Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

ges Mitglied der Gesellschaft, weil ich gehandicapt bin durchs Dapotum. Sagen wir, daß ich 2000 Schilling weniger krieg. Ich wär glücklich. Aber solche Einrichtungen gibt's nicht. Drum hab ich wieder Angst. Ich hab wieder Angst: was passiert nach diesem halben Jahr? In der Klinik verdienst du 150 Schilling im Monat. Da hab ich Schaukelpferde angestri chen, lackiert. Und nach vier Monaten — vier Monate hab ich dazu gebraucht — hab ich den Pinsel weggelegt, hab gesagt, nein, so etwas laß ich nicht mit mir machen! Hab sofort aufge hört. Auf der Stelle hab ich aufgehört. Dann bin ich nur herumgelungert. Dann hab ich mir gedacht, wenn wir bezahlt würden, ein bißchen weniger wie die anderen, dann wär das . .. aber so hast du die Krankheit auch noch. Da wirst verzweifelt irgendwie. Du hast kein Selbstbewußtsein, kein Selbstwertgefühl. Kannst auch gar nicht kriegen. Für 150 Schilling im Monat! Steü dir das vor! Daß alles so arg ist in der Psychiatrie, liegt an der Architektur, an der Kleidung, und auch an der Unpersönlichkeit und an der Hochnäsigkeit der Ärzte. Die schließen sich ja zusammen. Die wollen ja mit den Patienten nichts zu tun haben. Die wollen sich schützen, daß sie nicht selbst zu spinnen anfangen. In der Psychiatrie hab ich den Ärzten gar nichts erzählt, weil ich das Gefühl hatte, daß sie mir sowieso nicht helfen können. Wenn ich wüßte, ich könnte zwei Wochen reden mit dem Arzt . . . aber wenn ich weiß, nur damit er mir das und das Medikament verschreibt? Ich bin mit der Psychiatrie eingefahren, damals in Deutschland. Da hatte ich noch an sie ge glaubt. In Stuttgart war das. Schau, in der Klinik, wenn ich da Vorschläge machen würde, wie das und das gemacht gehört — die würden mich nicht ernst nehmen! Aber so machen die so einen Senf zusammen, da ist nichts dahinter. Und man wird nicht ernst genommen, ich hab mir jetzt schon gedacht, daß ich mir Heimarbeit besorg. Bis jetzt hat der Übergang bei mir — für mich hat's momentan keinen Sinn. Weil ich werd dicker und sitz herum und rauch eine nach der anderen. Das liegt aber schon an mir. Ich müßt um sechs Uhr aufste hen, lange Spaziergänge machen, damit ich fit bin. Für die Arbeit mußt ja auch fit sein! Wenn ich da nach dem Jahr hinausgehe, in dem Zustand, da fall ich gleich wieder um. Ich hab ja Gelegenheit zu arbeiten. Wir haben jetzt wieder Ton gekriegt, 10 kg. Aber ich will mich nicht allein hinsetzen — aber vielleicht setz ich mich doch allein hin, vielleicht kann ich die anderen anspornen, irgendwie? Aber es ist so blöd, ich kann nicht mehr lesen, zum Beispiel das Buch da: Dem Kosmos auf der Spur. Das kann ich nicht lesen, da komm ich nicht durch. Vielleicht zwanzig Seiten — und dann hab ich so eine Anspannung in den Füßen durchs Dapotum. Und durchs Akineton verschwimmt wieder alles. Wenn du da zwei Tabletten von denen nimmst, dann kannst nimmer lesen. Um der Krankheit vorzubeugen, müßte ich trainieren, Sport betreiben. Aber wie soll ich das machen mit dem Schwimmen? Ich kann es mir ja nicht leisten, ich kann nicht schwim men gehn. Jeden Montag haben wir eine Vollversammlung im Haus. Da kommen die Sachen zur Spra che, die nicht hinhauen. Da redet jeder. Nicht immer, weil es nur eine Stunde dauert. Da kommen verschiedene Punkte zur Sprache. Meistens wird eh nur kritisiert. Wenn zum Bei spiel der Richard die Fensterscheiben einbaut, wie es jetzt passiert ist, dann geht's darum, soll der Richard nun die Medikamente nehmen oder nicht? Das wird bei der Versammlung heut wieder beredet werden. Mir geht das natürlich auf die Nerven, weil ich schon genau weiß, was wieder kommt. Aber vielleicht müßte man das übersehen und wirklich etwas machen, vielleicht eine Ar beitsgemeinschaft oder so. Ein VW-Bus wär eine G'schicht, wenn wir den hätten. Ich zum Beispiel suche gern Fossilien, aber ich kenn mich in Linz nicht aus. Gut, das ist eine Ausre de auch. Denn ich brauchte nur zum Pleschinger - See gehen, da gäbe es Haifischzähne. So etwas interessiert mich. Aber da bin ich allein . . . Meine Ziele wären, daß ich arbeiten gehe und daß ich eine Wohnung hätte. Und wenn alles 73

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