Haus. Die Verwandten, die Bekannten aus dem Hause Werndl und Haindl senkten die Köpfe. Dem Priester hatte Leopold nicht viel anzuvertrauen. Er hatte nicht ge» stöhlen, nicht gemordet, seiner Frau stets die Treue ge» halten, für sein Haus christlich gesorgt. Keine Buße brauchte der Priester Leopold Wernidl aufzuerlegen. Kaum hörbar klang die Stimme des Sterbenden: ,,Herr, vergib mir, alles, was ich unbewußt gesündigt habe, ich habe es nicht gern getan. Amen." Das heilige öl wurde Leopold Wemdl gereicht, die Sünden vergeben, in latei« nischer und deutscher Sprache für seine Seele gebetet. Der Priester strich über den Sterbenden das heilige Kreuz« zeichen. In Ehrfurcht vor dem Tode beugte der Geist« liehe sein Knie. Der Mesner voran, der Priester hinterher, so verlies« sen sie das Sterbezimmer. Auf der 'Treppe warteten Werndls Freunde, Haindls Freunde, Bekannte, Gesellen, Arbeiter, Lehrlinge und Knechte zu hunderten. Die Eltern Haindl konnten es nicht fassen, daß der starke, arbeitsame Leopold Werndl schon aus dem Leben gehen sollte. Sei« ner Frau flüsterte Anton Haindl ins Ohr: „Der Nächste, der stirbt, bin ich." Einen gab es, der boshaft behauptete, Meister Werndl könnte noch lange leben, wenn er nicht von Jugend auf nur Arbeit gekannt hätte. Nie wollte er seinen Sohn Josef an seine Stelle setzen, für sich arbeiten lassen. Nie habe sich der Sterbende Rast und Ruhe ge« gönnt. Jetzt habe er's, der Leopold Werndl. Viele Neu« gierige waren unter den Knienden. Sie dachten nicht an das Beten, sie dachten daran, wer würde der Erbe sein? Sie sprachen es laut aus. Würde die Witwe mit den vie« len Kindern, oder würde der Josef alles allein erben, oder der Erstgeborene, der stets kränkliche, blasse Doktor der Rechtswissenschaft, der Leopold?
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