nicht nur die eigene Scheiße im Auge behalten. Ich brauche jetzt einen größeren Kühl schrank oder einen dritten Fernseher, ein zweites Auto und so weiter. Da kommt nichts mehr. Lange Zeit war da sehr viel enthalten. Da sind immer wieder Leute herausgekom men. Das andere sind die Institutionen, wo die Leute versuchen hineinzukommen. Die stellen fest, da wird eine Individualität ja nicht mehr erlaubt. Da braucht man ... H: . . . gleichgeschaltete Typen . . . F: Ja. Von gewissen Hoffnungen, die mir früher vorgeschwebt sind, muß ich jetzt abgehen. Ich muß mir da was anderes einfallen lassen. Ich meine, ich gehe wahrscheinlich nicht da von ab, aber ich muß den Akzent woandershin verlegen. Wir sind ein Wohlstandsstaat. Ob wohl es Leute gibt, auf die das überhaupt nicht zutrifft, die man nicht sieht, die unter schlagen werden. H: Die Leute, auf die du einmal gesetzt hast, waren das die Arbeiter, die sich langsam ein Selbstbewußtsein erarbeitet haben? F: Nicht nur. Im neuen Manuskript beschreibe ich zum einen Teil eine Belegschaft. Da wird sehr wohl unterschieden zwischen denen, die Schulen besucht haben und Idealisten sind und denen, die den Weg des geringeren Widerstands gegangen sind. Ich arbeite auch heraus, daß der Horizont der Arbeiterschicht eben seine Grenzen hat. Zugleich geht es mir um Leute, die was zu verändern suchen, aber überrollt werden. An der Uni hat's ja auch eine Wende gegeben. Wie ich dort war, hat es viele Leute gegeben, die sich mit Professoren angelegt haben. Man hat sehr viel diskutiert. Die Zeiten haben sich geändert. Es sind Stu denten nachgekommen, und die machen das ganz anders. Die sagen von vornherein nichts mehr. Die machen alles, wie blöd und deppert das auch ist. H: Da sind die Impulse der sechziger Jahre verebbt. F: Ich will nicht auf diese 68er Zeit eingehen. Ich war damals noch Arbeiter. Man hat zwar davon gehört, aber es hat sich bei den Arbeitern nicht so niedergeschlagen. Ich schreibe nicht nur über tatsächlich existierende Leute. Ich erfinde auch Leute. Manchmal braucht man Figuren, um etwas auszudrücken. Trotzdem sind das natürlich Resultate und Erfah rungen. Wenn ich Führer der 68er Zeit heute sehe, was die heut machen, kommt mir ein fach das Kotzen. Das war für die wirklich nur ein Ausflug. So, jetzt verändern wir einmal alles, Arbeiter geht mit. Ich versuche das so zu beschreiben, daß ich einerseits den Arbei tern recht geb, weil sie das nicht gemacht haben. Andererseits, die Arbeiter, die kritisier ich dabei auch. Ich konfrontier sie mit einem, der von da oben weggeht. Und die sind froh, einen zu erwischen, der ihnen Auskunft geben muß, was eigentlich los war. Da gibts ein paar Arbeiter, die sehr interessiert sind. Der fragt aber auch zurück, was habt denn ihr ge macht. Ihr habt immer auf eure Sicherheit geschaut und jetzt steht ihr wieder wie die Och sen vorm Tor da. Das sind sehr vielschichtige Probleme. Die Veränderbarkeit der Menschen läßt sich nicht mehr einfach auf einen Nenner bringen. Ich habe ja nie auf eine Masse ge setzt. Aber man muß wahrscheinlich viel mehr noch auf den einzelnen setzen. Eine andere Chance haben wir nicht. H: Schlägst du im neuen Buch den Weg zum Individuum ein. Siehst du Chansen in konse quenter Selbstverwirklichung. Ich meine sozial integrierte Verwirklichung, wo der einzelne dahin kommt, nicht mehr einfach in jeder Weise eingesteckt werden zu können? F: Ich beschreib da in erster Linie einmal ausgeprägte Individuen. Wobei auch totale Ego isten vorkommen, die den ganzen Scheiß rundherum ablehnen und sagen, mich interessiert nur, was mich betrifft. Doch da gibts einen, der darin jämmerlich scheitert. Und es gibt die anderen, die scheitern, indem sie Anpasser werden. Das ist der übliche Weg. Ein voll ent wickeltes Individuum ist ja für unsere Gesellschaft das größte Problem. H: Die Verwirklichung des Individuums . . . F: Die Verwirklichung ist auch ein Problem. Aber ich meine jetzt, daß ein voll entwickel tes Individuum problematisch ist, weil das läßt sich dann nicht mehr brauchen, das ist kein 42
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