Leopold Werndl und sein Sohn

frischer Wäsche angetan, verließ er, gestärkt durch ein kräftiges Frühstück, die Familie Doppier. Er schritt festen Mutes seinem Vaterhaus Wieserfeld Nr. 44 zu. Die Uhr schlug sieben Mal. Leopold Werndl ging heute nicht in seine Werk« Stätten, er lag im Bett, das Rheuma plagte ihn. Der Wund« arzt und kaiserliche Rat Purkstaller hatte seine liebe Not mit dem Patienten, der vor Schmerzen schrie, doch jede ärztliche Verordnung mißachtete. In Leopold Werndls Augen verstanden die Arzte nur viel Geld von den Brest« haften zu nehmen, höchstens aber Zähne zu ziehen, Blut« egel anzusetzen, Ader lassen, purgierende Mittel zu geben, lange über Gott und Teufel zu reden. Purkstaller ließ seinen Patienten ausreden, packte die schmerzenden Füße und Gelenke in heiße Tücher, legte heiße Dachziegel darauf und deckte zwei schwere Pferdedecken darüber. Ein Topf voll heißen Lindenblütentees tat das übrige. Schwitzen — schwitzen! Das Fenster stand nur einen kleinen Spalt weit offen, damit frische Luft ins Zimmer dringen konnte. Da ging die Tür auf, Josef trat an das Krankenbett, fiel in die Knie, küßte seinem Vater die Hand. Vernehm« lieh klang Leopold Werndls Stimme: „Gut, daß du da bist, kommst grad zur rechten Zeit. Zieh' dich um und geh' gleich in die Werkstätten, du mußt mich vertreten 1" Josef schämte sich sehr, seinen Vater oft mißverstanden zu haben, er glaubte jetzt, er sei ihm zu ungerecht, zu streng gewesen. Aber ein Vater will doch immer nur das Beste für sein Kind. So wie er mit seinem eigenen Leben fertig werden mußte, so mußte es auch der Vater. Jeder Mensch lebt sein eigenes Leben. Mutter Werndls Augen schwammen in Tränen, die alte Köchin Mathilde schluchzte laut auf, ließ vor Schreck

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