Die Lebensmittelversorgung in Steyr. In der heutigen Gemeinderatssitzung erstattete Bürger¬ meister Gen. Wokral folgenden Bericht über die Versorgungstätigkeit der Stadtgemeinde Steyr im Jahre 1920. Die Lebensmittelversorgung war im allgemeinen gegen¬ über dem Vorjahre bedeutend besser, da es doch möglich war, außer den zugewiesenen Lebensmitteln noch verschiedene Artikel, wie Fett, Oel, Reis, Teigwaren, Kartoffell usw. im reien Verkehre anzukaufen und als Zubuße auszugeben. Der durchschnittliche Verpflegsstand der Stadt Steyr betrug 24.031 Personen, verteilt auf nachstehende Versorgungs¬ gruppen: Stadtgemeinde: 13.947 Personen, davon 3628 Schwer¬ arbeiter: Allgemeine Bezirks=Spar= und Konsumgenossenschaft 9005 Personen, davon 3795 Schwerarbeiter; Wirtschaftsgenossenschaft des Bundes der deutschen Festbesoldeten 411 Personen, davon 74 Schwerarbeiter; Konsumverband industrieller Betriebe Oberösterreichs 201 Personen, davon 91 Schwerarbeiter; Staatsbahn 467 Personen, davon 159 Schwerarbeiter. Hiezu wird bemerkt, daß die bei letzteren vier Ver¬ sorgungsstellen rayonierten Personen dort Mehl, Brot, Zucker und diverse Zubußen direkt beziehen, während bezüglich Fleisch, Fett, Eier und Milch sämtliche in Steyr wohnhaften Personen durch die Stadtgemeinde Steyr versorgt werden. Die Versorgung mit den einzelnen Waren wird nach¬ stehend kurz geschildert. Die Mehlversorgung war gleich dem Vorjahre. Die Anlieferung und Ausgabe von Kochmehl und zwar ein halbes Kilogramm per Person und Woche ging regelmäßig vor sich. Auch konnte als Zubuße öfters Reis, Teigwaren, Bohnen und Hirsebrei ausgegeben werden. Die im Sommer 1919 auf 1575 Gramm pro Normallaib und 1225 Gramm per Zusatzlaib erhöhte Brotquote wurde mit 29. Februar wieder auf 1260 Gramm und 980 Gramm herabgesetzt. Nach Qualität war das Brot im Laufe des Jahres sehr verschieden. Während durch vier Monate mangels Schwarz¬ mehl zum Großteil amerikanisches Feinmehl zur Brot¬ erzeugung verwendet wurde, mußte ab September zur Surrogierung 30 Prozent Maismehl verwendet werden, wodurch in weiterer Folge der 90prozentigen Ausmahlung des Weizenbrotmehles ein Brot von sehr schlechter Qualität in den Konsum kam. In der Fettversorgung war insoferne eine Besserung zu verzeichnen, indem es durch Beschaffung von ausländischem Schweinefett, Pflanzenfett und Oel gelang, die wöchentliche Kopfquote auf 16 bis 18 Dekagramm zu erhöhen. Die Butterzuweisung ging gegenüber dem Vorjahre noch bedeutend zurück. Die Eieranlieferung hat sich gleichfalls gegen¬ über dem Vorjahre noch verringert, sodaß nur jede zweite Woche per Person ein Ei ausgegeben werden konnte. Die Versorgung mit Käse hat sich gegenüber dem Vor¬ jahre etwas gebessert und zwar wurde jede Woche eine kleinere Partie Kamenbertkäse zugewiesen. Die Fleischversorgung war gleichfalls etwas besser, ließ jedoch noch immer sehr viel zu wünschen übrig. Es konnte größtenteils nur eine Kopfquote von 15 Dekagramm per Woche zur Ausgabe gelangen. Die Stückanzahl der angelieferten Rinder war gegen¬ über dem Vorjahre wohl bedeutend höher, jedoch war haupt¬ sächlich das aus den Mühlviertler=Bezirken angelieferte Vieh meist minderer Qualität. Von den zugewiesenen Rindern wurden 22 Ochsen, 380 Kühe, 22 Kalbinen, 39 Stiere, 5 Kälber und 5 Schweine den Selchern zur Wursterzeugung zugewiesen; außerdem mußten vielfach, um die bescheidene Kopfquote ausgeben zu können, direktes Wurstvieh (Beinlvieh) den Fleischhauern als Bankvieh zugewiesen werden. Eine Erleichterung in der Fleischversorgung trat durch die verhältnismäßig gute Versorgung mit freiem Schweine¬ fleisch und Wurstwaren ein. Wild wurde im Berichtsjahre überhaupt nicht angeliefert. Die Kartoffelzuweisung aus der Inlandsernte des Jahres 1919 war eine sehr