An der Klosterpforte ließ sie heiße Suppe verteilen, dazu altes Brot, wohlberechnet, damit es sich länger halte im Magen. Die Satten, die Geizigen, die Hartherzigen, sie hielten Umschau, daß keiner der Frierenden, Notleidenden in ihre lichterhellten gewärmten Zimmer sehe, nicht die üppig gedeckten Tische wahrnähme. Die Arbeiter, die Hungrigen hatten diese Tische mit ihrem Schweiß und ihrer Kraft gedeckt, nun standen sie außerhalb. In der Not allein gelassen, schrie ein junger Arbeiter über den Markte platz: „Jedermann denke bei jedem Handstreich, für dich, für dich bin ich auf der Welt!" In diese trost« und aussichtslose Zeit fiel der Tod des iLeopold Werndl. Achtundfünfzigjährig legte er sich, der unermüdlich Schaffende, mit hohem Fieber ins Bett. Sein Körper schwoll an und zeigte viele Wasserbläschen. Mei« ster Werndl glaubte, von einem Nesselausschlag befallen zu sein, er lehnte Arzt und Medikamente ab. Der Freund des Hauses, Purkstaller, war sich rasch im Klaren, ließ alle wissen, eine grausame Krankheit, die Cholera, habe Leo« pold Werndl gepackt. Wundarzt Moser aus Klaus fuhr mit seinem kleinen Schlitten, in Stroh und Decken wohl verpackt, durch Steyr. Er hörte von dem Cholerafall im Hause Wieserfeld Nr. 44, stieg aus, klopfte an die Haus# türe, bat den kaiserlichen Rat und Arzt Purkstaller — die Arzte kannten sich vom Hören und Sehen — ob er, der Wundarzt Josef Moser aus Klaus, seinem Kollegen bei der Bekämpfung der Cholera behilflich sein dürfte, bei Leopold Werndl zu wachen. Frau Josefa kochte starken Tee, starken Kaffee, stellte einige Tonflaschen voll weißen Holunderschnaps, in das Krankenzimmer. Die beiden Ärzte tranken den Schnaps ausgiebig, wuschen sich damit Hände und Gesicht, um sich vor Ansteckung zu schützen. Mit geschlossenen Augen kämpfte Leopold Werndl
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