Landstrich 1983, Nr. 3, Widerstand

Werkzeug mehr. Ich habe da ein Buch geschrieben — oder bin im Begriff, es zu schreiben, — über Leute, die was Bestimmtes wollen. Die nicht getrieben sind. Das sind verschiedene Phasen. Später kommen Leute, die sich alles aussuchen können. Mit wem sie verkehren. Die sind weitgehend unabhängig. Sie sind nicht unabhängig in dem Sinn, daß sie nicht be einflußbar wären. Aber das ist nicht wie bei Leuten, die in einern Betrieb arbeiten. Die sind ja immer mit Menschen konfrontiert, die sie nicht ausstehen können. Das sind Leute, die sehr wohl über sich verfügen können, das aber zum Teil wieder nicht nützen. H: Was sind das für Menschen. Läßt sich das von der sozialen Situation, vom Ort her ein grenzen? F: Das sind in erster Linie Leute, die in Italien leben. Das sind Italiener. Ich stelle da etwas gegenüber, was im Norden anfängt, in der Industriewelt und dann in Italien weitergeht. Wo ich das Nördliche dieser südlichen Mentalität gegenüberstelle. H: Eine Konfrontation des dunklen, sonnenarmen Nordens . . . F: . . . des Nordens auch, wo die Leute unbeholfen sind und nicht zu leben wissen. Man muß ja heute von anderen Dingen reden. Wir haben keine Geldnöte mehr. Es gibt zwar al les mögliche bei uns, aber etwas, wo man weiß, das machen wir mit Freude, das ist uns ein Anliegen, wird uns immer fremder. Das haben die Italiener, auch die Franzosen. Wir haben eine ganz andere Vorstellung. Bei uns ist eher maßgeblich, wie ich jemanden ausnehme. Das ist unsere Mentalität. Die haben ein unheimlich feines Gefühl für Individuen dort. Das ist eine wesentlich humanere Gesellschaft. In meinem Buch geht einer weg von der Uni, strei tet sich mit einem Freund, erwartet sich nicht weiß Gott was, trifft in einem Barackenla ger tolle Leute. Arbeiter, die sehr interessiert sind. Einige wenige allerdings. Später kommt er wieder zurück, die Firma geht ein, die Leute werden abgebaut. Er trifft die Uni-Leute von früher. Die laß ich dann reden. Was sie sagen — das sind Zitate — ist nichtssagend, un heimliche Phrasen. So kommen die raus. Bei den Arbeitern geht es um Existenzen, die viele Sachen noch nicht erreicht haben, die aber Hoffnungen haben, daß sich was ändert. Der Er zähler kommt dann später nach Italien und erlebt dort wider Erwarten beeindruckende Dinge. In Mittel- und Süditalien ist der Gast etwas Besonderes. Das ist eine Zeit, wo die Arbeiter noch hoffen, daß die kommunistische Partei wieder an die Macht kommt, daß da durch was besser wird. Da gibts natürlich zwei Seiten. Der ist nicht begeistert zu erkennen, daß die sich nur auf die Partei verlassen. Es kommt stellenweise heraus, daß der Erzähler um mehr Individualität kämpft unter den Leuten. Er versucht klarzumachen, daß es nur ei nen Ausweg gibt. Man muß an sich selbst arbeiten. Diese Menschen gehen nicht — wie wir — auf lange Ziele hin. Das geht von heut auf morgen. Der Norden hat viel mehr Kraft, mehr Macht. Der Norden wandert immer weiter runter. H: Der Norden frißt den Süden. F: Er saugt ihn auf. Nimm so ein brillantes Individuum, stell es in den Norden hinein, und es geht ein. Ich glaube auch nicht, daß es noch einmal eine Erholung gibt aus dem Ganzen. Das ist eine unheimliche Reduzierung des Lebens. H: Vielleicht blüht etwas Neues aus dem. F: Blühen wird da sicher nichts mehr. H: Und die Kraft des Südens wird nicht so groß sein, daß er dem Norden entgegenwachsen kann. Die graue Revolution eindämmt? F: Nein. In Italien ist es so: je weiter südlich, desto schlechter. Vom Norden spricht man eher mit Respekt. In den Süden, das wär zurück in der Geschichte. Der Süden ist das, was wir verlassen möchten. Alles deutet darauf hin. Der Norden hat eben gesiegt, mit seinen Statistiken. Wenn man in Italien von Süden nach Norden mit dem Zug fährt, stellt man folgendes fest: Im Süden reden die Leute von den Leuten. Kaum im Norden reden sie von der Objektivität. Man hat das Gefühl, solche Leute existieren kaum noch. Die Menschen im Süden sind auf jede Kleinigkeit stolz, die sie gemacht haben. Im Norden unterwerfen 43

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