# lastika auf Josef warten, um ihm einen schönen Morgen oder gute Zeit zu wünschen, nach dem Befinden der Kin» der zu fragen, sich als Hilfe im Hause anzutragen. Festlich angezogen, das Gebetbuch sichtbar in der Hand, die Haare keusch und streng zurückgekämmt, wan# derte Scholastika an diesem Sonntag zur Kettenhuber# schleife. Lächelnd fragte sie, ob Josef auch spazierenginge, ob sie vielleicht gar den gleichen Weg hätten? Josef ver<= neinte: „Ich warte auf meine Frau, sie hat noch zu tun, zieht sich erst an," Fräulein Scholastika glaubte, Josef aus der Seele zu sprechen: „Ja, ja, Sie erbarmen mich schon, Herr Wemdl, sie brauchten eine ganz andere Frau, Ein Mann wie Sie müßte eine Frau haben, die immer be» reit ist. Habe ich recht, Herr Werndl? Ich bin zwar keine von denen, die einer anderen das Glück mit einem Manne nicht gönnen, nein, nein, aber wenn ich so sehe, wie Sie unglücklich dahinleben, da drückt mir's das Herz ab. Ich hab ja für niemanden zu sorgen, ich hab' bestimmt viel Zeit, wenn Sie Ihr Herz einmal arisschütten wollen," Fräulein Scholastika kam mit ihrem Angebot nicht weiter. Auf das Wort „ausschütten" war sie auch schon mit Wasser Übergossen. Frau Karoline, im Taftkleid, dem Frühlingstag angepaßt, hielt den leeren Wasserkrug in der Hand. Über Fräulein Scholastikas Haare, Gesicht und Kleid rieselte das Wasser. Einer naßgewordenen Klapperschlange glich die Federboa, die sich um ihren dünnen Hals ringelte. Frau Karoline nahm kein Blatt vor
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