„Vaterländische Reise von Grätz über Eisenerz nach Steyr“

9 Ich sah Ifflands Elise von Valberg aufführen; eine Demoiselle Göttersdorf zeigte in der Rolle der Elise Anlagen für die Bühne, durch welche sie einst eine gute Schauspielerin werden könnte. Das Schauspiel fängt hier um halb sieben Uhr an; bürgerliche Familien nehmen vor dem Theater das Abendessen und beschließen mit dieser Unterhaltung den Tag. Ich wün- sche, dass das Theater für Steyr eine Schule der Lebensart, aber vorzüg- lich der Sprache werde; denn mir tat die singende, flache österreichi- sche Mundart, die mit einer Menge widriger Provinzial-Wörter angefüllt ist, äußerst weh. Eine schon unter Maria Theresia gut eingerichtete und dotierte Normalschule, dergleichen sich viele andere Städte nicht rüh- men können, hat diesem Übelstand noch nicht steuern können. Mit dem Anfange der Woche begann auch die Zeit meiner ange- nehmsten Beschäftigung: ich fing nun an, die Fabriken und die Werk- stätten der einzelnen Arbeiter zu besuchen. Außer vielen Webern, die auf eigene Rechnung arbeiten und kleinere Geschäfte machen, fand ich zwei größere Wollzeugfabrikanten, welche spinnen und weben auf dem Lande lassen, in der Stadt aber nur färben. Einer wohnt im Ensdorf, der andere hat im Steyrdorf ein sehr niedliches Haus, welches ganz mit Kup- fer gedeckt ist. Das Gewerbe dieser beiden Männer ist schon lange voll- kommen gegründet. In dem vormaligen Dominikanerkloster besah ich eine Manchesterfabrik, welche eben im Aufkeimen war. Sie lässt gleich- falls auf dem Lande spinnen und weben und hatte damals 24Weber. Ich beobachtete hier die Arbeit beim Aufschneiden des Zeuges; sie kammir sehr kümmerlich vor. Mit einer langen Nadel werden die in einer Reihe stehenden Maschen aufgefasst und dann mittels eines sehr scharfen Messerchens nach einer in der Nadel angebrachten Runze durchschnit- ten. Ein Schnitt wird beiläufig eine halbe Elle lang, und so muss durch die ganze Breite mit allen Maschen fortgefahren werden. Sollte es nicht möglich sein, dieses mittels einer Maschine zugleich zu tun? - Die Auf- lassung des Dominikanerklosters ging der guten Bürgerschaft sehr zu Herzen, sie schickte eine Deputation nach Wien und wollte Vorstellun- gen dawider machen. Nun hat man einen großen Teil des Gebäudes un- ter äußerst mäßigen Bedingungen der Fabrik eingeräumt; ich hoffe, die

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2