Tonvase staken Dahlien; ein Kruzifix schmückte die Wand. Ich fragte, ob ich mich auf die Holzbank setzen dürfe. Darauf werden Sie nicht gut sitzen, sagte die junge Frau, man be kommt Beulen davon. Ich bin harte Möbel gewöhnt, sagte ich. Laß ihn doch, wenn er gern möchte! sagte die alte Frau. Offenbar erriet sie meinen Wunsch, auf dem abgenützten Möbelstück, das noch aus meiner Zeit stammte, auszuruhen. Mein Mann wollte die Bank schon zersägen und verheizen, sagte die junge Frau, sie paßt ei gentlich gar nicht herein in das Zimmer zu den Fauteuils und dem Sekretär, aber die Kin der haben protestiert; sie mögen die Bank. Meine Mutter meinte auch, wir sollten sie stehen lassen; die Kinder spielen darauf. So haben wir sie an die Wand gerückt. Also sie hat auch Enkelkinder! dachte ich. Ich setzte mich, und im Stillen dankte ich der alten Frau, daß sie das Zersägen der Bank verhindert hatte. Mir fiel der dazugehörige, mit rotweißkariertem Tuch bespannte Tisch ein. Bei den Mahlzeiten hatte er Frieden in unsere Münder getragen. Ob es den noch gab? Die junge Frau erzählte, daß sie das Haus von einem Realitätenhändler gekauft, als sie ge heiratet hätten; ihre Mutter habe dazu geraten. Die hat noch, lächelte sie, den einstigen Be sitzer gekannt, der das Haus gebaut hat. Von der Bank aus hatte ich einen bequemen Blick auf den Garten. Abgefallenes Laub war um die Apfelbäume gehäufelt. Überraschend, wieviel Last so ein Baum trug: Last an Laub, Früchten, Jahren! Auch die Birke stand noch, die mein Vater gepflanzt hatte, als ich gebo ren wurde. Das war "mein Baum" gewesen; anfangs hatte er nicht gedeihen wollen, und meine Mutter hatte sich geängstigt, weil es hieß, wenn ein zur Geburt eines Menschen gepflanzter Baum einginge, stürbe auch der Mensch, für den der Baum gepflanzt sei, und ich war damals ein schwächliches Kind und häufig krank gewesen. Ein Stücke Erde war frisch umgegraben. An einer Leine war Kinderwäsche zum Trocknen aufgehängt. Hinten vertiefte sich das Grün in den spitz zulaufenden Wacholderbüschen und dem dunklen, geheimnisvol len Glanz der Eiben. Eine Thujahecke verschloß die Grenze zum Nachbarn. Hier war eine gleichmäßige, geordnete Welt, ohne Fieber, ohne Hast, ohne Brüchigkeit. Der Garten barg noch die Vergangenheit. Die Tochter ging, um Tee zu kochen, und die alte Frau und ich blieben allein. Ich fragte, wie es jetzt hier sei, seit der Eingemeindung in die Stadt. Sie haben Hochöfen gebaut, antwortete die alte Frau, die Männer arbeiten alle in der Indu strie. Sie verdienen dort besser. Sie schwieg. Und du? fragte sie plötzlich. Hast du erreicht, was du wolltest? Nein, sagte ich, aber wer kann das schon von sich behaupten? Die Tochter kehrte mit Geschirr auf einem Tablett aus der Küche zurück. Sie teilte Schalen aus, holte den Tee und goß ein. Wir sind froh, daß wir das Haus haben, sagte sie, besonders seit die Kinder da sind. Man ist weniger beengt, und die Kinder haben im Garten ihren Auslauf. Der Mann der jungen Frau war Schlosser im nahegelegenen Stahlwerk. Zuerst habe sie als Verkäuferin mitverdient, aber nach der Geburt der Kinder habe sie ihren Beruf aufgeben müssen. Das Haus hatte sie beide ihre sämtlichen Ersparnisse gekostet; den Rest des Kaufpreises hatten sie mit einer Hypothek abgedeckt, für die sie nun eine monatliche Bankrate entrichteten. Seither ist das Geld knapp, sagte sie, man muß zusehen, wie man durchkommt! Ja, sagte ich, die Probleme sind immer die gleichen: essen, trinken, Kinder aufziehen, das sind die Dinge, die wichtig bleiben für Menschen . . . Draußen warf quirlende Lustigkeit Fontänen von Gelächter in das Gartengrün. Das sind die Kinder, sagte die alte Frau, sicher treiben sie wieder eines ihrer selbsterfundenen Spiele! Franz und Karl, rief sie aus dem Fenster, müßt ihr solchen Lärm machen? Springt nicht dauernd über die Gemüsebeete, ihr zertrampelt alles! Sie kam an den Tisch zurück, und wir tranken den Tee. Später kamen die Kinder herein; sie waren hungrig, und die junge Frau strich ihnen Butterbrote. 95
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