„Vaterländische Reise von Grätz über Eisenerz nach Steyr“

12 welchen man mir zu einem Spaziergang dorthin machte. Ich erreichte dabei zwei Absichten mit einem Wege. Denn schon lange reizte mein Auge eine niedliche Rotunde, welche auf dem Abhang eines mäßigen Berges am rechten Ufer des Steyrflusses zwischen Wäldern steht und von den andächtigen Steyrern als der Sitz eines wundervollen Bildnisses mir gepriesen wurde. Es war an einem herrlichen Morgen, als ich in ei- ner kleinen Gesellschaft zwischen Feldern und schattigen Hecken dahin- ging. Mir schien diese Gegend die lieblichste aus allen um Steyr. Sie bil- det eine so schöne Ferne längs einer Kette von sanften Bergen; der Ru- hepunkt, welchen die Rotunde dem Auge gewährt, ist so treffend; der hellgrüne Fluss mit der emsigen Betriebsamkeit an seinen Ufern bringt so viel Leben in die Landschaft, dass man mit immer neuem Vergnügen hineinschaut. Wir gingen an einigen Papierfabriken vorüber, deren Fab- rikate vorteilhaft bekannt sind. Nach einer halben Stunde betraten wir den Berg, auf welchem der kleine Tempel steht. Durch seine Kuppel bre- chen die Äste und der Wipfel eines grünenden Waldbaumes durch und beschatten sie; der Stamm bildet den Altar. Er ist mit gefärbtem Blech umgeben, und ein hervorragender Ast trägt ein kleines hölzernes Jesus- kind, das nach der Natur bemalt und in eine Kapsel zierlich gefasst ist. Von diesem Kind erzählt man, dass es aus dem Stamm hervorgewach- sen sei. Ich weiß nicht, ob viele Menschen diese Sage glauben oder ob sie es nicht gelten ließen, wenn man ihnen sagte, es sei wahrscheinlich, dass ein andächtiger Künstler die zufällige Anlage eines Teiles dieses As- tes zu dem Leibe eines Kindes bemerkt und sodann auf demBaum selbst ein Jesuskind wirklich geschnitzt habe; dass andere mit ihm gleichge- stimmte Menschen große Freude daran gefunden und nach ihren Kräf- ten zur Verherrlichung dieses Bildes beigetragen; dass die Seltsamkeit des Werkes selbst und die Reize der Gegend viele religiöse Besuche hier- hergezogen haben; und dass nach der Zeit der wahre Hergang in Ver- gessenheit geraten und nichts als die Idee vom Hervorwachsen aus dem Baume übriggeblieben sei. Es wird selten Gottesdienst hier gehalten, ich bemerkte im Ganzen mehr Zuneigung zu dieser niedlichen religiösen Anlage als schwärmerischen Glauben. Bei dieser Kirche heißt es „Im

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