Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

Weil ich weiß, ich kann nur ein Jahr da bleiben, also, drum hab ich das schnell hingeklebt (er deutet auf die vielen Fotos, die an den Wänden kleben). Es ist aber nicht — mein Wesen ist das nicht. Mein Wesen ist die Verlangsamung. Drum steh ich auch auf den Petersdom. Das Innere vom Petersdom, so was fasziniert mich. Oder überhaupt Kirchenschiffe. Ich geh zwar nicht gern in Kirchen, aber wenn ich geh, dann nur wegen der Kunst. Drum häng ich auch so an ihm (Tut Ench Amun), wegen dem Blau und dem Gold und der Beständigkeit. Glas ist auch beständig. Man müßte für Glasflaschen, für Gläser nur schöne Gläser nehmen, Kristallgläser. Das ist ja meine Theorie, daß man sich verlangsamt. Nicht immer schnell, schnell . . . Zum Beispiel der Plattenspieler da. Das seh ich eh, schlechte Qualität. Was hab ich denn davon? Nichts. Man brauchte überall nur die beste Qualität. Beim Wein sowieso, glaub ich, wirklich nur den guten Wein. Es liegt ja nur an der Verlangsamung. Das bringt mich ja so durcheinander. Der Leonardo da Vinci hat es richtig gemacht in meinen Augen. Der hat die Mona Lisa gemalt und — das ist mein Stil. So wie der Rudolf Hausner auch. Drum gefallen mir ja die Bilder von ihm. Drum gefallen mir auch die Bilder von Salvadore Dali. Nicht, weil er so spinnt, der Dali, sondern, weil er langsam malt. Der Picasso wieder gefällt mir nicht, weil der Picasso bin ich, in dem Zimmer, weißt, schnell, schnell, ein Bild nach dem anderen — und da seh ich wieder den Krieg darin. Sehr gut gefallen mir auch die Breughel-Bilder oder die Bosch-Bilder. Meine Mutter hab ich angelogen, habe ich gesagt, ich werd immer gesünder, sagt der Arzt. Und tatsächlich, es ist mir gelungen, sie zu beruhigen. Natürlich ist das eine Lüge. Aber bes ser ich lüg, als wie wenn ich sag, es geht mir sauschlecht, es kann mir niemand helfen. Denn wenn ich sag zu ihr, es kann mir niemand helfen, ist das auch nicht gut für sie. Aber so, wenn ich sag, der Arzt meint, es wird immer besser mit mir, dann hat sie wenigstens eine Beruhigung, eine Sicherheit. Denn ich weiß ja sowieso, wie es um mich steht. Oder es kann sich etwas ändern bei mir. Vielleicht werd ich gesund? Das weiß man nicht. Ich glaub zwar nicht dran, aber vielleicht ändert sich doch irgendetwas. 77

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