Leopold Werndl und sein Sohn

Eines Tages stand eine alte Frau in gebeugter Hab tung mit schlohweißem Haar und unzähligen Runzeln im Gesicht vor Josefs Haus. Es war die Barometlerin, die Hebamme, die Josef geholfen hatte, zur Welt zu kommen. Madame Barometlerin stand mit ihren Dorfkindern auf dem Duzfuß, ob niedrig oder hochgeboren, sie rief alle beim Vornamen. „Das wäre noch schöner, wenn ich zu diesen Rabenbratln, die ich als erste gesehen habe, wie sie der Herrgott geschaffen hat, nicht Du sagen dürft'!" Sie schaute Josef prüfend ins Gesicht: „Wundere dich net, weil ich da bin. Ich hab dich sehen müssen, obst ein Herr worden bist. Und vergiß fein net, daß du ein Werndl bist, gell?" Josef hieß die gute Barometlerin sich auf die Hausbank setzen, holte eine volle Flasche Kaiserbirnen* Likör aus dem Haus, schenkte ein daumengroßes Glas voll. „So, Madame Barometlerin, jetzt trinken S' auf mein Wohl und auf meine Familie. Das ist a' große Freud', daß Sie zu mir gefunden haben." Ehrlich und freundlich klan* gen Josefs Worte. Madame Barometlerins Stimme war dünn geworden, einem hellen Glöcklein gleich: „Ich dank dir schön für den Gulden, den du mir alle Wochen ge* schickt hast." „Ist schon gut, ist schon gut", wehrte Josef. „Hast an' Wunsch, willst a' paar Hendln, a' Gans oder an' Truthahn? Nur net schenieren. Sag, was du auf dem Herzen hast. Die Flasche Kaiserbims'Likör nimmst mit nach Haus." Josef zeigte ehrlich seine Freude über den Besuch seiner Geburtshelferin. Madame Barometlerin trank ihr Glas leer, stellte die volle Likörflasche auf die Bank. „Dank' dir halt schön für alles, was du mir hast im Leben zukommen lassen — aber die Flaschen, die nehm' ich net mit, denn zum Aus* trinken braucht man Zeit: Ich hab' ka' Zeit mehr. Ich muß mich schleunen^ damit ich z' Haus komm'. Hast schon

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