„Vaterländische Reise von Grätz über Eisenerz nach Steyr“

6 lächerlichen Zeremonien von den Stadthebern abgeladenwurde. Solche Beispiele, wenn sie auch in sich selbst von keiner Wichtigkeit sind, zei- gen doch, zu welchen Absurditäten die Menschen durch die Sucht, über andere eine Oberherrschaft zu behaupten, sich verleiten lassen. Aber wenn eine vormalige wirkliche Abhängigkeit schon lange in solche elende Huldigungen übergegangen ist, welche selbst kaum mehr exis- tieren: so erhebt dieses die Hoffnung, dass dieMenschheit sich von allen dergleichen Banden, die zur Verbindung der Staatsgesellschaft nicht nö- tig und eben deswegen erniedrigend sind, nach und nach loswinden wird. Weil der Tag nach meiner Ankunft in Steyr ein Sonntag war, so konnte ich die Fabriken und dieWerkstätten der einzelnenMeister noch nicht besuchen, sosehr ich dieses auch wünschte. Ichmusste also solche Dinge zum Gegenstand meiner Aufmerksamkeit machen, welche der Tag selbst anbot. Wenn ich bisher auf der Reise und in der Stadt die Oberösterreicher nur einzeln sah, so hatte ich nun Gelegenheit, sie in größerer Masse zu beobachten. Schon bei dem ersten Eintritt in das Land fiel mir die körperliche Bildung dieses Volkes vorteilhaft auf; ich fand mein Urteil immer mehr bestätigt. Die Oberösterreicher haben eine offenere und edlereMiene als die Steiermärker, eine höherer Stirn, größerer Augen und Nasen, schön gewölbte Augenbraunen, meistens samt Aug' und Haar dunkel. Ihr Wuchs ist größtenteils ansehnlich, aber bei Stadtleuten und vorzüglich bei dem weiblichen Geschlechte wird er oft durch einen hohen Speckrücken entstellt. Es kam eine Menge Land- leute in ihrem feiertäglichen Anzuge in die Stadt; sie sind darinmehr den Kärntnern als den Steiermärkern ähnlich. Die Männer tragen kleine, mit einem Seidenbande eingefasste Hüte mit niederemGupf, lange, dunkel- braune oder schwarze Röcke, die einen sehr kurzen und breiten Leib machen, mit weißen Metallknöpfen oder seidenen Knöpfchen von glei- cher oder von grüner Farbe. Der Rock ist mit geblümtem Kattun oder mit rotem Wollenzeug gefüttert, wovon letzteres an den Nähten ge- wöhnlich etwas vorgeschlagen wird. Unter dem Rock befindet sich ein sogenannter Brustfleck oder ein Leibchen von Kattun mit weißen,

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