geringe, so daß für das ganze Wirtschaftsjahr nur 20 Kilogramm per Person ausgegeben werden konnten. Infolgedessen war die Stadtgemeinde ge¬ zwungen, im Frühjahre ausländische Kartoffel zu hohen Preisen anzukaufen. Diese Kartoffel langten teilweise im schlechten Zustande ein, ein weiterer Teil ging in den Lager¬ räumen infolge der geringen Haltbarkeit zugrunde, sodaß die Stadtgemeinde durch diese Kartoffelkäufe einen be¬ deutenden Schaden erlitt. Die Zuckerzuweisung war eine sehr mangelhafte. Mit Ausnahme für Kinder und Kranke gelangte zum Gro߬ teil Rohzucker und zwei Monate als Zuckerersatz nur Saccharin zur Ausgabe. Auch wurde die Kopfquote bei Weißzucker von 75 Dekagramm auf 60 Dekagramm pro Monat herabgesetzt. Die Versorgung mit Milch bereitete dem Wirtschaftsrate und Wirtschaftsamte die größten Schwierigkeiten. In den Monaten Februar und März wurde die Zentralisierung endgültig durchgeführt, wodurch die gesamte zugewiesene Milch erfaßt und eine gleichmäßige Aufteilung durchgeführt werden konnte. Der Ankauf von 350 Milchkühen im Innviertel und Verkauf derselben an die Landwirte der Umgebung brachte leider in Bezug auf Milchlieferung nicht den erhofften Erfolg. Durch die Ueberstellung dieser Milchkühe wurde nämlich vereinbarungsgemäß die Lieferung von täglich zirka 1200 Liter Milch eingestellt, während hier trotz aller Bemühungen die erhoffte Mehrlieferung von Milch weit hinter dieser Menge zurückblieb. Der eine Vorteil wurde durch die Ueberstellung der Milchkühe erreicht, daß anstatt der in den Sommermonaten regelmäßig im sauren Zustande eingelangten Innviertlermilch jetzt von den Landwirten der Umgebung mehr Süßmilch nach Steyr geliefert wird. Nach vielen Bemühungen ist es gelungen, durch die Landesregierung ein weiteres Milchbezugsgebiet in Hargels¬ berg zugewiesen zu erhalten. Leider konnte trotz dieser Zuweisung eine Mehr¬ anlieferung an Milch nicht erzielt werden, da gleichzeitig die Gemeinden St. Ulrich und Garsten die Milchzuweisungen nach Steyr mit der Begründung eines erhöhten Eigenbedarfes um mehrere hundert Liter reduzierten. Die durchschnittliche Tagesanlieferung betrug 2800 Liter. Trotz der vom Wirtschaftsamte durchgeführten, bedeutenden Kürzung der Kopfquoten der bezugsberechtigten Personen (mit Ausnahme der Kinder im ersten Lebensjahre) konnten die ausgegebenen Milchkarten nie voll eingelöst werden. Bei 8000 in Steyr wohnhaften Personen beziehen überhaupt keine Milch. Als Ersatz konnte eine entsprechende Menge Kondensmilch abgegeben werden. Nachstehend werden die im Jahre 1920 seitens der Stadtgemeinde Steyr an die Bevölkerung zur Ausgabe ge¬ langten Waren angeführt. Fettstoffe: im Vorjahre 28.700 Kilo Butter 34.350 Kilo 15.900 Olivenöl 6400 „ Speck 9863 „ 30.800 Margarine ... 30.590 „ 21.076 „ . 5800 „ Pflanzenfett sonstiges Fett . . . 43.437 „ 8593 „ Gemüse: im Vorjahre 841.868 Kilo Kartoffeln 593.000 Kilo Erdrüben 1914 „ — Kraut 22.316 * 8866 Zwiebel 4057 Gurken „„ 3800 Sauerkraut sonstiges Gemüse .. 19.944 27.000
Mahlprodukte und Hülsenfrüchte. im Vorjahre 1,325.000 Kilo 1,326.274 Kilo Mehl % * Kartoffelmehl 25.875 „ 468 „ Nestles Kindermehl (Dosen) 384 „ — Haferreis 19.722 „ „ 3500 „ Kastanienmehl 7 Haferschrott 1200 „ 4800 28.722 Haferflocken 7 14.380 „ Reis 31.334 „ 3885 „ Hirse 11.955 „ Teigwaren 7 1700 „ 10.457 „ Bohnen 23.355 „ 469 Erbsen 9204 „ 7646 „ Zwieback Wild und Fleischware. im Vorjahre 105 Stück Gemsen... — Hochwild . . . . — 118 „ Rehe... .. — 440 „ Hasen .. . .. — 546 Fasanen.. — 6 Stück — Rebhühner 2 „ Schweinefleisch . . — 2660 „ . — Wurst 817 „ 1730 Kilo 10.000 „ Fische n h Futtermittel. 1d 2d im Vorjahre Heu 27.184 Kilo — Kilo Stroh 8685 7 Klee. 14.335 „ „ 6020 Hafer „ Sonstige . . . 56.587 „ 56.900 „ Brennmaterialien. im Vorjahre 1780 m3 Holz 4000 Tonnen 3790 Tonnen Kohle Verzeichnis der im Jahre 1920 zur Schlachtung und Ausschrottung gelangten Schlachttiere. □ — 41 1 8 Monat 16 G 8 S 5 W *) 587 Jänner 55 95 13 72 317 32 29 101 19 40 17 408 49 Februar 116 15 44 235 — 86 528 März April 111 13 54 20 61 76½ 607½ * * 115 18 63 374 5 40 634 1 Mai Juni 19 109 2 62 480 1 18 710 45 Juli .. 15 119 13 56 591 343½ . 16 105 14 August 12 12 38 756 27 September .. 25 110 8 81 608 Oktober 5. 113 6 40 302 24 116 654 November .. 48 106 4 332 100 219 834 Dezember. 83 128 9 26 359 74 152 831 Zusammen .. 417 1328 153 598 4268 284 953 8001 Im Jahre 1919. 438 1292 941 1476 880 129 425 5581 d. i. mehr . . . — 1 36 — 3388 155 528 4107 d. i. weniger. . 21 — 788 878 1687 insgesamt gegenüber dem Vorjahre um 2420 Stück mehr. Käse und Milch. im Vorjahre 460 Kilo 1900 Kilo Käse 31.228 Stück 8335 Stück * Weichkäse *)905.368 Liter 605.870 Liter Milch 16.880 Dosen 15.840 Dosen Kondensmilch 1200 Kilo Eier. Abgegebene Eier 567.555 Stück, im Vorjahre 749.366 Stück. Kaffee, Zucker und sonstige Waren. im Vorjahre 29.300 Kilo Kilo Obst 670 „ Bohnenkaffee 50.942 „ **) 77.400 Zucker 50 „ 210 „ Malzextrakt 76 Waschmittel 450 1600 „ Soda 59 „ Seifenersatz 230 30.000 „ Seife 1076 Stück 5000 Kerzen Zum Schlusse erlaube ich mir noch einige Daten aus dem seitens des Stadtkassenamtes vorgelegten Rechnungs¬ abschlusses des Städtischen Wirtschaftsfonds Steyr pro 1920 anzuführen: Der Rechnungsabschluß pro Jahr 1920 weist ein Rein¬ vermögen von 13.332·63 Kronen aus. Nachdem die vorhergehenden Verwaltungsjahre mit Defizit abgeschlossen haben, bedeutet das Reinvermögen einen Erfolg für das Jahr 1920. Das Gewinn= und Verlust=Konto weist an Gewinn ,162.021·82 Kronen nach, dem gegenüber die Verluste und Verwaltungsauslagen im Betrage von 1,148.699·19 Kronen stehen. Die mit Gewinn, resp. Verlust abgeschlossenen Konti, sind im Gewinn= und Verlust=Konto des Rechnungsabschlusses detailliert angeführt. Der kassenmäßige Umsatz im Jahre 1920 hat sich gegenüber dem Jahre 1919 bedeutend vermehrt. Das Kassebuch (Kassen=Konto) hat an Einnahmen Kronen 31,131.505·63 31,032.408·34 an Ausgaben Zusammen Kronen 62,131.913·97 als Gesamtumsatz zu verzeichnen. Zeigt die Lebensmittelversorgung, insbesondere was Mahlprodukte, Hülsenfrüchte, Wild und Fische anbelangt, eine Minderung, so erfolgte die gesamte Versorgung weit klagloser und regelmäßiger. Noch sind viele Schwierigkeiten zu überwinden. Durch weiteres unermüdliches Zusammen¬ wirken des Wirtschaftsamtes mit der Bevölkerung durch den Wirtschaftsrat wird es hoffentlich gelingen, auch diese Auf¬ gaben in Zukunft befriedigend zu lösen. Es sei hiemit allen Mitgliedern des Wirtschaftsrates wie sämtlichen Angestellten für die aufopfernde Mühewaltung gedankt und knüpfe ich hieran die Bitte um weitere eifrige Mitarbeit im Interesse der gesamten Bevölkerung. *) Die höhere Literanzahl Milch gegenüber dem Vor¬ jahre erklärt sich dadurch, daß infolge der durchgeführten Zentralisierung die gesamte Milch durch das Wirtschaftsamt verrechnet wurde, während im Vorjahre noch sehr viel Milch von den Parteien direkt von den Landwirten übernommen und dort bezahlt wurde. Bezüglich Zucker wird bemerkt, daß ein Großteil 1 des benötigten Zuckers durch die Grossisten Firmen Seiler und Peteler den Vecschleißern zugewiesen und verrechnet wird. Insgesamt wurden an Lebensmitteln im Jahre 1920 an die Bevölkerung zur Ausgabe gebracht und durch das Stadtkassenamt verrechnet (mit Ausnahme der rationierten Fleischmengen) 2,628.955 Kilogramm, 590.531 Stück und 905.368 Liter. Weiters wird noch das Verzeichnis der im Jahre 1920 zur Schlachtung und Ausschrotung gelangten Tiere angefügt.
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